Stoppt das BVerfG das geänderte Klimaschutzgesetz an?

Mit einer einstweiligen Anordnung des BVerfG will ein CDU-Bundestagsabgeordneter die Verabschiedung des geänderten Klimaschutzgesetzes am Freitag (26.4.2024) im Bundestag stoppen. Wie ist der Vorgang zu bewerten?

Hintergrund

Rückblick: Eigentlich hätte das von der Bundesregierung vorgelegte Gebäudeenergiegesetz (BT-Drs.20/6875) am 7.7.2023 mit der Regierungsmehrheit im Bundestag abschließend beraten und beschlossen werden sollen. Aber am 5.7.2023 hat das BVerfG (2 BvE 4/23) mit einer einstweiligen Anordnung entschieden, dass die 2./3. Lesung der von der Bundesregierung beabsichtigten Novelle des Gebäudeenergiegesetzes -GEG-  (“Heizungsgesetz“) nicht vor der Sommerpause am 7.7.2023 erfolgen darf: Keine Gesetzesbeschlüsse mit der Brechstange ohne ausreichende Prüfungs- und Überlegungszeit für die Abgeordneten im Bundestag, lautete die klare Karlsruher Botschaft.

Begründung: Der Hauptsacheantrag im Organstreitverfahren erscheine jedenfalls mit Blick auf das Recht des Antragstellers auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Im Rahmen der vom BVerfG vorzunehmenden Folgenabwägung überwiege unter den besonderen Umständen des Einzelfalls  das Interesse an der Vermeidung einer irreversiblen Verletzung der Beteiligungsrechte des Antragstellers aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG gegenüber dem Eingriff in die Verfahrensautonomie des Deutschen Bundestages, der die Umsetzung des Gesetzgebungsverfahrens lediglich verzögert Erst nach der parlamentarischen Sommerpause, am 8.9.2023, wurde dann mit Regierungsmehrheit das umstrittene sog. Heizungsgesetz abschließend beschlossen.

Nach dem aktuellen Klimaschutzgesetz muss Deutschland seinen Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 um mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 senken. Bis 20240 sollen die Treibhausgase um 88 Prozent sinken, bis 2045 soll vollständige Treibhausgasneutralität erreicht sein. Jetzt soll das Gesetz angepasst werden.

Worum geht es diesmal?

Am 26.4.2026 steht kurzfristig die Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes (BT-Drs. 20/8290) auf der Tagesordnung des Bundestages, wenn die Fraktionen diesem Aufsetzungsantrag noch zustimmen. Hiergegen wendet sich derselbe CDU-Bundestagsabgeordnete, der bereits die kurzfristige Abstimmung über das GEG im Juli 2023 mit Hilfe des BVerfG kurzfristig verhindert hat.

Mit dem Gesetzentwurf sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um das Ziel, 65 Prozent weniger CO2 bis 2030 und Klimaneutralität bis 2045 erreichen zu können. Der Entwurf der Bundesregierung im Kontext der gefährdeten, rechtzeitigen Erreichung der Ziele der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Hierzu sollen künftig Jahresemissionsgesamtmengen für alle Sektoren aggregiert eingeführt werden. Eine sektor- und jahresübergreifende Gesamtbetrachtung der Jahresemissionsgesamtmengen der Jahre 2021 bis einschließlich 2030 soll eine gegebenenfalls nötige Nachsteuerung ermöglichen. Das ist eine grundlegende Änderung gegenüber dem aktuellen status quo: Wenn einzelne Sektoren wie der Gebäude- oder Verkehrsbereich die gesetzlichen Vorgaben zum CO2-Ausstoß verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien im Folgejahr umgehend Sofortprogramme vorlegen.

Allerdings hat der federführende Ausschuss für Klimaschutz und Energie hat dem Regierungsentwurf am 24.4.2024 der Änderung nur in einer vom Ausschuss umfangreich geänderten Fassung zugestimmt, über die nun bereits am 26.4.2024 im Bundestag abgestimmt werden soll. Wegen der weitreichenden Änderungen am Gesetz bräuchten die Abgeordneten mehr Zeit zur Prüfung und Abwägung, meint der Abgeordnete. Die Änderungsankündigung sei am 19.4.2024 erfolgt, die finale Abstimmung ist bereits für Freitag, also sieben Tage später, terminiert. Bei dem am 19.4.2024 vorgelegten Papier habe es sich zudem nur um einen Neuentwurf „unter Vorbehalt“ gehalten; ein offizieller Änderungsantrag zum ursprünglichen Gesetzentwurf der Ampel werde erst am Mittwochabend (24.4.2024) vorgestellt, womit nur noch ein Tag zwischen Veröffentlichung und Abstimmung liege. Auch eine Synopse mit ursprünglicher Gesetzesfassung des Änderungsgesetzes und den vom Ausschuss vorgeschlagenen Änderungen gebe es nicht.

Einordnung und Bewertung

In seiner Pressemitteilung zum einstweiligen Stopp des GEG hat das BVerfG damals mitgeteilt: „Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG garantiert den Status der Gleichheit der Abgeordneten in einem formellen und umfassenden Sinn. Danach sind alle Abgeordneten berufen, gleichermaßen an der parlamentarischen Willensbildung mitzuwirken. Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht zu beraten. Dies setzt eine hinreichende Information über den Beratungsgegenstand voraus. Die Abgeordneten müssen dabei Informationen nicht nur erlangen, sondern diese auch verarbeiten können.“

Beim Klimaschutz und Änderungen des Klimaschutzgesetzes geht es nicht um eine Petitesse, sondern um etwas Grundlegendes, den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Den Stellenwert des Klimaschutzes und den hieraus resultierenden besonderen Schutzauftrag des Gesetzgebers hatte das BVerfG bereits in seiner richtungsweisenden Entscheidung aus 2021 betont (BVerfG v. 29.4.2021 – 1 BvR 2656/18) und deshalb dem Gesetzgeber konkrete und differenzierte Reduktionsmaßgaben für Treibhausemissionen auf für die Zeit nach 2030 diktiert. Deshalb sollten auch Änderungen am Klimaschutzgesetz nur nach reiflicher Überlegung und Prüfung sowie entsprechendem Diskurs im Parlament erfolgen. Sollte deshalb der Aufsetzungsantrag, die Klimaschutznovelle unbedingt am 26.4.2024 abschließend im Bundestag zu beraten und zu beschließen Bestand haben, wäre alles andere als eine einstweilige Anordnung des BVerfG eine große Überraschung. Denn anders als beim GEG steht diesmal keine parlamentarische Sommerpause vor der Tür, ein zeitlicher Verabschiedungsdruck besteht also diesmal erst recht nicht.

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