20 Minuten und 20 Sekunden. So lange dauerte die Hauptversammlung der Adler Group letzte Woche. Und dass, obwohl sich die Ad-hoc-Meldungen seit Fristende der Einreichung von Fragen abgelaufen war: Einleitung eines Squeeze-out, Einleitung einer Prüfung durch die Bafin – um einige wichtige zu nennen. Vorgestellt wurden die Zahlen des nicht testierten Abschlusses. Das KPMG das Testat verweigert hat, wurde aus meiner Sicht als „Nebensache“ dargestellt. Für 2022 wird schließlich ein uneingeschränktes Testat angestrebt, wie der Verwaltungsratsvorsitzende Kirsten in den letzten Wochen mehrfach betont hat.
Kein Interesse an Austausch mit Aktionären auf der Hauptversammlung
Das Beispiel der Adler Group zeigt leider auch sehr gut, wie die Aktionärsrechte eingeschränkt werden können. Um als Anleger abstimmen zu können, mussten die Aktien „nach Mailand übertragen werden“, so die Antwort meiner Depotbank, als ich nachgehakt habe. Was das genau damit auf sich hat, konnte die Dame am Telefon mir nicht erklären. Die Teilnahme an dem Webcast war zwar möglich, doch konnte ich so weder abstimmen noch Fragen einreichen. Da könnte man zwar sagen: Ich kenne mich mit Hauptversammlungen nach luxemburgischen Rech nicht aus – sprich, es mangelt an Wissen. Doch muss dazu gesagt werden, dass selbst Anlegerschutzvereinigungen die gleichen Hürden hatten.
Die Konsequenz? Es wurden nur wenige Fragen eingereicht, deren Antworten kurz und knapp auf der Website des Unternehmens veröffentlicht wurden. Und die Hauptversammlung selbst? Kurze Reden mit vielen Phrasen, wenig konkrete Aussagen zu den aktuellen Problemen (Sonderuntersuchung mit Differenzen bei der Immobilienbewertung) und laufende Prüfung der Bafin – um nur einige Beispiele zu nennen – wurden kaum thematisiert. Eine Aussage ist jedoch hängen geblieben: Für 2022 wird ein uneingeschränktes Testat angestrebt. Wer dieses erteilen soll? Da ist Adler noch auf der Suche nach einem Prüfer. Ich bin gespannt.
Das eine Hauptversammlung in Luxemburg so kurz ist, ist nicht unüblich. Aus deutscher Sicht mit einer umfangreichen Fragerunde auf den Hauptversammlungen und der Aktionärsvertreter ist dies keine erfreuliche Tatsache. Durch die virtuelle Hauptversammlung kommt dem ganzen noch einmal eine ganz andere Dimension zu. Adler hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Sprecher mit einem Video zu zeigen. Ein Foto und die Stimme mussten genügen. Allein dies drückt schon einiges aus, finde ich.
Immobilienpoker
Wie es auf den Baustellen der Adler Group derzeit aussieht und dass Handwerkerrechnungen in Höhe von mehr als 70 Mio. € bisher nicht beglichen wurden – das alles kann mich (leider) nicht mehr schockieren. An dieser Stelle möchte ich die Doku „Immobilienpoker“ empfehlen, die letzte Woche im ARD gezeigt wurde. Dort wird mehr über unbebaute Grundstücke in deutschen Großstädten und dem Umgang mit Handwerkern berichtet. Ich durfte das Filmteam in den letzten Monaten fachlich beraten.
Ich bin gespannt, was die Untersuchung der Bafin ergeben wird. Vielleicht bringt sie etwas Klarheit bei der Frage der Bewertung der Immobilien. Denn zwischen dem nicht testieren Geschäftsbericht und dem KPMG-Gutachten gibt es doch erhebliche Bewertungsunterschiede.
Weitere Informationen:
- NWB Experten-Blog: Weiterhin Unruhe bei der Adler Group – Bilanzkosmetik durch Wertsteigerung der Immobilien sorgt nicht mehr für einen Gewinn
- ARD-Mediathek: Immobilienpoker – Die dubiosen Geschäfte eines Wohnungskonzerns