Viele Jahre ging folgendes Steuermodell gut: Der Arbeitnehmer bringt einen Werbeaufkleber des Arbeitgebers an seinem privaten Pkw an und erhält dafür von seinem Arbeitgeber eine Vergütung von bis zu 255 Euro pro Jahr. Diese Vergütung wird nicht als Arbeitslohn betrachtet, vielmehr soll es sich um sonstige Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG handeln, die bei Unterschreiten der Freigrenze von 256 Euro steuerfrei bleiben.
Wie fast immer bei solch schönen Gestaltungen wurde auch diese – zu sehr – auf die Spitze getrieben. Viele Arbeitgeber haben sich damit begnügt, ihren Mitarbeitern 255 Euro allein dafür zu zahlen, dass diese eine Kennzeichenhalterung mit dem Logo des Arbeitgebers an ihrem privaten Pkw anbringen. Zuweilen ist der Betrag nicht einmal „on top“, sondern nur im Wege der Gehaltsumwandlung gezahlt worden. Oder es wurden „Gehaltserhöhungen mit Rückfallklauseln“ vereinbart.
Jedenfalls wurden die Lohnsteueraußenprüfer – und auch die Sozialversicherungsprüfer – zunehmend misstrauischer und es kam zu ersten Gerichtsverfahren.
Im Jahre 2021 hat das Bundessozialgericht dem Modell „Fahrzeugwerbung“ zumindest für die Fälle der Gehaltsumwandlung den Boden entzogen und wie folgt entschieden (BSG-Urteil vom 23.2.2021, B 12 R 21/18 R): Vereinbart ein Arbeitgeber mit der Belegschaft einen teilweisen Lohnverzicht und zahlt im Gegenzug Miete für Werbeflächen auf den Pkws der Belegschaft, handelt es sich dabei sozialversicherungsrechtlich um Arbeitsentgelt. Dieses umfasst grundsätzlich alle im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden geldwerten Vorteile. Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der ursprüngliche Bruttoarbeitslohn rechnungsmäßig fortgeführt wird und die Werbeeinnahmen als „neue Gehaltsanteile“ angesehen werden. Demzufolge kommt es nicht darauf an, dass die Werbeeinnahmen auf eigenständigen Mietverträgen mit der Belegschaft beruhten.
Nun hat auch der BFH das Modell – im Grundsatz – verworfen: Ein Entgelt für Werbung des Arbeitgebers auf dem Kennzeichenhalter des privaten Pkw des Arbeitnehmers ist durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und damit Arbeitslohn, wenn dem mit dem Arbeitnehmer abgeschlossenen „Werbemietvertrag“ kein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zukommt. Ist das für die Werbung gezahlte Entgelt als Arbeitslohn zu beurteilen, scheidet eine überwiegend eigenbetriebliche Veranlassung der Zahlung regelmäßig aus (BFH-Beschluss vom 21.6.2022, VI R 20/20).
Im Streitfall hatte der Arbeitgeber mit einem Teil seiner Arbeitnehmer „Werbemietverträge“ geschlossen. Danach verpflichteten sich diese, mit Werbung des Arbeitgebers versehene Kennzeichenhalter an ihren privaten Pkw anzubringen. Dafür erhielten sie jährlich 255 Euro. Der Arbeitgeber behandelte das „Werbeentgelt“ als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG und behielt daher keine Lohnsteuer ein. Das Finanzamt ging demgegenüber von einer Lohnzahlung aus und nahm den Arbeitgeber für die nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer in Haftung. Einspruch, Klage und Revision blieben aber erfolglos
Die Begründung des BFH: Den “Werbemietverträgen“, die an die Laufzeit der Arbeitsverträge geknüpft seien, komme kein eigener wirtschaftlicher Gehalt zu. Für die Bemessung des „Werbeentgelts“ von jährlich 255 Euro sei ersichtlich nicht – wie im wirtschaftlichen Geschäftsverkehr üblich – der erzielbare Werbeeffekt maßgeblich gewesen, sondern allein die Ausnutzung der erwähnten Steuerfreigrenze.
Denkanstoß:
Es bleibt einem Arbeitgeber unbenommen, mit einem Arbeitnehmer neben dem Arbeitsvertrag weitere eigenständige Verträge abzuschließen. Einem gesondert abgeschlossenen Vertrag kann ein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zukommen. Aber wenn schon, denn schon: In Bezug auf die Fahrzeugwerbung müsste man sich anschauen, was üblich ist. Das heißt: Was würde ein Unternehmen dafür zahlen, dass eine fremde Person Werbung auf seinem Pkw anbringt? Und wie würde ein solcher Vertrag dann ausgestaltet sein?
Es gibt durchaus Unternehmen, die so genannte Mobilwerbung betreiben bzw. vermitteln, etwa indem sie die Kfz von Tierheimen mit Firmenlogos bestücken. Wer also von dem Modell „Fahrzeugwerbung“ nicht lassen will, sollte sich solche Vertragsgestaltungen zum Vorbild nehmen.
Unabhängig davon: Arbeitgeber, die das oben vorgestellte Modell wie im Streitfall durchgeführt haben, müssen sich nun wohl oder übel auf eine Lohnsteuerhaftung einstellen.