Trägt ein Aufsichtsratsmitglied kein Vergütungsrisiko, weil es eine nicht variable Festvergütung erhält, ist es nicht als Unternehmer tätig. Dies hat der Bundesfinanzhof entgegen seiner bisheriger Rechtsprechung mit Urteil vom 27.11.2019 – V R 23/19 (V R 62/17) entschieden.
Der Streitfall
Der Kläger war leitender Angestellter der S-AG und zugleich Aufsichtsratsmitglied der E-AG, deren Alleingesellschafter die S-AG war. Nach der Satzung der E-AG erhielt jedes Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine jährliche Festvergütung von 20.000 € oder einen zeitanteiligen Anteil hiervon. Der Kläger wandte sich gegen die Annahme, dass er als Mitglied des Aufsichtsrats Unternehmer sei und in dieser Eigenschaft umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringe. Einspruch und Klage zum Finanzgericht hatten keinen Erfolg.
Das Urteil des BFH
Der BFH gab jedoch der Klage statt. Er begründete sein Urteil mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL), die bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sei. Nach der Rechtsprechung des EuGHs übt das Mitglied eines Aufsichtsrats unter bestimmten Voraussetzungen keine selbständige Tätigkeit aus. Entscheidend dafür ist, dass das Aufsichtsratsmitglied für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und dabei auch kein wirtschaftliches Risiko trägt. Dies ergab sich in dem vom EuGH zu entscheidenden Einzelfall daraus, dass das Aufsichtsratsmitglied eine feste Vergütung erhielt, die weder von der Teilnahme an Sitzungen und die auch nicht von den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig war.
Fazit
Mit diesem Urteil gibt der BFH seine bisherige Rechtsprechung auf und schließt sich der Rechtsprechung des EuGHs an, nach der keine Unternehmereigenschaft vorliegt, wenn das Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine Festvergütung erhält. Ausdrücklich offengelassen hat der BFH, ob für den Fall, dass das Aufsichtsratsmitglied eine variable Vergütung erhält, an der Unternehmereigenschaft entsprechend bisheriger Rechtsprechung festzuhalten ist.