Rückstellungen haben den unerfreulichen Effekt, den Jahresüberschuss zu verringern. Warum der Bilanzposten bei Fälschern so beliebt ist? Es ergeben sich – zumindest vorerst – keine Auswirkungen auf die Liquidität, denn bei fingierten Umsatzerlösen stellt sich bei der Erstellung des Jahresabschlusses und der Abschlussprüfung schnell mal die Frage nach der Werthaltigkeit der Forderungen. Der Trick mit den Treuhandkonten ist seit Wirecard nun auch verbrannt. Dort wurden Forderungen zu Guthaben auf Treuhandkonten.
Zurück zu den Rückstellungen: Beim Fälschen von Bilanzen wird die Bildung von Rückstellungen unterlassen bzw. mit einem deutlich zu geringen Betrag erfasst. Dabei ist nicht die Ausnutzung von Bewertungsspielräumen gemeint, denn das ist legal. Es werden bewusst Rückstellungen nicht gebildet, um den Jahresüberschuss nicht zu belasten.
Vorgehensweise der Täter
Was haben die Täter gemacht? Dazu ein Beispiel aus einem Praxisfall: Aus einem Vertrag mit einem Handelsvertreter gab es eine klare Festlegung eines Vertrages hinsichtlich eines Ausgleichsanspruchs mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen. Mit der Beendigung der Tätigkeit des Handelsvertreters für das Unternehmen im Jahr 01 wurde auch schriftlich erneut festgehalten, wie hoch der Ausgleichsanspruch sein sollte.
Die Zahlungen sollten zu einem Teil noch im Dezember des Jahres 01 und die Restzahlung bis Ende März des Jahres 02 erfolgen. Zum Bilanzstichtag war die Höhe der zweiten Zahlung noch nicht ganz klar, da diese anteilig an den Umsätzen des Handelsvertreters im Jahr 01 ermittelt werden sollten.
Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses für das Jahr 01 wurde die noch ausstehende Zahlung für das Jahr 02 weder eine Verbindlichkeit noch eine Rückstellung passiviert. Buchungen wurden lediglich für die erste Teilzahlung im Jahr 01 vorgenommen.
In diesem Fall sind die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung nach IAS 37.14 jedoch alle erfüllt:
- Aus einem Ereignis der Vergangenheit ist eine gegenwärtige (rechtliche oder faktische) Verpflichtung des Unternehmens entstanden.
- Der Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen zur Erfüllung der Verpflichtung ist wahrscheinlich.
- Eine verlässliche Schätzung der Höhe der Verpflichtung ist möglich.
Auswirkungen auf den Jahresabschluss
Durch die Unterlassung der Verbuchung der noch ausstehenden Zahlung als Rückstellung im Jahr 01 wurde gegen die geltenden Bilanzierungsvorschriften verstoßen. Die Folge? Der Jahresüberschuss im Jahr 01 ist damit zu hoch ausgewiesen worden.
Und was bedeutet die Korrektur? Die Rückstellungsbildung muss im Jahr 01 noch erfolgen:
sonstige betriebliche Aufwendungen
an Rückstellungen
(Anm.d.Redaktion: nachträglich korrigiert)
Die Liquidität des Unternehmens wird erst dann belastet, wenn die Zahlung an den ehemaligen Handelsvertreter auch tatsächlich erfolgt. Dann müsste wie folgt gebucht werden:
Rückstellungen
an Bank
Ein Fazit
Vielleicht fragen Sie sich: Und das ist „schon“ Bilanzfälschung? Was ist, wenn mir so etwas „aus Versehen“ passiert? Dazu lässt sich folgendes sagen: Wenn in einem Unternehmen Bilanzen manipuliert werden, passiert dies durch viele verschiedene Sachverhalte. Diese werden entweder – wie in diesem Beispiel – nicht gebucht, obwohl sie tatsächlich passiert sind. Darüber hinaus gibt es auch Buchungen, denen kein tatsächlicher Geschäftsvorfall gegenübersteht wie beispielsweise fiktive Umsatzerlöse. Zudem ist davon auszugehen, dass bei einer ordnungsgemäßen Buchführung über alle wichtigen Ereignisse im Unternehmen Belege vorliegen. Darüber hinaus gibt es entsprechende Prozesse, wie diese intern im Unternehmen an die Buchhaltung gelangen.
Doch in diesem Fall handelt es sich doch „nur“ um eine Verschiebung des Aufwandes um ein Jahr, oder nicht? So darf man das jedoch nicht sehen, denn schließlich müssen die geltenden Bilanzierungsvorschriften eingehalten werden, um beispielsweise die Möglichkeit der Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse zu haben. Zudem ist davon auszugehen, dass in einem solchen Fall auch an anderer Stelle entsprechende Rückstellungen nicht gebucht wurden mit weitaus größeren Konsequenzen.
Im Abschnitt „Auswirkungen auf den Jahresabschluss“ ist die erste Buchung im Jahr 01
„Rückstellungen an sonstige betriebliche Aufwendungen“
SEITENVERKEHRT! Denn damit wird der Gewinn nochmals erhöht!
Die Buchung „Rückstellungen an Bank“ im Jahr 02 ist korrekt.
(Ansonsten hätten wir ZWEI Sollbuchungen bei Rückstellungen und NIEMALS einen Ausgleich!
Sehr geehrter Herr Risch,
vielen Dank für Ihren Hinweis. Nach Rücksprache mit der Bloggerin haben wir dies korrigiert.
Viele Grüße von der NWB Experten-Blog Redaktion
Der erste Buchungssatz sollte …
sonstige betriebliche Aufwendungen an Rückstellungen
… lauten; oben im Text liegt eine Art 129, 173a AO analog vor, weil seitenverkehrt ;-)
Sehr geehrter Herr Gerstl,
vielen Dank für Ihren Hinweis. Nach Rücksprache mit der Bloggerin haben wir dies im Beitrag korrigiert.
Viele Grüße von der NWB Experten-Blog Redaktion