Die Beurteilung von Sachverhalten sowohl aus lohnsteuerlicher als auch aus auch sozialversicherungsrechtlicher Sicht ist in der Praxis recht schwierig. Die „Kombination“ von Sozialversicherungs- und Umsatzsteuerrecht übersteigt das Ganze zuweilen aber noch. Gerade wenn es um Fragen der Umsatzsteuerfreiheit von Leistungen im Sozialbereich geht, ist zuweilen ein tiefes Einarbeiten ins Sozialgesetzbuch erforderlich. Auch der BFH bleibt davon nicht verschont und musste in jüngster Zeit mehrere Fälle zu der Problematik entscheiden. Aktuell – und durchaus von Interesse – ist insoweit das Urteil vom 13.6.2018 (XI R 20/16). Danach gilt:
Leistungen im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe, die eine selbständig tätige Psychologische Beraterin als „sonstige qualifizierte Person“ gegenüber zugelassenen Anbietern für hilfsbedürftige Personen erbringt, sind steuerfrei, wenn diese Leistungen aufgrund eines Hilfeplans vom Träger der Sozialhilfe bewilligt und mittelbar vergütet werden.
Dem aktuellen BFH-Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin ist eine ausgebildete Psychologische Beraterin. Sie war als Subunternehmerin in der ambulanten Eingliederungshilfe i.S. von § 53 SGB XII tätig. Sie betreute ihre Klienten im Alltag durch Beratungs-, Begleitungs-, Betreuungs- und Förderleistungen mit dem Ziel, diesen einen eigenständigen Alltag und die Eingliederung in das soziale Leben zu ermöglichen. Ein unmittelbares Vertrags-, Abrechnungs- und Vergütungsverhältnis mit dem zuständigen gesetzlichen Sozialhilfeträger, A, bestand dabei nicht.
Die Klägerin besaß die von A geforderte Ausbildung für einen Status als „Fachkraft“ nicht, sondern wurde als eine „sonstige qualifizierte Person“ eingestuft. Der jeweilige Klient besprach zunächst Art und Umfang der gewünschten Tätigkeiten im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe mit der Klägerin. Diese erarbeitete dann zusammen mit einem „Leistungserbringer“ einen Hilfeplan. Hierauf genehmigte A bei anerkannter Hilfsbedürftigkeit ein bestimmtes Stundenkontingent zur Betreuung. Die Klägerin schloss mit dem jeweiligen Leistungserbringer einen Dienstvertrag als freie Mitarbeiterin, der insbesondere Art und Umfang der Tätigkeiten sowie die Vergütung regelte.
Zwischen A als Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer bestand daneben eine Vereinbarung, welche insbesondere Art, Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen betraf. Zur Abrechnung übermittelte die Klägerin klientenbezogene Daten an A, der gegenüber dem Leistungserbringer abrechnete und ihm das vereinbarte Entgelt erstattete. Die Klägerin erteilte dem Leistungserbringer als Subunternehmerin Rechnungen ohne Umsatzsteuerausweis. In den Rechnungen wies sie darauf hin, dass ihre „heilberufliche Tätigkeit“ von der Umsatzsteuer befreit sei. Das Finanzamt gelangte (ab 2010) zu der Auffassung, dass die betreffenden Umsätze steuerpflichtig seien, weil nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG (i.d.F. des JStG 2009) und dem Urteil des BFH eine Subunternehmertätigkeit für eine Steuerbefreiung nicht ausreiche (BFH vom 8.11.2007, V R 2/06, BStBl II 2008, 634). FG und BFH waren jedoch anderer Auffassung.
Auch die von einem Subunternehmer im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe an die „Leistungserbringer“ ausgeführten Umsätze können nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 (jetzt Buchst. l) steuerfrei sein. § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 erfordere keine vertragliche Vereinbarung nach dem Sozialrecht. Der Begriff „Einrichtung“ i.S. von § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 umfasst im Übrigen auch natürliche Personen.
Ob Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle (heute: 25 %) i.S. von § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wurden, entscheidet sich nach Maßgabe sozialversicherungsrechtlicher Regelungen. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 wird daher insbesondere dann ausgelöst, wenn der Unternehmer die Erstattung der Kosten, die seinen Leistungsempfängern aufgrund seiner Leistung entstanden sind, durch Sozialversicherungs- oder Sozialhilfeträger konkret nachweisen kann.
Praxishinweis:
Die Vorschrift des § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. k UStG 2009 ist mit Ausnahme der Mindestvergütungsquote, die nunmehr (statt 40 %) mindestens 25 % beträgt, identisch mit § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchst. l UStG in der derzeit geltenden Fassung. Auch § 4 Nr. 16 Satz 2 UStG 2009 entspricht inhaltlich § 4 Nr. 16 Satz 2 UStG der aktuellen Fassung.
Weitere Informationen und Urteile zu diesem Thema:
- BFH v. 13.06.2018 – XI R 20/16
- BFH v. 06.04.2016 – V R 55/14
- BFH v. 09.03.2017 – V R 39/16
- BFH v. 18.08.2015 – V R 13/14