Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz – Ist das BAG zu nachsichtig?

Wer einen anderen Mitarbeiter am Arbeitsplatz sexuell belästigt, sei es verbal oder auch mittels unerwünschter körperlicher Berührungen, riskiert eine außerordentliche, fristlose Kündigung. So die Grundregel. Doch nicht jede Kündigung wegen sexueller Belästigung hält vor Gericht auch Stand. Dies zeigt insbesondere das – äußerst überraschende – Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 22.11.2014 (Az.: 2 AZR 651/13). Im vorliegenden Fall fasste ein Mechaniker einer Reinigungskraft, die für ein Fremdunternehmen arbeitete, im Waschraum des Betriebes an die Brust, mit der Bemerkung „sie habe einen schönen Busen“. Als sie darauf hin erklärte, dass dies unerwünscht sei, ließ er umgehend von ihr ab. Die Reinigungskraft meldete den Vorfall ihrem Arbeitgeber, der sich seinerseits mit dem Arbeitgeber des zudringlichen Mechanikers in Verbindung setzte. Es folgte die außerordentliche, fristlose Kündigung. Der Mechaniker erhob hiergegen fristgerecht Kündigungsschutzklage. Er trug sowohl im zuvor geführten Personalgespräch mit seinem Arbeitgeber als auch in der Klage vor, er habe sich eine Sekunde lang vergessen, es tue ihm leid. In der Folge richtete er zudem ein Entschuldigungsschreiben an die Geschädigte und führte unter Zahlung eines Schmerzensgeldes einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei.

Nach dem Motto „Alles halb so schlimm“ wies das BAG die Revision des Arbeitgebers zurück. Die fristlose Kündigung sei zu vorschnell ausgesprochen worden, man hätte vielmehr erst einmal abmahnen müssen. Der Kläger sei schließlich bereits seit 16 Jahren ohne Beanstandungen beschäftigt, und sei auch noch nie einschlägig abgemahnt worden. Zudem handle es sich um einen einmaligen Vorfall, den der Kläger darüber hinaus bereue.

Das Urteil mutet fast so an, als habe jeder grundsätzlich 1 Freifahrtsschein für 1 sexuelle Belästigung. Wenn man sich davor nichts zu Schulden kommen lässt, und sich danach mustergültig verhält (und dabei ein bisschen reumütig wirkt), dürfte eine fristlose Kündigung im Kündigungsschutzprozess wohl für unwirksam erklärt werden.

Das mag nun überspitzt dargestellt sein, das Urteil des BAG verwundert jedoch sehr. Schließlich hat der Kläger im vorliegenden Fall nicht lediglich ein paar anzügliche Bemerkungen fallen lassen, sondern ist doch tatsächlich „auf Tuchfühlung“ gegangen.

Ein Blick ins Gesetz zeigt, dass immer dann eine sexuelle Belästigung vorliegt, wenn unerwünschte, sexuelle Berührungen oder auch Bemerkungen gegeben sind, die bezwecken bzw. bewirken, dass die Würde des Betroffenen verletzt wird (§ 3 Abs. 4 AGG). Wer eine andere Person sexuell belästigt, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen. In schwerwiegenden Fällen hat der Arbeitgeber sogar die Pflicht, eine fristlose Kündigung auszusprechen und sich so vor den belästigten Arbeitnehmer zu stellen.

M.E. war das BAG hier eindeutig zu nachsichtig. Hinsichtlich sexueller Belästigungen sollte nicht nur im Betrieb, sondern auch vor den Gerichten eine „Null-Toleranz-Politik“ herrschen. Schließlich war laut einer repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (zitiert u.a. bei Zeit-online) jeder zweite der Befragten – zumeist Frauen – bereits einmal Opfer einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz. Natürlich darf nicht jeder lapidar dahin gesagte Spruch, wie etwa „du bist echt heiß“, zu einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen. Allerdings sind (insbesondere, aber nicht ausschließlich) körperliche Übergriffe meiner Ansicht nach streng zu sanktionieren.

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