Beim Erfinden von vorteilhaften Kennzahlen greifen diverse börsennotierte Konzerne in die Zauberkiste. Sie zaubern selbst erfundene Kennzahlen herbei. War das Ziel der IFRS-Rechnungslegung nicht die Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen? Doch, eigentlich schon. Aber das ist der Wunsch des IASB, nicht unbedingt der nach IFRS-bilanzierenden Unternehmen.
Die meisten der 30 DAX-Unternehmen berechnen in ihrem veröffentlichten Jahresabschluss oftmals Ertragskennzahlen, die auf den ersten Blick sehr aussagekräftig sein sollen. Da die Unternehmen die Definition der Kennzahlen selbst festlegen, besteht ein erheblicher Gestaltungsspielraum. Denn die Investoren sollen doch schließlich von den tollen Erfolgskennzahlen des Unternehmens beeindruckt sein. Das wirkt sich dann auch hoffentlich positiv auf den Aktienkurs des Unternehmens aus.
In der Zauberkiste findet sich bei Henkel sowie Beiersdorf an erster Stelle das sog. „bereinigte operatives Ergebnis“. Siemens spricht vom „Ergebnis der Segmente“ aus und Eon weist einen „nachhaltigen Konzernüberschuss“ aus. Wo bitte haben wir hier die Möglichkeit als Investor diese Ergebnisse miteinander zu vergleichen? Wir sollten wohl am besten die Kennzahlen selbst ausrechnen, sofern dies anhand der Angaben im Jahresabschluss denn möglich ist. Wie bitte wird „nachhaltig“ definiert? Sind das regelmäßige wiederkehrende Gewinne? Um welche Posten wurde das bereinigte Ergebnis denn „bereinigt“? Etwa um Sondermüll, den wir nur ungerne ausweisen möchten?
Die Karriereleiter steil aufgestiegen ist die Kennziffer des Ebitda – der Gewinn vor Steuern, Zinsen sowie Abschreibungen. Diese Kennzahl gibt es in der Industrie noch nicht so lange. Aber offenbar haben die Berichtersteller sie kennen und vor allem lieben gelernt. Denn sie bietet die Möglichkeit, alles „Unschöne“ vom Gewinn abzuziehen. Selbstverständlich sind damit nur Aufwendungen gemeint. Denn nur dadurch erhöht sich der Gewinn. Erträge, die aus Sondereinflüssen basieren, sollen nicht herausgerechnet werden. Sie lassen das Bild doch schöner erscheinen. An dieser Stelle wird tief in die Schminktasche gegriffen, um kosmetisch nachzuhelfen. Wieso bitte werden denn Abschreibungen vom Gewinn abgezogen? Sie gehören doch schließlich zur unternehmerischen Tätigkeit eines Industrieunternehmens dazu. Bei einer Bereinigung des dargestellten Gewinns um Abschreibungen bei einem anlagenintensiven Unternehmen führt dies zu einer besonders großen Verfälschung des Ergebnisses. Experten machen sich über derartige Bereinigungen des Gewinns lustig – sie bezeichnen den Ebitda als sog. „Earnings before everything“.
Wie die Erläuterungen zeigen sind der Kreativität der Finanzchefs keine Grenzen gesetzt. Sie können beliebig Aufwendungen aus dem bereinigten Gewinn herausrechnen. Welche Aufwendungen zu Sondereinflüssen gehören, kann so selbst festgelegt werden. Bei Bayer sind in den letzten zwölf Jahren immer Sondereinflüsse ausgewiesen worden – immerhin in Höhe von mehr als 400 Mio. EUR. Ein tatsächlicher Sonderfall wäre hier also ein Jahr ohne Sondereinflüsse.
Bei der Betrachtung der Kreativität der Unternehmen bei der Berechnung selbst definierter Kennzahlen hat man folgenden Eindruck: Glaube keiner Kennzahl, die du nicht selbst geschönt hast.
Sieht das IASB einfach so tatenlos zu, wie Unternehmen durch ihre Kreativität bei der Berechnung von Kennzahlen das Ziel der Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse verhindern? Mehr dazu erfahren Sie Anfang Mai.