Verhindert Gier den kritischen Blick auf Tatsachen?
Wachstum. Sehr hohes Wachstum. Viel Geld verdienen ohne viel zu arbeiten? Wer von Ihnen würde dazu Nein sagen. Klingt zu schön, um wahr zu sein. Dies ist es meistens auch. Dies zeigen einige Beispiele der Geschichte. Im 17. Jahrhundert waren Tulpenzwiebeln ein begehrtes Spekulationsobjekt in Amsterdam. Sollten Sie den Film „Tulpenfieber“ noch nicht gesehen haben: Es lohnt sich. Die Gier der Menschen und das Platzen der Blase werden dem Zuschauer so lebhaft nahegebracht.
Im Jahr 1893 wiederholt sich eine derartige Blase: Diesmal traf es die Börse in den USA, genauer gesagt Eisenbahn-Aktien. Der Börsencrash führte zu einer Wirtschaftskrise. Neben Eisenbahn-Unternehmen gehen auch einige Banken bankrott. Wie auch bei den Tulpenzwiebeln in den Niederlanden wollten in New York alle dabei sein, als die Aktienkurse von Eisenbahn-Unternehmen anstiegen. Kritische Überprüfungen fehlten. Wacklige Finanzierungen, wenig Investitionen und eine entstehende Überproduktion schienen kaum jemanden davon abzuhalten, Aktien zu kaufen. Die Gier siegt auch hier.
Haben Spekulationsblasen denn Gemeinsamkeiten? Ja, haben sie. Das Muster, dem sie folgen, ist immer gleich. Lediglich die Spekulationsobjekte ändern sich: Tulpen, Eisenbahnen, Immobilien, Internet. Doch wieso können sie nicht vermieden werden? Gegen Gier gibt es noch keine Medizin. Aber wie so oft: Hinterher ist man immer schlauer. Denn das steigende Preise eine Blase sind, weiß man erst nach dem Platzen.
Auch beim Börsengang der Hess AG legte beispielsweise ein Text der Börse der ARD Privatanlegern nahe, sich den Aktienkauf gut zu überlegen. Zitat: „Genau hinschauen lohnt sich.“ Die Autorin des Textes wusste erst viele Jahre später, wie sehr sie mit ihrer Aussage recht hatte. Kurze Zeit nach dem Börsengang meldete das Unternehmen Insolvenz an. Die Bilanzfälschungen wurden entdeckt und mittlerweile in den korrigierten Berichten eines Wirtschaftsprüfers offengelegt. Dort zeigt sich das Ausmaß der erheblichen Manipulationen der Bilanzen: Neben fingierten Umsätzen wurden beispielsweise bestehende Verbindlichkeiten nicht ausgewiesen.
Die Hess AG hatte in den Pressemitteilungen den Gewinn und dessen deutlichen Anstieg sehr deutlich hervorgehoben. Ein Blick in die Kapitalflussrechnung verschafft tiefergehende Informationen: Der sog. Free Cashflow war negativ – und zwar deutlich. Demnach blieben für Ausschüttungen in Form von Dividenden sowie Zins- und Tilgungszahlungen keine liquiden Mittel übrig. Ein Warnsignal, wie sich einige Zeit nach dem Börsengang zeigte. Auch wenn im Wertpapierprospekt darauf hingewiesen wurde, dass für die ersten zwei Jahre keine Dividendenausschüttungen geplant sind, kein gutes Zeichen.
Im Gegensatz zum Tulpen-, Eisenbahn- und Immobilienfieber führte das Platzen der Blase beim Leuchtmittelhersteller zu keiner Wirtschaftskrise. Dennoch verloren viele Anleger ihr Geld. So wie es derzeit auch den Aktionären des Steinhoff-Konzerns passierte – sofern der Aktienkurs sich von der Aufdeckung des Bilanzskandals nicht wieder drastisch erhöht.
Haben Blasen auch etwas Gutes? Vielleicht bereinigen sie die Luft. So wie dies nach einem heftigen Streit auch oft der Fall ist. Zumindest aus den Fehlern zu lernen wäre hilfreich.
Fazit: Blasen gibt es immer wieder. Heute oder morgen können sie geschehen. Hoffen wir nicht allzu oft, wie Katja Ebstein sich dies in ihrem Schlager „Wunder gibt es immer wieder“ wünscht.
Lesen Sie dazu auch:
- Göpfert: Ewig lockt die Spekulationsblase, 4. Mai 2018 (www.tagesschau.de)
- Göpfert: IPO: Nackte Zahlen lassen Hess AG nicht erstrahlen, 8. Oktober 2012 (www.boerse.ard.de)
Wenn Richter sich in Vorurteilen auf die Seite von Spekulanten stellen und Verluste sozialisieren wollen,
wie in Stuttgart oder Braunschweig kann ohne Risiko des Totalverlusts spekuliert werden.
Deshalb werden die Gierigen noch gieriger und waschen die Hände in Unschuld, nicht ihre Geldgier hat
die Aktienkurse hoch gejagt und zum Absturz gebracht, sondern das Fehlverhalten anderer.