Sparen was das Zeug hält – EU beschließt Energiesparplan

Auf Vorschlag der EU-Kommission haben die EU-Mitgliedstaaten am 26.7.2022 einen EU‑Notfallplan‑Gas beschlossen. Was bedeutet das für gewerbliche Wirtschaft und Bürger in Deutschland?

Hintergrund und Zielsetzung

Der russische Krieg in der Ukraine seit dem 24.2.2022 hat zu einem dramatischen Anstieg der Energiepreise in Deutschland und Europa, vor allem aber zu einer Mangellage bei der Gasversorgung geführt, seitdem Russland die Drosselung der Gaslieferungen nach Westeuropa als wirtschaftspolitische Kriegswaffe einsetzt. Da die Sicherstellung der Energie-, vor allem der Gasversorgung, kein rein nationales, sondern in einem europäischen Energieverbund ein europäisches Gesamtproblem ist, zielt der jetzt beschlossene EU-Plan auf die Sicherung der Gasversorgung in der gesamten EU, dessen Grundlage ein Vorschlag der EU-Kommission vom Mai 2022 war.

Was ist Inhalt des EU-Notfallplanes Gas?

Die ambitionierten EU-Pläne bedeuten:

  • Die EU‑Länder wollen zwischen dem 1.8.2022 und 31.3.2023 ihren nationalen Gasbedarf im Vergleich zum durchschnittlichen Gasverbrauch des gleichen Zeitraums in den Jahren 2016 bis 2021 freiwillig durch Maßnahmen ihrer Wahl um 15 Prozent senken.
  • Die Reduktion kann zur Pflicht für alle EU‑Mitgliedstaaten werden (sog. „Unionswarnung“ oder „EU‑Alarm“). Dies kann mittels Durchführungsbeschluss des Rates der Mitgliedstaaten (Zustimmung von 15 der 27 EU‑Länder, die 65 Prozent der EU‑Gesamtbevölkerung ausmachen) auf Vorschlag der Kommission herbeigeführt werden, wenn sich die Versorgungslage drastisch verschlechtert oder fünf und mehr Mitgliedstaaten die Kommission darum ersuchen.
  • Bei der Erreichung eines verbindlichen Reduktionsziels sind Maßnahmen zur Nachfragereduzierung der Vorrang zu geben. Privathaushalte und „kritische Einrichtungen“, Gesundheitswesen und Verteidigung sollen „nicht beeinträchtigt“ werden.
  • Zu den möglichen Maßnahmen gehören die Verringerung des Gasverbrauchs im Elektrizitätssektor, Maßnahmen zur Förderung des Brennstoffwechsels in der Industrie, nationale Sensibilisierungskampagnen, gezielte Verpflichtungen zur Verringerung des Heiz‑ und Kühlbedarfs und marktgestützte Maßnahmen wie Versteigerungen zwischen Unternehmen.
  • Ausnahmen bei einer möglichen Pflicht zum Gassparen gibt es u.a. für Länder, die ihre Füllziele für Gasspeicher überschritten haben, oder wenn ein Land „über begrenzte Verbindungsleitungen zu anderen Mitgliedstaaten verfügt“ oder nachweisen kann, dass Gas in vollem Umfang in andere Mitgliedstaaten weitergeleitet wird.

Was bedeuten die EU-Pläne für Unternehmen und Verbraucher in Deutschland?

Wegen der vielen Sonderregelungen muss Deutschland in diesem Winter voraussichtlich mehr Gas einsparen als die zunächst vorgesehenen 15 Prozent. Baden‑Württemberg hat deshalb schon einen 5‑Punkte‑Plan zum Energiesparen mit dem Ziel beschlossen, in kürzester Zeit 20 Prozent Energie einzusparen, hauptsächlich Gas. „Energiesparen ist jetzt erste Bürgerpflicht!“ heißt das aktuelle energiepolitische Credo.

Das konzertierte baden-württembergische Maßnahmenpaket von Landesregierung, Kommunen, Arbeitgebern, Gewerkschaften, Handwerk, Energieversorgern und Verbraucherschützern könnte eine Blaupause für Energieeinsparmaßnahmen bundesweit sein:

  • Senkung der Büro-Raumtemperatur auf das gesetzliche Minimum
  • Verzicht auf Warmwasser in Dienstgebäuden
  • Wenig genutzte Gebäudeteile von der Heizung nehmen, Gebäudenutzungen effizienter planen (Desksharing, Homeoffice)
  • Schließung (staatlicher) Gebäude über Brückentage hinweg und Anordnung von Homeoffice
  • Verzicht auf Klimaanlagen, außer an extremen Hitzetagen
  • Verzicht die Nutzung von Aufzügen, Heizlüftern und Ventilatoren, wo es möglich ist

Ausblick und Bewertung

Der EU-Energiesparplan bedeutet bei Umsetzung auch im Inland: „Energiesparen was das Zeug hält“, und zwar für alle. Teil vernünftiger Sparpolitik muss aber auch sein, mit politischen Tabus zu brechen und notfalls auch über eine Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke über den 31.12.2022 hinaus nachzudenken – auch um zu vermeiden, dass aus der Gasversorgungskrise zusätzlich eine Stromversorgungskrise wird. Die letzten laufenden Atommeiler tragen Ende Juli 2022 rund 6,4 Prozent (18,5 TWh) zur Stromversorgung in Deutschland bei, ein Potential, das weitergenutzt werden sollte.

Gasverstromung – unter Einbeziehung rein industrieller Stromerzeugung mit einem Anteil von 15,4 Prozent (49,5 TWh) – ist ein teurer Luxus, auf den wenigstens vorübergehend verzichtet werden sollte. Vor allem aber ist eine Weiterbetrieb von klimafreundlichen Atommeilern in der jetzigen Notsituation auch ein Akt europäischer Solidarität: Wer sich innerhalb der EU zum gemeinsamen Sparen bekennt, kann nicht von anderen den AKW-Weiterbetrieb erwarten, den man selbst verweigert.

Quellen

Mitteilung der EU-Kommission vom 18.5.2022: Ein Energiesparplan für die EU
IMMC.COM%282022%29240%20final.DEU.xhtml.1_DE_ACT_part1_v2.docx (europa.eu)


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