Sprechen Sie doch ´mal bei Frau Lambrecht vor

Stellen Sie sich folgenden Fall vor: Sie sind der Auffassung, dass der deutsche Gesetzgeber die MwStSystRL nicht korrekt ins deutsche Umsatzsteuerrecht umgesetzt hat. Nach Ansicht des Finanzamts erbringt einer Ihrer Mandanten daher umsatzsteuerpflichtige statt umsatzsteuerfreier Leistungen. Nun schreiben Sie folgenden Brief an das Finanzamt: „Ich fordere Sie auf, die Leistungen meines Mandanten als umsatzsteuerfrei zu behandeln. Zwar könnte mein Mandant auch den Klageweg beschreiten. Ihm ist es aber nicht zumutbar, eine langjährige Rechtsstreitigkeit mit entsprechend hohen Anwalts- und Verfahrenskosten bei ungewissem Ausgang selbst zu führen. Deshalb ist es mehr als billig, meinem Antrag nachzukommen.“

Ich denke, Sie werden beim Finanzamt lediglich ein Kopfschütteln ernten. Vielleicht ahnt der eine oder andere schon, worauf ich hinaus möchte. Unsere Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hat nämlich einen ähnlichen Satz im Zusammenhang mit der Übernahme der Kosten für die Thomas Cook-Pleite verwendet: Den Kunden sei nicht zumutbar, solche langjährigen Rechtsstreitigkeiten mit entsprechend hohen Anwalts- und Verfahrenskosten bei ungewissem Ausgang selbst zu führen.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Zum einen bin ich kein Reise- bzw. EU-Rechtler und kann nicht beurteilen, ob die Ansprüche der Geschädigten gegen den Bund tatsächlich durchsetzbar gewesen wären. Und zum anderen gönne ich jedem Betroffenen den Ersatz der Kosten, zumal auch ich – wie wohl ganz viele Mitbürger – Freunde und Verwandte haben, die bei der Thomas Cook-Pleite Geld verloren haben.

Aber wenn der Bund Fehler gemacht hat, soll er dazu stehen. Hat er hingegen keine Fehler gemacht, wird also ohne „Rechtsgrund“ entschädigt, so erhalten wir eine merkwürdige Situation: Anfang des Jahres von der Germania-Pleite (bei Direktbuchung) betroffene Kunden erhalten kein Geld, nun von der Thomas Cook-Insolvenz betroffene Kunden erhalten hingegen „Schadenersatz.“ So ganz leuchtet mir das nicht ein.

Um auf das Steuerrecht zurückzukommen: Gerade in der Frage der Nichtumsetzung oder der falschen Anwendung von EU-Richtlinien können wir Steuerberater ein Lied singen. Und ganz häufig geht es um kleinere Unternehmer, die betroffen sind. Es sind nicht immer nur die großen Fälle. Zu denken ist auch an die Betrugsfälle im Zusammenhang mit den nicht gelieferten Blockheizkraftwerken. Selbst nach einem einschlägigen EU-Urteil weigert sich die Finanzverwaltung zuweilen noch immer, die Vorsteuern auszuzahlen. Vielleicht sollten die Geschädigten einmal bei Frau Lambrecht vorsprechen.

Sie wissen schon: „Es ist mir nicht zuzumuten, …“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

57 + = 61