Sozialversicherung: Ignorieren des Berichts der Lohnsteuer-Außenprüfung kann teuer werden

Aufgrund der prinzipiellen Übereinstimmung von Steuer- und Beitragspflicht von Lohn i.S. von § 19 EStG und Arbeitsentgelt i.S. von §§ 14, 17 SGB IV kann davon ausgegangen werden, dass ein Lohnsteuer-Haftungsbescheid in aller Regel auch in sozialrechtlicher Hinsicht Konsequenzen hat. So hat das BSG schon vor einigen Jahren entschieden (BSG-Urteil vom 18.11.2015, B 12 R 7/14 R; BSG-Urteil vom 18.10.2022, B 12 R 7/20 R). Und das wiederum bedeutet, dass Berichte der Lohnsteuer-Außenprüfung und/oder Lohnsteuer-Haftungsbescheide immer auch beitragsrechtlich auszuwerten sind.

Wer dies unterlässt, sollte beachten, dass die sozialversicherungsrechtliche Verjährungsfrist sage und schreibe 30 Jahre betragen kann und die Nachforderungen später – gerade auch angesichts der Säumniszuschläge – extreme Ausmaße annehmen können. Exemplarisch soll nachfolgend kurz ein Fall vorgestellt werden, über den das LSG Baden-Württemberg kürzlich entschieden hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.5.2023, L 7 BA 2862/20).

Der Sachverhalt in aller Kürze:

Im Oktober 2014 wurde bei der Klägerin eine Sozialversicherungsprüfung durchgeführt. Der Prüfer wies in seinem Prüfungsgericht darauf hin, dass der Bericht über die letzte Lohnsteuer-Außenprüfung durch das zuständige Finanzamt noch nicht vorgelegen habe. Es werde gebeten, die Prüfberichte/Bescheide über diese Prüfungen unmittelbar nach dem Eingang sozialversicherungsrechtlich auszuwerten.

Tatsächlich fand die Lohnsteuer-Außenprüfung für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2013 statt. Das Finanzamt erließ einen Haftungsbescheid, in dem u.a. die private Nutzung von Firmenwagen nachversteuert wurde. Der Haftungsbescheid ist aber erst in 2015 ergangen. Im Oktober 2018 erschien der Prüfer der Sozialversicherung erneut und stellte fest, dass die Klägerin keine beitragsrechtlichen Konsequenzen aus dem Bericht der Lohnsteuer-Außenprüfung gezogen hatte. Daher wurden Sozialabgaben auch für die Jahre 2010 bis 2013 nachgefordert, und zwar zuzüglich erheblicher Säumniszuschläge. Die Klägerin machte vor Gericht geltend, dass die Ansprüche der Jahre 2010 bis 2013 verjährt seien. Doch damit konnte sie nicht durchdringen. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg.

Die Begründung:

Gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Sozialversicherungsbeitrage in vier Jahren oder, sofern sie vorsätzlich vorenthalten wurden, in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Ein solch vorsätzliches Verhalten liegt vor, wenn der Schuldner die Beiträge mit zumindest bedingtem Vorsatz vorenthalten hat, er also seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Dass im Streitfall keine beitragsrechtliche Auswertung des Lohnsteuer-Prüfberichts bzw. des Lohnsteuer-Haftungsbescheides aus dem Jahr 2015 stattfand, lässt auf einen bedingten Vorsatz schließen.

Im weiteren Verlauf der Urteilsbegründung ist das Gericht näher darauf eingegangen, warum es einen „bedingten Vorsatz“ annimmt. Letztlich war es wohl so, dass die Prüfungsfeststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung ausführlich erörtert wurden, so dass sich der Klägerin die sozialversicherungsrechtlichen Folgen aufdrängen mussten. Das Argument, dass die Verantwortung für die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge bei einer Bürokraft oder dem ehemaligen Geschäftsführer gelegen habe, ließ das Gericht nicht gelten. Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation habe sicherzustellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können.

Denkanstoß:

§ 10 Abs. 2 Satz 1 der Beitragsverfahrensverordnung lautet: „Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Bescheide und Prüfberichte der Finanzbehörden vorzulegen.“ Auch hieraus ergibt sich letztlich, dass Arbeitgeber die Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung beitragsrechtlich auswerten müssen. Zumindest können sie nicht darauf hoffen, dass die Prüfer der Sozialversicherung keine Kenntnis von den Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung erlangen. Von daher sind alle Arbeitgeber gut beraten, wenn sie nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung – gegebenenfalls gemeinsam mit ihrem steuerlichen Berater oder einem sozialrechtlich versierten Juristen – schauen, welche beitragsrechtlichen Konsequenzen sich ergeben. Und das ist übrigens Chefsache.

Noch ein Wort zur Besteuerung der Privatnutzung von Firmenwagen, in die es auch im Urteilsfall ging. Seltsamerweise werden Prüfungsfeststellungen zu allerlei Sachverhalten oft hingenommen, selbst wenn hohe Steuer- und Beitragsnachforderungen drohen. Geht es aber um des Deutschen liebstes Kind, sieht die Sache anders aus. Da streitet man sich um die Anwendung der Ein-Prozent-Regelung bis aufs Messer, selbst wenn die finanziellen Auswirkungen zu verkraften wären. Das mag verstehen wer will.

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