Am 13.3.2025 befasst sich der Bundestag in erster Lesung mit dem umstrittenen Finanzpaket von Union und SPD, das eine Änderung des Grundgesetzes (GG) erfordert. Doch es lauern einige Fallstricke, die für den 18.3.2025 geplante Beschlussfassung ist unsicher.
Hintergrund
Die Sicherheitslage in Europa steht auf tönernen Füßen, Deutschlands Verteidigungsfähigkeit muss deshalb verbessert werden. Infrastrukturen bei Straße, Schiene oder Bildung haben einen dringenden Reformbedarf, trotz angespannter Haushaltslage. Deshalb muss ein Finanzierungsweg gefunden werden, der Investitionen trotz Schuldenbremse im Grundgesetz zulässt.
Diese Gemengelage wird zusätzlich durch die künftigen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag verkompliziert: Nach dem amtlichen Ergebnis der Bundestagswahlen vom 23.2.2025 ist eine für eine Grundgesetz-Änderung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag realistisch betrachtet nicht erreichbar. Eine Koalition von Union und SPD käme zusammen auf 328 Sitze, weit entfernt von einer Zwei-Drittelmehrheit (erforderlich 420 Sitze), die nicht einmal bei einer vollständigen Zustimmung der Fraktion der Grünen (dann in Summe 413 Sitze) erreichbar wäre.
Was ist Inhalt der vorgeschlagenen Grundgesetz-Änderungen?
Am 13.3.2025 berät der Bundestag in erster Lesung den von den Fraktionen von CDU/CSU und SPD eingebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115 und 143h)“. Ziel dieses Entwurfs ist es, höhere Verteidigungsausgaben, ein Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro und einen Verschuldungsspielraum für die Haushalte der Länder zu ermöglichen. Die Vorlage soll im Anschluss an die Aussprache gemeinsam mit Gesetzentwürfen von Bündnis 90/Die Grünen und FDP, die ebenfalls Änderungen am GG vorschlagen, in den Haushaltsausschuss zur federführenden Beratung überwiesen werden.
Ziel des Entwurfs von SPD und CDU/CSU ist es, höhere Verteidigungsausgaben, ein Sondervermögen Infrastruktur in Höhe von 500 Mrd. Euro und einen Verschuldungsspielraum für die Haushalte der Länder zu ermöglichen. Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben soll durch Änderungen der Art. 109 und 115 GG erreicht werden. Dort soll laut Entwurf festgeschrieben werden, dass der Betrag der Verteidigungsausgaben, der ein Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts übersteigt, von den bei der Schuldenregel zu berücksichtigenden Einnahmen aus Krediten abzuziehen ist. Der Entwurf sieht schließlich vor, der Ländergesamtheit – analog zum Bund – im Rahmen des Grundsatzes ausgeglichener Haushalte einen „sehr eng begrenzten“ strukturellen Verschuldungsspielraum in Höhe von 0,35 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts einzuräumen.
Mit den abweichend vorgeschlagenen Änderungen im GG will die Fraktion Bündnis90/Die Grünen eine „limitierte Bereichsausnahme für Ausgaben für Gesamtverteidigung und für die Erfüllung sicherheitspolitischer Aufgaben im Rahmen der Schuldenregel“ schaffen. Geplant ist, dass Ausgaben dieser Art, die über dem Betrag von 1,5 Prozent des nominalen Bruttoinlandsproduktes (BIP) liegen, von den im Rahmen der Schuldenregel des Grundgesetzes zu berücksichtigenden Einnahmen aus Krediten abzuziehen sind.
Die FDP schlägt vor, das bestehende Sondervermögen Bundeswehr (Art.87a GG) um weitere 200 Mrd. Euro aufzustocken. Eine Umwidmung von Verteidigungsausgaben im Kernhaushalt soll dadurch verhindert werden, dass das kreditfinanzierte Sondervermögen ausschließlich zusätzliche, über die zur Erfüllung des 2-Prozent-Ziels der Nato hinaus erforderliche Verteidigungsausgaben abdeckt.
