Rückläufiges Wirtschaftsaufkommen, hohe Inflation und sinkende Steuereinnahmen – die fetten Jahre sind vorbei. Kann sich der Staat noch eine großzügige Ausgabenpolitik leisten?
Hintergrund
Sogar noch während der Corona-Pandemie stand die deutsche Wachstumsampel auf Grün: Überproportionale Steuereinnahmen, eine geringe Inflation bei Niedrigzinsen und ein dickes Auftragspolster der deutschen Wirtschaft begünstigten diese Entwicklung. Doch dann wurden Lieferketten unterbrochen, der russische Angriffskrieg in der Ukraine ab Februar 2022 mit stark steigenden Energie- und Stromkosten führte zu einem dramatischen Einbruch, dessen Ende noch immer nicht absehbar ist – im Gegenteil.
Konjunkturprognose des Internationalen Währungsfonds (IWF)
Nach seiner am 10.10.2023 veröffentlichten aktuellen Konjunkturprognose erwartet IWF, dass Deutschland viel langsamer aus der Konjunkturkrise kommt als erwartet. Der IWF nimmt an, dass die deutsche Wirtschaftsleistung in 2023 um 0,5 Prozent abnimmt und Deutschland somit als einzige der fortgeschrittenen Volkswirtschaften aktuell schrumpft. Die Bundesregierung erwartet für 2023 ein Minus von 0,4 Prozent – auch nicht viel besser. Unter den großen Volkswirtschaften ist Deutschland damit aktuell Konjunktur-Schlusslicht.
Zinskosten des Bundes steigen rapide
Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) muss der Bund in 2023 gut 11 Prozent seiner Steuereinnahmen allein für den Schuldendienst aufwenden. Für 2024 rechnet das BMF mit rund 37 Mrd. Euro an Zinsausgaben für die Schulden des Bundes – das ist eine Verzehnfachung gegenüber 2021. Allein während der Corona-Pandemie ist der Schuldenstand von 2019 bis 2022 um 35 Prozent auf sagenhafte 1,78 Billionen Euro gestiegen. Bei weiter hohem Zinsniveau ist das Ende der Fahnenstange nicht erreicht.
Steuereinnahmen des Staates verschlechtern sich
Den Ergebnissen der 165. Steuerschätzung von Ende Oktober 2023 zufolge entwickeln sich die Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen unter Berücksichtigung der seit Mai 2023 in Kraft getretenen Steuerrechtsänderungen mit einem Volumen von 916,1 Mrd. Euro in diesem Jahr schlechter als noch in der Mai-Schätzung erwartet. Dies dürfte maßgeblich auf die schwächere Entwicklung der Wirtschaftsleistung zurückzuführen sein. Im nächsten Jahr 2024, für das eine konjunkturelle Erholung erwartet wird, wurde der Schätzansatz gegenüber Mai nur wenig nach oben angepasst. Gleichzeitig ist der Schuldenstand prekär: Er wird zwar um einen Punkt zurückgehen auf 65 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), im internationalen Vergleich ein guter Wert. Sorge bereitet aber, das der Bund unter Einhaltung der Schuldengrenze 5,5 Mrd. Euro an zusätzlichen Krediten aufnehmen muss, um seine Verbindlichkeiten erfüllen zu können.
Verteilungsspielräume werden immer kleiner
Was bedeutet diese Gesamtsituation für uns alle, für die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden in den nächsten Jahren? Der Gürtel muss enger geschnallt werden, die Spielräume für weitere steuerliche Entlastungen sinken, Sonderwünsche sind tabu. Corona-Wirtschaftshilfen (Corona-Kredite in Höher von 400 Mrd. Euro müssen ab 2028 getilgt werden), staatliche Subventionen bei den Energie- und Strompreisbremsen, das Sondervermögen der Bundeswehr in Höhe von 100 Mrd. Euro: Deutschland hat sich in den letzten Jahren so manchen „(Doppel-)Wumms“ gegönnt, finanziert aus Steuermitteln. „Es ergeben sich keine neuen Verteilungsspielräume“, hat deshalb Bundesfinanzminister Lindner erst am 26.10.2023 erklärt. Abschaffung des Solidaritätszuschlags für alle? – Nicht finanzierbar. Nachhaltige Unternehmenssteuerreform – nicht bezahlbar. Dauerhafte Senkung der Umsatzsteuer auf 7 Prozent bei Dienstleistungen und Speisen in der Gastronomie – derzeit in weiter Ferne.
Im November will der Bundestag abschließend über den Haushalt 2024 mit seinen 25 Einzelplänen beraten. Bis dahin wird es noch ein intensives „Hauen und Stechen“ darüber geben, was jetzt wichtig ist und finanziert werden muss und was warten kann. Wir bleiben dran…!
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