Senkung der Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen nach dem Koalitionsvertrag

Die künftige Bundesregierung will die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen senken – so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart. Aber die Steuersenkung wackelt bereits, bevor die neue Regierung ihre Arbeit aufgenommen hat.

Was im Koalitionsvertrag zur Einkommensteuer vereinbart ist

Im Koalitionsvertrag 2025 ist zwischen Union und SPD vereinbart (Seite 45, Zeile 1442 bis 1448):

„Wir werden die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken. Wir werden die Schere zwischen der Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge und dem Kindergeld schrittweise verringern. Durch eine gesetzliche Regelung stellen wir sicher, dass bei einer Erhöhung des Kinderfreibetrags auch eine adäquate Anhebung des Kindergelds erfolgt. Wir werden die finanzielle Situation von Alleinerziehenden durch Anhebung oder Weiterentwicklung des Alleinerziehenden-Entlastungsbetrags verbessern. Der Solidaritätszuschlag bleibt unverändert bestehen.“

Weiter für Einkommensbezieher relevante Steuerregelungen sind:

  • Steuerliche Begünstigung von Prämien zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeit auf dauerhaft an Tarifverträgen orientierte Vollzeit.
  • Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen.
  • Erhöhung der Bruttopreisgrenze bei der steuerlichen Förderung von E-Fahrzeugen auf 100.000 € mit Einführung einer Sonderabschreibung für E-Fahrzeuge und einer Kfz-Steuerbefreiung für Elektroautos bis zum Jahr 2035.

 

CDU und SPD relativieren Entlastungszusagen

Für Verunsicherung hat in den letzten Tagen die Einschränkung des designierten CDU-Bundeskanzlers geführt, dass etwaige Einkommensentlastungen „unter Finanzierungsvorbehalt“ stünden, nur wenn es Spielräume im Bundesetat gebe, könnten die Einkommensteuerzahler entlastet werden. Eine niedrigere Einkommensteuer würde dem Staat Ausfälle in zweistelliger Millionenhöhe bescheren, außerdem müssten die Länder zustimmen, denen ein Anteil am Steueraufkommen zusteht. Aus Kreisen der SPD (Esken) wird noch hinzugefügt, dass man „bei den hohen Einkommen mehr holen müsse“, wenn eine Einkommensteuerreform aufkommensneutral sein solle.

Einordnung und Bewertung

Der interne Streit der mutmaßlichen Koalitionspartner zu einem Zeitpunkt, zu dem nicht mal der neue Kanzler gewählt und die Regierung ihre Arbeit aufgenommen hat, befremdet. Dass wirksame Entlastungen kleiner und mittlerer Einkommen sehr teuer sind, war den Koalitionspartner sicher nicht verborgen geblieben, bevor sie ihr Versprechen im Koalitionsvertrag abgegeben haben, auch wenn dieses den Bundestag als Gesetzgebungsinstanz rechtlich nicht bindet.

Nach den Verbesserungen im Einkommensteuertarif für VZ 2024 hat der Gesetzgeber nach dem Bruch der Koalition im November 2024 „in letzte Minute“ mit dem Steuerfortentwicklungsgesetz – StFeG (v. 23.12.2024, BGBl 2024 I Nr. 449) noch weitere Entlastungen der Einkommensbezieher auf den Weg gebracht, obwohl diese verfassungsrechtlich im beschlossenen Umfang nicht geboten gewesen wären:

  • Anhebung des in den Einkommensteuertarif integrierten Grundfreibetrags um 312 € auf 12.096 € im Jahr 2025 und ab 2026 auf 12.348 €
  • Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrags für den VZ 2025 um 60 € auf 6.672 € und ab dem VZ 2026 um 156 € auf 6.828 €
  • Anhebung des Kindergeldes ab 1.1.2025 um fünf € auf 255 €/Monat
  • Anpassung der übrigen Eckwerte des Einkommensteuertarifs für die VZ 2025 und ab 2026 (mit Ausnahme des Eckwerts der sog. „Reichensteuer“)
  • Anhebung der Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag für die VZ 2025 und ab 2026

 

Wenn die künftigen Koalitionäre jetzt also weitere Entlastungen der kleinen und mittleren Einkommen „zur Mitte der Legislatur“, also voraussichtlich in 2027, ankündigen, ist das angesichts der bereits erfolgten Entlastungen schlüssig. Unnötig und überflüssig ist aber der schon jetzt im Frühjahr 2025 geführte „Finanzierbarkeitsstreit“ zwischen Union und SPD.

In einem „Sonderbericht über Maßnahmen zur Stärkung der Einnahmenbasis“ hat der BRH vor wenigen Tagen ein Maßnahmenpaket mit 22 Vorschlägen zu Subventionsabbau im Steuerrecht, Vermeidung von Mehrfachförderungen und konsequenter Steuerbetrugsbekämpfung vorgelegt, mit dem ein zweistelliges Milliarden-Steueraufkommen dauerhaft eingespart werden könnte und anderer Stelle zur Verfügung stünde. Es wäre wünschenswert, wenn die neue Bundesregierung auch diese Vorschläge prüfen und umsetzen würde: das wäre nicht nur ein Mehrgewinn für den Fiskus, sondern auch ein gewinnbringender Beitrag zum Bürokratieabbau im Steuerrecht. Die Diskussion über die Finanzierbarkeit weiterer Steuerentlastungen könnte sich dann schnell erübrigen.

Weitere Informationen

 

Ein Beitrag von:

  • Prof. Dr. jur. Ralf Jahn

    • Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
    • Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
    • Honorarprofessor an der Universität Würzburg

    Warum blogge ich hier?
    Mein erster Blog bietet die Möglichkeit, das Thema der Pflicht der „Pflichtmitgliedschaft in Kammern“ „anzustoßen“ und in die Diskussion zu bringen. Bei genauem Hinsehen sichert der „Kammerzwang“ nämlich Freiheitsrechte durch die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Partizipation.

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