Strittige Verfahrensfragen und Anrufung des BVerfG
Dass es in den maximal 30 Tagen zwischen Bundestagswahl und Neukonstituierung Sondersitzungen des Bundestages gibt (Art. 39 Abs. 2 GG), ist zwar kein Novum, aber ungewöhnlich. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es bereits mehrere solcher Fälle, aber nie mit dem Ziel weitreichende Verfassungsänderungen zu beschließen. Zusätzliche Brisanz erhält das Thema, weil die anstehenden weitreichenden Entscheidungen nun ein „abgewählter“ Bundestag treffen soll, weil die Mehrheitsverhältnisse im neuen Bundestag eine solche GG-Änderung praktisch nicht mehr zuließen.
Von den (künftigen) Oppositionsparteien wird bereits bestritten, dass der „alte“, noch amtierende Bundestag überhaupt noch einberufen werden darf. Die Einberufung der Sitzung verlangen die SPD- und die CDU/CSU-Fraktion nach Art. 39 Abs. 3 S. 3 GG iVm § 21 Abs. 2 der BT-Geschäftsordnung. Art.39 Abs. 3 GG regelt: „Der Bundestag bestimmt den Schluss und den Wiederbeginn seiner Sitzungen. Der Präsident des Bundestages kann ihn früher einberufen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn ein Drittel der Mitglieder, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen.“ § 21 Abs. 2 BT-GeschO regelt entsprechend, dass der Bundestagspräsident zur Einberufung des Bundestages verpflichtet ist, wenn ein Drittel der Mitglieder des Bundestages, der Bundespräsident oder der Bundeskanzler es verlangen. Die Fraktionen von Union und SPD verfügen zwar nominell über diese Drittelmehrheit. Hiergegen wird aber argumentiert, dass „Fraktionen“ als solche gar nicht befugt seien, ein Verlangen auf Einberufung des Bundestags nach Art. 39 GG zu stellen. Es müssten stattdessen konkrete, handschriftlich unterzeichnete Verlangen namentlich benannter Abgeordneter vorliegen, um deren Rechte es geht (Art.38 GG).
Auch beim BVerfG sind inzwischen mehrere Verfassungsklagen gegen diese geplanten Sondersitzungen anhängig. Sowohl die AfD-Fraktion als auch Politiker der Linken haben jeweils Organstreitverfahren (Art. 94 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 63 ff. BVerfGG gegen die Bundestagspräsidentin eingeleitet und jeweils mit Anträgen auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 32 BVerfGG) verbunden. Auch einzelne Abgeordnete haben entsprechende Anträge gestellt. Laut BVerfG liegt auch eine Verfassungsbeschwerde (Art. 94 Abs. 1 Nr. 4a GG) in der Sache vor. Es besteht also das Risiko, dass das BVerfG eine Beschlussfassung des „alten“ Bundestages noch in letzter Minute vor dem 18.3.2025 verhindert – für die künftige Bundesregierung wäre das ein herbe Niederlage mit weitreichenden (haushalts-)politischen Folgen.
Wie geht’s weiter?
Nach der ersten Lesung des GG-Änderungspakets im Bundestag am 13.3.2025 soll dieses noch am gleichen Nachmittag im federführenden BT-Haushaltsausschuss mit einer Sachverständigenanhörung beraten werden. Ökonomen haben im Vorfeld bereits das grundsätzliche Vorgehen zur Änderung des GG gutgeheißen, kritisieren jedoch die konkret geplante Umsetzung. Der Zeitplan sieht dann weiter vor, dass über das Gesetzesvorhaben abschließend am 18.3.2025 im Bundestag abgestimmt werden soll, also eine Woche, bevor sich der neue Bundestag spätestens konstituiert haben muss. Auch der Bundesrat müsste anschließend noch mit Zwei-Drittel-Mehrheit der GG-Änderung zustimmen – auch das ist nicht in Stein gemeißelt. Ob es zur GG-Änderung „auf die Schnelle“ tatsächlich kommt? – Wir warten gespannt ab, vor allem das Votum des BVerfG.
Stand: 13.03.2025/9:55
Ein Beitrag von:
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- Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
- Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
- Honorarprofessor an der Universität Würzburg
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Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.
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