Sind die Aufwendungen eines Regelinsolvenzverfahrens abziehbar? BFH muss entscheiden

Für das Verbraucherinsolvenzverfahren hat der BFH entschieden, dass die Tätigkeitsvergütung des Insolvenzverwalters oder -treuhänders beim Insolvenzschuldner nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 16.12.2021, VI R 41/18). Er ist damit von seiner früheren Rechtsprechung abgerückt, wonach ein Abzug wenigstens dann zulässig war, wenn der Steuerpflichtige die Ursache seiner Überschuldung und damit die Notwendigkeit eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht selbst gesetzt hatte (BFH-Urteil vom 4.8.2016, VI R 47/13). Diese Ansicht hat der BFH ausdrücklich aufgegeben.

Es ist aber noch die Frage offen, ob die Kosten eines Regelinsolvenzverfahrens abgezogen werden können, und zwar gegebenenfalls sogar als Werbungskosten oder Betriebsausgaben. Das FG Hamburg jedenfalls versagt den Abzug. Es hat aber die Revision zugelassen, die zwischenzeitlich beim BFH vorliegt (FG Hamburg, Urteil vom 19.10.2023, 1 K 97/22, Revision unter Az. IX R 29/23).

Der Sachverhalt:

Über das Vermögen der Klägerin wurde wegen Zahlungsunfähigkeit ein Regelinsolvenzverfahren eröffnet. Im Eigentum der Klägerin stehende Vermietungsobjekte wurden durch die Insolvenzverwalterin verwertet. Aufgrund der Verwertung des Vermögens kam es zu einer vollständigen Befriedigung der Gläubiger. Durch den Verkauf der Immobilien wurden allerdings steuerpflichtige Veräußerungsgewinne erzielt. Die Klägerin beantragte, dass die Gewinne um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu reduzieren seien. Das Finanzamt lehnte dies ab; die Klage vor dem FG blieb erfolglos.

Die Begründung in aller Kürze:

Die Begründung des FG ist recht komplex und es werden auch allgemeine Hinweise mit den Besonderheiten des Falles vermengt, so dass nicht ganz sicher ist, ob das FG zugunsten der Klägerin entschieden hätte, wenn der Sachverhalt anders gelegen hätte.

Zum Streitfall selbst hat das FG insbesondere berücksichtigt, dass das Insolvenzverfahren durch Fremdinsolvenzanträge initiiert worden war und die den Fremdinsolvenzanträgen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten keinen näheren Bezug zu den Vermietungsobjekten aufgewiesen hätten.

Zu den allgemeinen Hinweisen: Nach Ansicht des FG seien die Grundsätze zum Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 304 ff. InsO), wonach die Vergütung eines Insolvenztreuhänders nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung stehe, auf das Regelinsolvenzverfahren zu übertragen. Zwar sei vorliegend weder eine Restschuldbefreiung beantragt noch erteilt worden, sondern eine vollständige Gläubigerbefriedigung durch die Verwertung des Vermögens der Schuldnerin erzielt worden. Gleichwohl fehle es am notwendigen Veranlassungszusammenhang. Die Kosten des Insolvenzverfahrens seien folglich weder Werbungskosten im Zusammenhang mit dem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn noch Werbungskosten bei den laufenden Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Die Kosten seien auch nicht als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen. So sei bereits durch das oben genannte BFH-Urteil entschieden, dass die Überschuldung von Privatpersonen kein gesellschaftliches Randphänomen und damit außergewöhnlich sei. Das Niedersächsische FG habe für Insolvenzen im betrieblichen Bereich entschieden, dass dort eine Insolvenz erst recht kein außergewöhnliches Ereignis darstelle, sondern vielmehr zur Marktwirtschaft systemimmanent als Vorgang der natürlichen Auslese dazu gehöre (Niedersächsisches FG, Urteil vom 22.6.2023, 3 K 105/22).

Denkanstoß:

Mich überzeugt das Urteil des FG nicht, zumal der BFH für die Umsatzsteuer beim Regelinsolvenzverfahren eine Aufteilung in private und betriebliche (unternehmerische) Aufwendungen zulässt und so einen anteiligen Vorsteuerabzug ermöglicht (vgl. BFH-Urteil vom 15.4.2015, V R 44/14, BStBl 2015 II S. 679; s.a. Abschnitt 3.10 Abs. 6 Nr. 15 UStAE). Der Leitsatz des Urteils lautet: Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des – zum Vorsteuerabzug berechtigten – Unternehmens wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmers, ist der Unternehmer aus der Leistung des Insolvenzverwalters grundsätzlich im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

Da der BFH in einem aktuellen Beschluss auf das Urteil verweist, kann davon ausgegangen werden, dass er für die Umsatzsteuer daran festhält (BFH-Beschluss vom 23.11.2023, V R 3/22). Mir würde es nicht einleuchten, wenn für die Ertragsteuer andere Grundsätze gelten sollten. Oder anders ausgedrückt: Ich sehe im Besprechungsfall sehr wohl einen Veranlassungszusammenhang zwischen den Einkünften und dem Aufwand. Es wird also interessant sein, wie der BFH in dem aktuellen Revisionsverfahren entscheiden wird, und vor allem auch, ob er darin nur zum speziellen Sachverhalt („privates Veräußerungsgeschäft“) oder ganz allgemein zum Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug beim Insolvenzverfahren Stellung nimmt.

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