Das Eigenkapital: Für alle Unternehmen wichtig, auch wenn diese nicht gewinnmaximierend arbeiten. Denn nur durch die Erzielung von Gewinnen oder zumindest des Erreichens der Kostendeckung wächst das Eigenkapital bzw. bleibt konstant. Je höher die Eigenkapitalquote, desto eher kann ein Unternehmen auch einen Orkan in Form einer mehrjährigen Finanzkrise überstehen. So weit so gut. Doch was ist, wenn das Eigenkapital schrumpft? Dann hilft nur noch Bilanzkosmetik. Zumindest vorübergehend.
Das Eigenkapital kann ohne Zufluss durch neues Kapital dadurch erhöht werden, indem Fremdkapital in Eigenkapital umgewandelt wird. Unrealistisch? Nun, Air Berlin hält sich damit schon seit 2014 über Wasser. Die Golf-Airline Etihad ist seither an Air Berlin beteiligt mit einer sog. Wandelanleihe. Eine Wandelanleihe wird im Normalfall in Aktien umgewandelt. Aufgrund der Besonderheiten des EU-Verkehrsrechtes jedoch ist bei Etihad diese Umwandlung gar nicht möglich. Denn laut Gesetz dürfen nicht-europäische Investoren maximal 50 % der Anteile besitzen. Sofern dies nicht der Fall ist, verliert das Unternehmen EU-Verkehrsrechte.
Wie die Meldungen der letzten Wochen jedoch zeigen, können dadurch die Probleme von Air Berlin nicht gelöst werden. Das Eigenkapital ist trotz der Unterstützung von Etihad schon einige Zeit negativ. Das Unternehmen produziert Verluste am laufenden Band: In jeder Minute wird ein sechsstelliger Betrag sprichwörtlich verbrannt. Zur Erinnerung: Vor der Finanzkrise war eine bilanzielle Überschuldung ein Grund, warum ein Unternehmen Insolvenz anmelden musste. Mittlerweile wurden die Regeln gelockert: Insolvenz muss nur angemeldet werden, wenn keine positive Fortführungsprognose erteilt werden kann. Es ist bedauerlich, Air Berlin in den letzten Jahren zu beobachten. Mittlerweile steht dem Unternehmen das Wasser nicht mehr nur bis zum Hals, sondern bis zum Haaransatz. Offenbar war in der Luftmatratze ein Loch – denn selbst das massive Aufpumpen von Etihad hat nicht geholfen.
Auch Volkswagen hat in die Trickkiste gegriffen und das Eigenkapital im Jahr 2012 aufgepumpt. Dies gelang durch die Übernahme von Porsche: Der Wert der Option der weiteren Übernahme der restlichen Anteile wurde regelmäßig an den jeweiligen Zeitwert angepasst. Diese Aufwertung erhöhte das Ergebnis von Volkswagen, denn zum damaligen Zeitpunkt wurden die Anteile von Porsche aufgrund sehr positiver Aussichten des Unternehmens höher bewertet. Ein weiterer positiver Nebeneffekt für Volkswagen: Dadurch stieg nicht nur das Eigenkapital. Diese Werterhöhung konnte Volkswagen dank den IFRS als Finanzertrag verbuchen. Nicht entscheidend? Es ging insgesamt um einen Ertrag in Höhe von ca. 19 Milliarden Euro. Ja, sie haben richtig gelesen: Milliarden, nicht Millionen. Ich habe zwei Mal nachgeschaut, es ist korrekt. Dadurch erzielte Volkswagen im Jahr 2012 mit 22. Milliarden Euro Gewinn ein Rekordergebnis – aufgepumpt durch ungefähr 10 Milliarden Euro Finanzerträge.
Nicht nur das Schminken des Gesichtes, sondern auch die Anwendung von Bilanzkosmetik können Unternehmen langfristig besser darstellen. Denn wie auch diese beiden Beispiele wieder zeigen: Das Eigenkapital und der Gewinn können mit Hilfe von „Bilanzkosmetik“ wie eine Luftmatratze aufgepumpt werden. Der Cashflow hingegen lässt sich nicht aufblasen: Er ist wie eine harte Matratze.
Lesen Sie Anfang August im letzten Teil der Serie „Bilanzkosmetik“, wie Unternehmen durch Verschweigen von Sondereffekten ihre Zahlen optimieren können.
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