Seit Jahren wird über die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlages gestritten, jetzt verhandelt am 12.11.2024 endlich das Bundesverfassungsgerichtüber eine Verfassungsbeschwerde (BVerfG – 2 BvR 1505/20). Das Machtwort aus Karlsruhe dürfte weit über den Tag hinausreichende Bedeutung haben.
Hintergrund
Ich habe im Blog seit Jahren mehrfach zum Thema berichtet: Aufgrund des SolZG 1995 erhebt der Bund seit dem Jahr 1995 ununterbrochen einen Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 SolZG 1995). Mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 vom 10.12.2019 (BGBl. I S. 2115) wurde für das Jahr 2020 der Zuschlag unverändert weitererhoben und ab dem Jahr 2021 die in § 3 SolZG 1995 vorgesehene Freigrenze angehoben, wodurch rund 90 Prozent der Zahler der veranlagten Einkommensteuer und der Lohnsteuer nicht mehr mit dem Solidaritätszuschlag belastet werden sollten.
Bisherige Verfahren gegen den Soli und seine Verfassungsmäßigkeit blieben bislang erfolglos, allerdings hat der BFH zuletzt angemahnt, dass der Gesetzgeber zu überprüfen habe, ob der sog. Soli ab VZ 2025 noch erhoben werden dürfe.
Worum geht’s in den aktuellen BVerfG-Verfahren zum Soli?
In dem Verfahren 2 BvR 1505/20 geht es um Verfassungsbeschwerden von sechs FDP-Bundestagsabgeordneten, die sich mit ihrer Beschwerde unmittelbar gegen das SolzG wenden und rügen eine Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verschiedener Einkommensbezieher durch das SolzG 1995, ferner die Verfassungswidrigkeit des SolZG 2019 seit Auslaufen des Solidarpakts II am 31.12.2019. Die klagenden Abgeordneten klagen also nicht wegen einer Verletzung möglicher Abgeordnetenrechte (Organstreitverfahren), sondern rügen durch Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das SolZG 2019 ohne Ausschöpfung des sonst einzuhaltenden Rechtswegs Grundrechtsverletzungen.
Wie sich aus der Verhandlungsgliederung des BVerfG für den 12.11.2024 ergibt, will sich das BVerfG diesmal gründlich mit dem Soli auseinandersetzen und zu den verfassungsrechtlichen Fragen Stellung beziehen; das ist gut so, weil damit endlich Klarheit geschaffen wird, woran diejenigen 10 Prozent der sog. Besserverdiener, die noch den Soli zahlen müssen, nun sind. Dies ergibt sich vor allem aus dem Gliederungspunkt „IV. Rechtsfolgen“.
Neben Zulässigkeitsfragen wird es vor allem darum gehen, ob der Soli seit 2020 noch die strengen Anforderungen einer sog. Ergänzungsabgabe erfüllt oder verfassungswidrig in Grundrechte der Beschwerdeführer eingreift. Hierbei wird das BVerfG auch die Frage beantworten müssen, ob der ursprüngliche Finanzierungszweck nach dem Solidaritätspakt II (Finanzierung der einigungsbedingten Lasten) noch fortbesteht oder der Gesetzgeber befugt ist, den Finanzierungszweck ohne abermalige Befassung des Parlaments zu ändern.
Welche Konsequenzen könnte eine BVerfG-Entscheidung haben?
Wenn am 12.11.2024 die Sonne untergeht, werden wir hoffentlich vom BVerfG aus Karlsruhe mehr Klarheit haben: Hält das BVerfG das Vorgehen von Bundesregierung und Bundestagsmehrheit für verfassungskonform, wird eine Minderheit von Steuerzahlern den Soli auch künftig zähneknirschend weiterzahlen müssen, bis ein Bundestag mit anderer Bundesregierung zu einer neuen Bewertung kommt und das SolzG abschafft.
Es könnte aber auch sein, dass das BVerfG den Soli „kassiert“: Entweder für die Zukunft verbunden mit einem zeitlich befristeten Änderungsauftrag an den Bundestag; in diese Richtung einer Überprüfung hatte bereits der BFH zuletzt argumentiert. Oder aber das BVerfG kassiert die Soli-Erhebung mit Rückwirkung; das wäre für die Bundesregierung nach dem Nachtragshaushaltsurteil des BVerfG abermals eine kräftige Ohrfeige – auch wenn es zur Rückerstattung (rechtswidrig) gezahlter Soli-Beiträge vermutlich nicht kommen wird.
Weitere Informationen:
Terminankündigung BVerfG