Im April 2018 hat der BFH schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel an der Zinshöhe von 6 Prozent /Jahr gemäß § 238 AO geäußert; die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hierzu steht noch aus. In einem weiteren Revisionsverfahren muss jetzt auch der typisierende Zinssatz von 6 Prozent nach § 4 Abs. 4 a S. 3 EStG vom BFH auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft werden.
Hintergrund
In einer anhaltenden Niedrigzinsphase sind die in den Steuergesetzen festgelegten typisierenden Zinssätze von 6 Prozent (§ 238 AO und § 6a Abs. 3 S. 3 EStG) bzw. von 5,5 Prozent (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) zunehmend in die Kritik geraten, weil sie durch ihre „realitätsferne Bemessung“ den Bezug zum langfristigen Marktzinsniveau verloren haben.
Beim Bundesverfassungsgericht sind verschiedene Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinssätze anhängig (2 BvR 2706/17, 2 BvL 22/17, 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17). Politische Vorstöße zur Änderung der geltenden Zinssätze sind bislang ohne Erfolg geblieben (BR-Drucks. 396/18, 397/18 v. 21.9.2018). Der BFH hat mit seinen viel beachteten Beschlüssen v. 25.4.2018 – IX B 21/18 und v. 3.9.2018 – VIII B 15/18 bezogen auf § 233a AO Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt wegen „schwerwiegender verfassungsrechtlicher Zweifel“ an der Zinshöhe von 6 Prozent nach § 233a AO i.V.m. § 238 Abs. 1 S. 1 AO. Das FG Hamburg (v. 31.1.2019 – 2 V 112/18) hat nachfolgend den Abzinsungszinssatz von 5,5 Prozent (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) beanstandet.
Schuldzinsen sind gemäß § 4 Abs. 4a S. 1 EStG nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn sog. Überentnahmen getätigt worden sind. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden gemäß § 4 Abs. 4a S. 3 EStG typisiert mit 6 Prozent der Überentnahme berechnet. Auch die Höhe dieses Zinssatzes ist inzwischen vor der Finanzgerichtsbarkeit in Zweifel gezogen worden.
Jetzt liegt die Streitsache auf dem Tisch des BFH.
Sachverhalt
Die Klägerin wandte sich gegen die Erhöhung ihrer gewerblichen Einkünfte um nicht abzugsfähige Schuldzinsen. Sie macht verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe des typisierenden Zinssatzes von 6 Prozent geltend, denn dieser Zinssatz habe keinen Bezug zum langfristigen Marktzinsniveau, der Zinssatz sei nicht mehr marktgerecht. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in § 238 AO geregelte Zinshöhe würden auch für die typisierte Berechnung beim Schuldzinsenabzug gelten. Das FG Düsseldorf widersprach dieser Ansicht und wies die Klage ab. Es bestätigte die typisierte Begrenzung des Schuldzinsenabzugs. Der in § 4 Abs. 4a S. 3 EStG bestimmte typisierende Zinssatz von 6 v.H. sei verfassungsgemäß (FG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 31.5.2019 – 15 K 1131/19 G, F).
Begründung
Es bestünden keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 4a S. 3 EStG, denn es liegt eine Typisierung vor, die grundsätzlich vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umfasst sei. Die Begrenzung des Abzugs von Schuldzinsen als Betriebsausgaben erfolge aus Vereinfachungszwecken in pauschalierter Art und Weise. Die Verzinsung mit 6 Prozent sei zwar aktuell nachteilig. Diesem Nachteil stehe aber der Vorteil der Gleichbehandlung von Einlagen und Gewinnen bei der Ermittlung der Überentnahmen gegenüber. Der Steuerpflichtige könne ein Schuldzinsenabzugsverbot durch Gestaltung vermeiden. Soweit die Regelung im extrem gelagerten Einzelfall zu grob sachwidrigen Ergebnissen führen sollte, kämen gegebenenfalls Billigkeitsmaßnahmen in Betracht.
Revision beim BFH anhängig
So ganz sicher war das FG Düsseldorf sich seiner Sache aber wohl auch nicht: Die Frage der Zinshöhe in den Fällen des § 4 Abs. 4a S. 3 EStG sei höchstrichterlich noch nicht entschieden, die Revision deshalb zuzulassen. Die Revision ist inzwischen auch beim BFH unter dem Az. IV R 19/19 anhängig. Damit hat der BFH auch in einem weiteren Zusammenhang Gelegenheit zu prüfen, ob der geltende gesetzliche Zinssatz mit höherrangigem Verfassungsrecht noch vereinbar ist oder gegen das GG verstößt, weil er schon lange nicht mehr marktgerecht ist, sich also Renditen von 6 Prozent/Jahr am Kapitalmarkt nicht erwirtschaften lassen. Betroffene Steuerpflichtige sollten sich deshalb in Vergleichsfällen auf das anhängige BFH-Verfahren berufen.
Lesenswert in diesem Zusammenhang auch: Das BMF hat sein Schreiben zum betrieblichen Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4a EStG aktualisiert und u.a. an das BFH-Urteil v. 14.03.2018 – X R 17/16 angepasst (BMF- Schreiben v. 02.11.2018 – IV C 6 S 2144/07/10001/007)
Weitere Informationen:
FG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 31.5.2019 – 15 K 1131/19 G,F; Revision anhängig, BFH-Az. IV R 19/19 (www.justiz.nrw.de)
Lesen Sie hierzu auch folgende meiner Beiträge hier im NWB Experten-Blog:
- Finanzamtszinsen: FG Hamburg beanstandet jetzt auch Abzinsungszinssatz!
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