Jährlich werden Milliarden vererbt. Oft gibt es auch eine gesetzliche Erbfolge oder eine vertragliche oder testamentarische Erbfolge und entsprechende Verfügungen des Erblassers, die in der Regel Fall bindend für die Pflichtteilsberechtigten bzw. für potentielle Erben sind.
Dennoch kann es immer wieder im Nachgang zu der Eröffnung eines Testaments oder eines notariellen Erbvertrages zu Streit kommen. Ein Kind fühlt sich benachteiligt, insbesondere dann, wenn es gar nicht in die Erbenstellung einrückt.
In einem jüngst vom Bundesfinanzhof veröffentlichten Sachverhalt errichteten die Eltern ein gemeinschaftliches Ehegattentestament, in dem sie sich gegenseitig zu befreiten Vorerben und ihre drei Kinder als Nacherben einsetzten (BFH v. 06.05.5021 – II R 24/19).
Details zum Sachverhalt
Nach dem Tod des Vaters war das Testament zunächst dahingehend ausgelegt, dass die Mutter Alleinerbin nach ihrem verstorbenen Ehemann und der eine Sohn und seine Brüder nach dem Tod der Mutter Schlusserben seien. In der Folgezeit wurde von der Mutter Grundbesitz an einen der Söhne sowie an einen seiner Brüder übertragen. Dafür wurde auch Schenkungsteuer festgesetzt. Nach dem Tod der Mutter wurde festgestellt, dass das Testament bisher fehlerhaft ausgelegt worden war. In der Folgezeit führten die Kinder einen Zivilprozess. Aufgrund eines viel späteren Prozessvergleichs, der neun Jahre später endete, leistete einer der Söhne an einen anderen Abkömmling eine Abfindungszahlung von EUR 150.000,-. Er beantragte beim FA, diesen Aufwand bei der zurückliegenden Schenkungsteuerfestsetzung aus dem Jahr 2004 zu berücksichtigen. Die Steuerverwaltung lehnte zunächst den Antrag ab.
Nettoprinzip
Nachdem im Steuerrecht geltenden Nettoprinzip, das der Besteuerung des Erwerbs die Beschränkungen der Erbschaft zugrunde liegt, ist nur der Saldo zwischen dem Wert des Vermögensanfalls und dem Wert der mit dem Erwerb verbundenen Erwerbsschmälerung als Bereicherung des Erwerbers anzusehen.
Nachlassverbindlichkeiten werden also zum Abzug zugelassen, weil sie den Erwerb des Beschenkten oder des Erben und die aus ihm folgende Bereicherung schmälern. Die Durchsetzung des (objektiven) Nettoprinzips verlangt vom Grundsatz her den Abzug aller mit dem Erwerb in Verbindung stehenden hinreichenden Posten. Der Begriff der „Nachlassverbindlichkeiten“, die der Gesetzgeber verwendet, ist für die Erbschafts- und Schenkungssteuer nicht unbedingt als „glücklich“ zu bezeichnen.
BFH-Urteil: Steuermindernde Berücksichtigung
Der Bundesfinanzhof hat jedoch im o.g. Urteil zurecht die Berücksichtigung der Zahlungen an den Bruder als steuermindernd berücksichtigt. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3, S. 1 ErbStG versteht man unter abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten unter anderem die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Umfasst sind grundsätzlich alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben im Besitz des ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen.
Der BFH argumentierte, der mit dem Bruder abgeschlossene Prozessvergleich diente gerade dazu, etwaige Herausgabeansprüche abzuwenden und damit die erhaltene Schenkung für den Kläger endgültig zu sichern. Den Beschenkten treffen die Kosten, welche er dem Bruder zahlt, als „Beschenkten“. Sie stehen nicht im Zusammenhang mit der etwaigen Erbenstellung nach dem Tod seiner Mutter. Deshalb sei auch, so der BFH, die Ausgleichszahlung abzugsfähig, was zutreffend ist. Die Schenkungsteuer ist eine Bereicherungs- Steuer, wobei nur die konkrete Bereicherung abzüglich zu leistender- den Erwerb dadurch schmälernde- Verbindlichkeiten, sei es auch noch später festgesetzte Steuerverbindlichkeiten des Erblassers, zu besteuern ist.
„Weichenden Erbprätendenten-Rechtsstreitigkeiten“
Solche Abfindungszahlungen können auch im Erbrecht tatsächlich vorkommen in sogenannten „weichenden Erbprätendenten-Rechtsstreitigkeiten“ und auch hier kann ein Abzug erfolgen. Es komme in der Praxis durchaus vor, dass ein Erblasser mehrere Testamente errichten und darin auch unterschiedliche Person als Alleinerben nennen. Zur Klärung der Angelegenheit wird schlussendlich auch hier im Wege des Vergleichs, auch im Rahmen eines Rechtsstreits, eine Abfindung gezahlt. Die Abfindung, die der weichende Erbprätendent dafür erhält, dass er die Erbenstellung des nunmehr unangefochtenen Alleinerben nicht mehr bestreiten lässt, ist kein der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb.
Verfahrensrechtliche Aspekte
Verfahrensrechtlich muss allerdings immer auch im Auge behalten werden, ob das jeweilige Schenkungssteuerverfahren und Erbschaftsteuerverfahren bereits abgeschlossen ist. Andererseits hat der BFH nun einen zutreffenden Weg eröffnet, auch nachträgliche Zahlungen im Rahmen des Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht als rückwirkendes Ereignis im Sinne des Verfahrensrechts anzuerkennen. Im Einzelfall sind die entsprechenden Anträge zu stellen.
Fazit:
Jedenfalls ist wegen § § 1, 2 ErbStG ein Gleichlauf von erbschaftsteuerlichen Sachverhalten und schenkungssteuerlichen Sachverhalten im Rahmen eines einheitlichen Gesetzes (ErbStG)und im Rahmen einer bei beiden Themen angezeigten Besteuerung nur desjenigen Substrat, was nach Kosten und Verbindlichkeiten noch übrig bleibt (Nettoprinzip), absolut zu befürworten und steuerlich gerecht.