Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, dass die Bemessungsgrundlage des „Soli“, soweit er nicht auf gewerbliche Einkünfte entfällt, ohne Berücksichtigung des § 35 EStG zu ermitteln ist; mit dieser Maßgabe hält der BFH den Soli auch im Veranlagungszeitraum 2011 für verfassungsgemäß.
Hintergrund
Seit Jahren lodert ein Streit um die Verfassungsmäßigkeit des Soli: Nach §§ 3 Abs.1, 2, 4 S. 1 SolzG 1995 beträgt der Soli 5,5 Prozent der tariflichen Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Mit dem Soli-Aufkommen sollen die besonderen Finanzierungslasten der deutschen Wiedervereinigung finanziert werden.
Aber ist die Soli-Ergänzungsabgabe wirklich noch gerechtfertigt? Darüber streiten (ich habe mehrfach berichtet) seit Jahren die Finanzgerichte. Das BVerfG (2 BvL 6/14) will in Kürze über die Verfassungsmäßigkeit des Soli entscheiden. Der Gesetzgeber hat Ende 2019 wenigstens eine Teilentlastung durch das Gesetz zur Rückführung des Soli (vom 10.12.2019 BGBl 2019 I S. 2115) beschlossen, die ab VZ 2021 gilt:
- Bis 61.717 Euro Jahreseinkommen Kein Soli mehr:
Um die Teilabschaffung des Soli zu erreichen, hebt der Gesetzesbeschluss die Freigrenze für den Zuschlag von aktuell 972 Euro auf 16.956 Euro an. Bis zu einem versteuernden Einkommen von 61.717 Euro ist dadurch zukünftig kein Soli mehr fällig. Hiervon profitieren nach Regierungsangaben rund 90 Prozent der Steuerzahler.
- Kontinuierlicher Anstieg in der Milderungszone:
Auf die deutlich ausgedehnte Freigrenze folgt die so genannte Milderungszone. Das bedeutet: Um einen Belastungssprung zu vermeiden, wird der Soli hier kontinuierlich bis zum vollen Steuerbetrag erhoben. Die Milderungszone gilt bis zu einer versteuernden Einkommensgrenze von 96.409 Euro. Davon profitieren rund 6,5 Prozent der Steuerzahler.
- Unveränderter Soli für Besserverdiener:
Lediglich die verbleibenden 3,5 Prozent müssen als Topverdiener weiterhin den vollen Satz von 5,5 Prozent der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer zahlen.
Worum ging es im Streitfall?
Im BFH-Urteil aus dem Jahr 2018 (vom 14.11.2018 II R 63/15), das erst jetzt veröffentlicht worden ist, ging es um Folgendes:
Die Kläger erzielten im Jahre 2011 Einkünfte u.a. aus nichtselbständiger Arbeit und in geringem Umfange aus Gewerbebetrieb, für die Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag festgesetzt wurden. Sie begehrten, aus Gründen der Gleichbehandlung den Solidaritätszuschlag für ihre gesamten Einkünfte so zu berechnen, als handele es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In diesem Falle wäre nämlich Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer angerechnet worden und der Solidaritätszuschlag wäre im Ergebnis geringer ausgefallen.
Wie hat der BFH entschieden?
Der BFH hat – wie die Vorinstanz (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 26.6.2014 – 12 K 1045/13) – die Klage abgewiesen:
- Der BFH hat die geringere Belastung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb beim Solidaritätszuschlag mit Blick auf deren typische Gesamtbelastung durch Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer nicht beanstandet. Beim Soli sind Steuerpflivchtige, die Gewerbesteuer zahlen müssen, begünstigt, um der Gesamtbelastung aus ESt, GewSt und SolZ Rechnung zu tragen. Bei einem Gewerbesteuersatz bis 400,9 Prozent ist der Steuerpflichtige begünstigt, über diesem Grenzwert benachteiligt. Diesem Belastungsunterschied trägt § 35 EStG mit der partiellen Anrechnung entsprechend Rechnung. Da der Soli einen prozentualen Aufschlag auf die ESt darstellt, kommt es als Folgewirkung des § 35 EStG auch hier zu Belastungsdifferenzen. Diese Begünstigung von gewerbesteuerpflichtigen Einkünften beim Soli ist aber – so der BFH- verfassungsgemäß, da der Belastungsunterschied von der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gedeckt ist.
- Der BFH misst dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers für die Erhebung der Ergänzungsabgabe sowie seiner Typisierungsbefugnis für deren Ausgestaltung maßgebende Bedeutung zu. Der Soli verstößt in der Gesamtschau von ESt, Soli und GewSt auch insoweit nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, als er zusammen mit der ESt zu einer Überkompensation der GewSt-Belastung führt.
- Der BFH hält auch im Streitjahr 2011 den Soli für verfassungsgemäß. Er knüpft damit an seine früheren Entscheidungen (BFH vom 21.7.2011 II R 50/09, BFH/NV 2011,1685 und II R 52/10, BStBl. II 2012, 43), mit denen der BFH den Soli in den VZ 2005 und 2007 für verfassungsgemäß erklärt hat. Der BFH hält hieran nun auch für VZ 2011 fest.
Bewertung
Der BFH hat seine Sichtweise zur Belastungsbegünstigung von gewerbesteuerpflichtigen Einkünften beim Soli sehr ausführlich und nachvollziehbar begründet, hiergegen ist nichts zu erinnern. Die Soli-Begünstigung bei gewerbesteuerpflichtigen Einkünften färbst also nicht zugunsten der Steuerpflichtigen auf andere Einkünfte ab. Bedauerlich ist allerdings, dass der BFH in seiner Begründung (Rdz. 14) sehr knapp bleibt, warum die Soli-Erhebung dem Grunde nach auch im Jahr 2011 verfassungsgemäß war: „Die dortigen (siehe Urteile vom 21.7.2011 für VZ 2005 und 2007) Erwägungen haben ihre Gütigkeit behalten“ – ob der BFH in Kenntnis der hitzigen Diskussion um die Soli-Gesetzgebung im Jahr 2019 genauso wenig Mühe hierauf verwendet hätte?
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