Wie bei Manipulationen üblich, werden bei der Abschlussprüfung Unterlagen nur verzögert oder gar nicht zur Verfügung gestellt. Das Problem ist häufig auch, dass die angeforderten Unterlagen gar nicht existieren. Auch KPMG kämpfte mehrfach damit, an entsprechende Dokumente zu kommen, um eine Aussage über die zu klärenden Fragen treffen zu können.
Doch wie KPMG im Bericht zur Sonderuntersuchung von Ende April 2020 berichtete, wurden angeforderte Dokumente teilweise gar nicht oder erst mit mehrmonatiger Verzögerung geliefert. Aus diesem Grund hatte sich die Untersuchung hingezogen. Denn ursprünglich sollten die Ergebnisse im ersten Quartal 2020 vorliegen.
Wirecard verweigert Kooperation
Ebenso beklagte sich KPMG nicht nur über mehrfache Verschiebungen von Interview-Terminen mit Wirecard-Ansprechpartnern, sondern auch die fehlende Unterstützung der Drittpartner über Transaktionsdaten von 2016 und 2017. Darüber hinaus war die Überprüfung der Authentizität der vorgelegten Dokumente nicht möglich, da es sich nahezu ausschließlich um elektronische Kopien handelte. Einzelne Untersuchungshandlungen konnten ferner nicht so wie ursprünglich vorgesehen durchgeführt werden, da es keinen Zugriff zu den Dokumenten bzw. IT-Systemen gab.
Was auch hier wieder deutlich wird: Eine gute Corporate Governance sollte bei der Aufnahme in den DAX auch mit einfließen. Denn den Prüfern von EY ist keinesfalls entgangen, dass das Interne Kontrollsystem mangelhaft ist. Allerdings unterliegen Prüfer einer Schweigepflicht. Wie viele Regeln und Gesetze sich ändern müssen, um ein zweites Wirecard zu verhindern, zeigt sich auch hier sehr klar.
Wirecard – (k)ein gewöhnlicher DAX-Konzern?
Die Presseberichte der Financial Times wurden von KPMG im Detail analysiert und für die Sonderuntersuchung herangezogen. Wie sich zeigt, konnte KPMG diese anhand der (nicht) vorgelegten Dokumente diese nicht entkräften. Wie die Pressemitteilung von Wirecard kurz nach der Veröffentlichung des KPMG-Berichtes jedoch zeigt, war Wirecard ganz anderer Meinung: Der ehemalige DAX-Konzern sah sich durch den KPMG-Bericht eindeutig entlastet. Eine Interpretation, die mich damals mit sehr vielen Fragezeichen zurückließ.
Eine weitere Informationsgrundlage sind natürlich auch Protokolle von Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen. Doch bei Wirecard war hier keine Spur vom Niveau eines DAX-Konzerns. So verzichtete der Vorstand auf Protokolle seiner Sitzungen. Lediglich die Beschlüsse wurden schriftlich festgehalten. Zumindest bei den angeforderten Unterlagen zu den Tagesordnungspunkten der Aufsichtsratssitzungen scheint Wirecard KPMG die entsprechenden Dokumente wie gewünscht vorgelegt zu haben. Doch wie wir mittlerweile wissen: Der Aufsichtsrat hatte an den steigenden Gewinnen von Wirecard kräftig mitverdient und die Kritik von Tina Kleingarn war nicht gewünscht. Sie war weniger als zwei Jahre Aufsichtsrätin bei dem Zahlungsdienstleister und berichtete vor wenigen Wochen im Untersuchungsausschuss über ihre Tätigkeit.
Internes Hinweisgebersystem bei Wirecard
Während der Untersuchung erhielt KPMG Unterlagen und Hinweise von anonymen externen Dritten. Diese wurden bei der Untersuchung berücksichtigt, sofern dies geboten erschien. Um welche Art von Unterlagen es sich dabei handelte, geht aus dem Bericht allerdings nicht hervor.
Offenbar verfügte Wirecard auch über ein internes Hinweisgebersystem. KPMG sollte über eingehende Hinweise während der Sonderuntersuchung informiert werden. Allerdings sind keinerlei Hinweise eingegangen, wie Wirecard KMPG am Ende der Untersuchung bestätigte. Wie wir mittlerweile wissen, kamen interne und externe Kontrollen bei Wirecard gar nicht gut an. Sicherlich wurde nicht jeder wie Dan McCrum und seine Kollegen von 28 Privatdetektiven beschattet. Doch viele wollten vermutlich auch an die Geschichte glauben. Doch am Ende war zu schön, um wahr zu sein.
Wie KPMG versucht hat, das Drittpartnergeschäft von Wirecard zu durchleuchten und den Umsätzen auf den Grund zu gehen, lesen Sie Anfang Februar.