Der Ukraine-Krieg. Ein Risiko in einigen Bilanzen. Denn durch die Sanktionen Russlands haben sich in der letzten Zeit viele Unternehmen die Frage gestellt: Gehen oder bleiben? Im Herbst letzten Jahres hatten erst 40 Prozent der deutschen Unternehmen Russland verlassen. Ende April meldete der Baustoffhersteller Knauf seinen Rückzug aus Russland, nachdem es kritische Berichte gegeben hatte.
So „einfach“, wie man sich dies vorstellt, ist dies in Wirklichkeit jedoch nicht. Knauf ist sicherlich nicht das einzige Unternehmen, das den „richtigen“ Zeitpunkt verpasst hat, sofern es diesen überhaupt gibt. Denn inzwischen haben sich auch die Berater aus Russland zurückgezogen.
Ein Verlust entsteht in jedem Fall: Ob mit oder ohne Rückzug. Wie sich dies auf die Bilanz auswirkt, schauen wir uns in diesem Beitrag anhand eines Praxisbeispiels genauer an.
Erste Folgen der Sanktionen
Verkauf einer russischen Beteiligung: Dieses Thema hatte ich im letzten Jahr beim Besuch der Hauptversammlung der R Stahl AG, ein börsennotiertes Unternehmen in Baden-Württemberg, das sich auf Explosionsschutz spezialisiert hat. Der Verkauf der russischen Beteiligung ZAVOD wurde damals noch diskutiert.
Mein Fazit zur Hauptversammlung im letzten Jahr?
„Die Zukunftsaussichten erscheinen sehr positiv, dies muss sich aber erst noch in den Zahlen widerspiegeln. Ein Gewinn im letzten Geschäftsjahr wurde nur aufgrund von positiven Einmaleffekten und dem anteiligen Gewinn der russischen Beteiligung erwirtschaftet. Auch wenn es keine Geschäftstätigkeiten mehr mit der russischen Beteiligung gibt, besteht hier ein erhebliches Risiko (Reputation, Wertminderungen).“
Das hatte ich in einem Bericht zur Hauptversammlung notiert. Und im Geschäftsbericht 2023? Wurde die Beteiligung vollständig abgeschrieben. Das war erwartbar, wie ich finde.
Praxisbeispiel eines Explosionsherstellers
Ein Umsatzanstieg von zwanzig Prozent im Vergleich zum Vorjahr und dennoch ist die R Stahl AG nur knapp an einem Verlust vorbeigeschrammt. Der Grund? Sie ahnen es sicherlich: Die russische Beteiligung. Diese führte zu einem negativen Beteiligungsergebnis in Höhe von 10 Mio. €.
Im Anhang werden auf Seite 119 zur vorgenommenen Wertkorrektur die folgenden Informationen offengelegt:
„Die Beteiligung an der ZAVOD Goreltex, St. Petersburg, Russland, wurde zum 31. Dezember 2023 in Höhe von 10.305 T€ vollständig wertberichtigt. Mit dem im Februar 2024 ergangen Gerichtsurteil, welches ein werterhellendes Ereignis im Sinne des IAS 10 zu einem bereits im November 2023 eingeleiteten Voll- streckungsverfahren gegen den Mehrheitsgesellschafter der ZAVOD Goreltex darstellt, werden die Anteile des Mehrheitsgesellschafters in das Eigentum der Russischen Föderation umgewandelt. In diesem Zuge hat sich das Risiko einer möglichen Enteignung der 25 %-Beteiligung von R. STAHL durch die Russische Föderation deutlich erhöht. Aufgrund der bestehenden EU-Sanktionen darf R. STAHL keine Leitungsposition in russischen Staatsunternehmen ausüben, wodurch der maßgebliche Einfluss verloren geht. … Die Beteiligung wird nach den Vorschriften des IFRS 9 als Eigenkapitalinstrument bewertet und als sonstige Beteiligung unter den übrigen Finanzanlagen mit einem Buchwert von 0 € ausgewiesen.“
Die Beteiligung steht zwar nun mit 0 € in den Büchern, dennoch ist die Sache damit nicht erledigt. Denn noch ist die Enteignung nicht erfolgt. Sollten bei der Enteignung noch Kosten auf das Unternehmen zukommen, belasten diese nicht nur den Gewinn, sondern auch die Liquidität. Auch wenn die Beteiligung keinen großen Anteil am Gesamtvermögen des Explosionsherstellers hat: Der Schaden ist auf jeden Fall unerfreulich.
Ein möglicher Imageschaden hat sich zumindest im letzten Jahr nicht in den Umsatzerlösen gezeigt. Dies mag sicherlich auch mit dem Geschäftsmodell zusammenhängen. Ein Modehändler wäre vermutlich von den Kunden mit geringen Verkäufen abgestraft worden. Auch wenn dieser auch nur einen begrenzten Einfluss darauf hat, in welchem Land die Kleidungsstücke am Ende getragen werden.
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