Schwedische Briefmarken werden umsatzsteuerfrei

Hierzulande regt man sich im Allgemeinen ja gern mal über eine zu hohe Steuerbelastung auf. Aber kann man sich auch über die eigene zu niedrige Besteuerung beschweren? Offenbar schon, wie die Umsatzbesteuerung von Briefmarken in Schweden zeigt. Hierzu hat der EuGH nun entschieden, dass zwingende Steuerbefreiungen ausnahmslos zwingend umgesetzt werden müssen.

In Schweden werden Postdienstleistungen überhaupt nicht von der Umsatzteuer befreit. Jedoch schreibt das EU-Recht vor, dass die Universaldienste zwingend steuerfrei gestellt werden müssen. Den staatlichen Postdienstleister ‚Posten AB‘ wollte Schweden aber partout weiterhin der Mehrwertsteuer unterwerfen. Begründung: Zum einen hätten die anderen Anbieter am Markt sonst einen Wettbewerbsvorteil, da sie nicht unter die Steuerbefreiung fielen. Mein Kommentar: die volkswirtschaftlichen Wirkungen von Umsatzsteuerbefreiungen werden gern mal angeführt, um eine Über- oder Unterbesteuerung der Betroffenen darzustellen. Dabei lässt sich wissenschaftlich leicht feststellen, dass bei überwiegendem B2B-Geschäft steuerliche Wirkungen theoretisch kaum berechnet werden können. Auch empirische Studien gestalten sich äußerst schwierig (vgl. Trinks, UVR 4/2012 S. 112 zur Umsatzsteuerbefreiung von Finanzdienstleistungen).

Das zweite Argument der Schweden: wenn man jetzt eine Steuerbefreiung einführen würde, wäre das für die ‚Posten AB‘ recht unbequem, weil man zur Einsparung nicht abzugsfähiger Vorsteuer aus Eingangsleistungen den Leistungsbezug ggf. umstrukturieren müsste. Nun ist mir leider unklar, worauf dieses „Argument“ abzielt. Allerdings erscheint es potentiell schon recht dreist: die schwedische Regierung verstößt mit Absicht gegen EU-Recht, weil sonst ein erhöhter unternehmerischer Aufwand entstehen würde. Das hat schon was!

Der EuGH zeigte sich vom Beklagtenvortrag erfreulicherweise unbeeindruckt. Und so wird in Schweden nun die postalische Grundversorgung wohl demnächst umsatzsteuerfrei. Kurios: in Deutschland war die Steuerbefreiung für den Universaldienstleister ja lange zu weitreichend und musste beschränkt werden. So unterscheiden sich die Gesetzgebungsmentalitäten in der EU…

Besonders traurig am Streitfall ist aus meiner Sicht übrigens die Bearbeitungszeit durch die EU-Kommission. Der (recht offensichtliche) Rechtsverstoß besteht in Schweden nun schon seit etwa zwei Jahrzehnten. Erst 2006 leitete die Kommission ein Verfahren ein, das 2007 vorerst abgeschlossen war. Dann dauerte es weitere sechseinhalb Jahre (!) bis zur Anrufung des EuGH, der wiederum recht fix entschied. Besser spät als nie, wie man wohl festhalten muss.

Weitere Infos:

  • EuGH, Rs. C-114/14 (‚Kommission/Schweden‘)

 

 

 

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