SPD plant vorzeitige Soliabschaffung: Vom Saulus zum Paulus?

SPD plant vorzeitige Soliabschaffung: Vom Saulus zum Paulus?

Mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlages 1995 (vom 10.12.2019, BGBl 2019 I S. 2115) werden 2021 rund 90 Prozent der Steuerzahler vom „Soli“ befreit, weitere 6,5 Prozent der Steuerzahler sollen beim „Soli“ in Stufen entlastet werden.

Jetzt will die SPD den Soli bereits im Juli 2020 abschaffen: Was ist davon zu halten? Ist das gerecht?

Hintergrund

Der seit 1995 erhobene Solidaritätszuschlag in Höhe von 5 Prozent der tariflichen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer (§ 3 SolZG 95) ist seit Jahren umstritten. Es geht um die Frage, ob die seinerzeit zur Finanzierung der Sonderlasten aus der Wiedervereinigung eingeführte Ergänzungsabgabe nicht inzwischen überholt ist und etwaige Finanzierungsprobleme nicht durch eine Anpassung der Steuertarife finanziert werden müssten. Nach langem politischem Ringen hat der Gesetzgeber im letzten Jahr ein Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlages 1995 verabschiedet, dass für rund 90 Prozent der Steuerzahler zu einem vollständigen Wegfall des Solidaritätszuschlages führt; bis zu einem versteuernden Einkommen von 61.717 Euro ist künftig kein Soli mehr fällig. In einer sogenannten Milderungszone bis 96.409 Euro zu versteuerndem Einkommen sinkt die Solibelastung spürbar; hiervon profitieren rund weitere 6,5 Prozent der Steuerzahler. Die übrigen 3,5 Prozent der Steuerzahler – sogenannte „Besserverdiener“ – sollen aber weiterhin den Solidaritätszuschlag in unveränderter Höhe zahlen.

SPD will Soli bereits im Juli 2020 abschaffen

Obwohl Bundesfinanzminister Scholz noch vor kurzem trotz glänzender Haushaltsentwicklung erklärt hatte, die „goldenen Zeiten sind vorbei“, plant er jetzt offenbar nach einem Sinneswandel die „Rolle rückwärts“ Bereits im Juli 2020 – also ein halbes Jahr früher als geplant – sollen die Pläne zur Soli-Abschaffung bzw. -Reduzierung vollzogen werden. Dies würde die Bürger um rund fünf Milliarden/Jahr entlasten. Hintergrund für diesen Sinneswandel ist die günstige Haushaltsentwicklung des Bundeshaushaltes, vor allem im letzten Jahr: 13,5 Milliarden Euro Haushaltsüberschuss 2019 zuzüglich nicht in Anspruch genommener Rückstellungen zuzüglich nicht verausgabter, jedoch bereitgestellter, Investitionsmittel haben für ein Rekordergebnis gesorgt. Was noch vor wenigen Wochen undenkbar schien, ist jetzt offenbar problemlos möglich, Steuer- und Haushaltsüberschüsse sollen an den Bürger im Wege der Steuerentlastung über die vorgezogene Abschaffung des Soli zurückgegeben werden.

Was ist von den Plänen zu halten?

Jede Steuerentlastung für den Steuerzahler ist natürlich zu begrüßen, darüber kann es keine zwei Meinungen geben. Aber ist das Vorpreschen der SPD zum jetzigen Zeitpunkt gut überlegt oder nur ein parteitaktisches Steuermanöver? Tatsache ist: Eine vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlages für alle Steuerzahler, also auch unter Einbindung der 3,5 Prozent Besserverdiener in Deutschland, würde einen Mehraufwand von zehn Milliarden Euro/Jahr bedeuten. Würde also der Finanzminister noch weitere fünf Milliarden aus den Überschüssen des Jahres 2019 „draufpacken“, könnten – dann freilich erst ab 2021 – alle Steuerzahler von einer vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlages profitieren. Das wäre gerecht. Denn für eine Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), die es rechtfertigt,  zwar einen Teil der Steuerbürger nunmehr nochmals um sechs Monate vorgezogen beim Soli zu entlasten, einen anderen Teil der Steuerzahler aber unvermindert in voller Höhe weiter zu belasten, ist nicht ersichtlich. Hierfür fehlt jedweder sachlicher Differenzierungsgrund, der eine Ungleichbehandlung von Verfassungswegen rechtfertigen könnte.

Hinzu kommen verfassungsrechtliche Risiken der bestehenden Regelung, die nach aktueller Rechtslage ab 2021 greifen soll. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts Ende 2019 hat nach Meinung vieler Steuer- und Verfassungsrechtsexperten der Solidaritätszuschlag schon mit Ablauf des Jahres 2019 seine Daseinsberechtigung verloren. Deswegen ist aktuell auch mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler eine Musterklage beim FG Nürnberg gegen die Erhebung des Solidaritätszuschlages ab VZ 2020 anhängig. Auch das Bundesverfassungsgericht hat noch nicht abschließend über die Verfassungsmäßigkeit des Soli unter der Geltung des SolZG 95 entschieden. Die Politik läuft also Gefahr, eine nachgebesserte Regelung zu schaffen, die ihrerseits vor den Gerichten keinen Bestand hat. Sie wäre deshalb besser beraten, jetzt „Klarschiff zu machen“ und den Solidaritätszuschlag – gerne erst ab VZ 2021 – durch Nachbesserung des Gesetzes für alle Steuerzahlen vollständig abzuschaffen.

Wenn sich hierzu die Bundesregierung nicht durchringen kann, wäre es ratsamer, die FDP-Pläne für ein Steuersenkungsgesetz 2020 weiter zu verfolgen. Diese sehen für eine spürbare Senkung der Steuerquote eine Abschaffung des zugestandenen Mittelstandsbauches vor, die durch eine Streckung der Einkommensteuertarifstufen erfolgen soll. Auch diese Maßnahme will finanziert werden. Sie wäre allemal sinnvoller und würde dem Steuerbürger insgesamt mehr helfen, als eine partielle Privilegierung eines Teils des Steuervolkes durch vorzeitige Abschaffung des Solis im Juli 2020.

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