Serie Bilanzskandale: Umsatz lieber heute als morgen

Doch übermorgen ist er (leider) wieder weg

Die Regeln zur Erfassung von Umsatzerlösen – sie störten einen Bilanzfälscher. Nennen wir ihn Egon. Egon wollte seine Umsatzerlöse des laufenden Geschäftsjahres etwas aufhübschen. Sie waren ihm schlicht und ergreifend zu niedrig. Dabei ließ Egon seiner Kreativität freien Lauf.

Umsätze herbeizaubern – so lief es

Egons Unternehmen stellte seinen Kunden auf Anfrage Vorführprodukte zur Erprobung zur Verfügung. Sofern ein Kunde ein Vorführprodukte anforderte, wurde dieses entsprechend an den zuständigen Außendienstmitarbeiter geliefert. Zu diesem Zeitpunkt wurde dem Außendienstmitarbeiter eine Rechnung über das gelieferte Produkt erstellt und entsprechend die Umsatzerlöse ausgewiesen. Wie sich jedoch zeigte, kauften weniger als die Hälfte der Kunden das Produkt am Ende tatsächlich. Dann wurden entsprechend Korrekturbuchungen vorgenommen.

Auch auf entsprechende Wertkorrekturen der Vorratsbestände verzichtete Bilanzfälscher Egon. Sie hätten seinen Gewinn geschmälert, das war für ihn störend. So wurden die Vorführprodukte bei der Rücklieferung vom Kunden an Egons Unternehmen wieder in voller Höhe in den Vorratsbestand zurückgebucht.

Da es ihm zu aufwendig war, verzichtete Egon auch gänzlich auf eine schriftliche Dokumentation. Es gab weder Übergabeprotokolle noch Nachweise über den Bestand von beim Kunden befindlichen Vorführprodukten.

Verstoß gegen die Rechnungslegungsvorschriften

In diesem Fall hat Bilanzfälscher Egon gegen das Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB verstoßen. Demnach dürfen Gewinne – in unserem Fall die Umsatzerlöse – erst dann ausgewiesen werden, wenn sie realisiert wurden. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben: Die Lieferung der Vorführprodukte stellte keine Gewinnrealisierung dar. Denn schließlich konnten die Kunden das Produkt testen, um sich dann eventuell für einen Kauf zu entscheiden.

Die Umsatzerlöse dürften erst dann ausgewiesen werden, wenn der Kunde das Produkt tatsächlich kauft. Allein die Lieferung wie in diesem Fall ist nicht ausreichend. Auch das Risiko der Wertminderung liegt bei Egons Unternehmen und nicht beim Kunden. Folglich hätte bei der Aufstellung des Jahresabschlusses auch geprüft werden müssen, ob eventuell eine außerplanmäßige Abschreibung durchgeführt werden muss.

Denn die Vorführprodukte werden dem Umlaufvermögen zugeordnet und unterliegen dem strengen Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 4 HGB). Anders als beim Anlagevermögen muss beim Umlaufvermögen immer eine außerplanmäßige Abschreibung erfolgen, wenn der aktuelle Zeitwert den Buchwert unterschreitet. Wenn ein Vorführprodukt bereits von einem Kunden getestet, aber dennoch zurückgeschickt wird, dies von einer Wertminderung auszugehen. Diese kann teilweise sogar erheblich sein.

Korrekturen im Jahresabschluss

Auch wenn dieser Sachverhalt Egon nicht in Liquiditätsengpässe bringt, wurden seine Manipulationen dennoch aufgedeckt. Denn dieses Beispiel ist nur eines von vielen, wie er seinen Gewinn mit illegalen Mitteln aufgepumpt hat. Durch sein Spielchen mit den Vorführprodukten mussten die folgenden Korrekturen im Jahresabschluss vorgenommen werden:

Im ersten Schritt müssen die nicht erzielten Umsatzerlöse korrigiert werden. Dies führt entsprechend zu einem geringeren Gewinn in dem betroffenen Geschäftsjahr. Anschließend werden die Vorführprodukte wieder in den Vorratsbestand eingebucht – vorerst mit dem gleichen Betrag.

Anschließend muss im zweiten Schritt die Bewertung der zurück gebuchten Vorräte bewertet werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass hier eine Wertminderung vorliegt. In der Höhe der Wertminderung müssen die Vorräte entsprechend korrigiert werden. Effekt für Egons Jahresabschluss? Weitere Aufwendungen, die den Gewinn schmälern.

Und der Cashflow? Den stören diese vielen Buchungen nicht – sofern wir an dieser Stelle die Umsatzsteuer außer Betracht lassen. Denn diese müsste auch entsprechend korrigiert werden. Auffällig wird es erst dann, wenn die Umsätze im folgenden Geschäftsjahr wieder rückgängig gemacht werden. Denn dann entfällt die Buchung des Geldeingangs, der dem Cashflow zugutekommen würde.

Fazit:

Das Vorziehen der Umsatzerlöse funktioniert nur vorübergehend. Im Fall von Egon sollte dies durch die Ausbuchung der Umsatzerlöse im folgenden Geschäftsjahr auffallen. Bei einem wachsamen Prüferauge.

Es gibt noch andere Praxisbeispiele, wie in der Vergangenheit Umsatzerlöse aufgepumpt wurden. Mehr dazu gibt es Anfang Juli.

Lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag:
Bilanzfälschung im HGB-Jahresabschluss anhand von Praxisbeispielen, StuB 2019 S. 297 ff.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 3 = 1