Auch in diesem Monat präsentieren wir wieder drei aktuelle Anhängigkeit beim Bundesfinanzhof in München. Diesmal geht es bei allen drei Verfahren um einen verfahrensrechtlichen Hintergrund. Materiell-rechtlich geht es dabei um den Antrag auf Verzicht auf die Abgeltungssteuer, die Frage des Einspruchs bei Verlusten und die Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrages.
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Bescheidänderung aufgrund Arbeitgeberbescheinigung über tatsächlich abgeführte SV-Beiträge zulässig
Streitig war ein Antrag auf Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids mit der Begründung, dass dem Kläger die Höhe der tatsächlich abgeführten Sozialversicherungsbeiträge erst mit einer später übersandten Arbeitgeberbescheinigung nachträglich bekannt geworden sei. Das zuständige Finanzamt lehnte die Änderung ab.
Offenbarkeit der Unrichtigkeit bei § 129 AO – oder: wie tief hat die Finanzverwaltung ihre Nase in die Gewinnermittlung zu stecken?
Das FG Köln hat sich mit Urteil vom 30. März 2017, Az. 15 K 3280/15, mit der Frage beschäftigt, in welchem Maße eine Unrichtigkeit i. S. d. § 129 AO offenkundig sein muss, um als Übernahmefehler eine Änderung zu rechtfertigen.
Das Merkmal der Offenbarkeit könne danach nicht in dem Sinne verstanden werden, dass ein Mangel bereits bei oberflächlicher Bearbeitung oder bei bloßer Sichtung der Steuererklärung ohne nähere Befassung mit hierzu eingereichten Gewinnermittlungen nebst eingereichten Anlagen (mit Herleitung der einzelnen Positionen der Gewinnermittlung) ersichtlich sein muss.
Vielmehr verlange die Prüfung der Offenbarkeit, dass der Mangel bei Sichtung aller verfügbaren Unterlagen erkennbar werde.
In der Buchführung wurden Sozialversicherungsaufwendungen zutreffend auf dem Konto 4130 als Aufwand verbucht, jedoch versehentlich nicht in die Berechnung des Gewinns nach § 4 Abs. 3 EStG übernommen. Durch einen technischen (Zuordnungs-)Fehler bei Erstellung der Einnahme-Überschuss-Rechnung ist das Konto 4130 den sonstigen (Bestands-)Konten und nicht den Aufwandskonten zugeordnet worden, wodurch ein zu hoher Gewinn ausgewiesen und besteuert worden ist.
Bei Sichtung des Kontennachweises der Gewinnermittlung werde deutlich, dass das Konto 4130 als einziges Aufwandskonto den „sonstigen Konten“ zugeordnet worden ist. Diese auffallende Anomalie reiche nach Überzeugung des FG im Streitfall aus, eine „Offenbarkeit“ anzunehmen.
Das Urteil des FG Köln ist – soweit ersichtlich – rechtskräftig. Eine höchstrichterliche Entscheidung der Streitfrage über den Einzelfall hinaus ist daher vorerst nicht zu erwarten.
Trotzdem erscheint der praktische Umgang mit der lesenswerten Entscheidung diskussionswürdig, da vergleichbare Sachverhalte häufig auftreten.
Auch im Steuerrecht: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Nichts gegen Quasselstrippen, aber manchmal ist nichts sagen einfach die bessere Lösung. Tatsächlich scheint dies auch im Steuerrecht so zu sein.