Prüfende Dritte sollten in einschlägigen Konstellationen bei Schlussabrechnungen zu gewährten Überbrückungshilfen und November- und Dezemberhilfen rechtliche Risiken, insbesondere die Gefahr des Unternehmensverbundes, berücksichtigen. Es drohen detaillierte juristische Prüfungen und damit Rückzahlungen gewährter Leistungen. Unsere Handlungsempfehlung: Bei Einreichung der Schlussabrechnung sollte eine juristische Stellungnahme miteingereicht werden, welche sich z.B. detailliert mit der Frage des Vorliegens eines Unternehmensverbundes befasst.
Schlussabrechnung – Um was geht es?
Leistungsempfänger von Überbrückungshilfen sowie November- und Dezemberhilfen haben ihre ursprünglichen Anträge häufig auf Basis von Umsatzprognosen und prognostizierter Kosten gestellt. Juristische Fragen, wie das Vorliegen eines Unternehmensverbundes, wurden sowohl auf Seiten der Antragsteller als auch auf Seiten der Bewilligungsstelle nicht immer in voller Tiefe berücksichtigt. Dies ändert sich nun. Daher müssen Leistungsempfänger detaillierte Schlussabrechnungen vorlegen. Neben realisierten Umsatzzahlen und Fixkostenabrechnungen können hier juristische Stellungnahmen miteingereicht werden.
Schlussabrechnung kann zu Rückzahlung führen
Wir beobachten seit einigen Wochen, dass Bewilligungsstellen im Rahmen von Anträgen auf Überbrückungshilfe III Plus und bei Schlussabrechnungen den Sachverhalt detaillierter prüfen, als dies im Rahmen der Antragstellungen in den Jahren 2020 und 2021 der Fall war. Daher erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass kritische Nachfragen für (frühere) Anträge gestellt werden, etwa zum Vorliegen eines Unternehmensverbundes. Dies kann zu Rückzahlungen empfangener Gelder führen.
Schlussabrechnung: Möglichkeit zur Korrektur
Die Schlussabrechnung bietet den Leistungsempfängern auch eine Chance: Mit Hilfe juristischer Stellungnahmen zu potenziellen Angriffsflächen können Leistungsempfänger und deren Steuerberater fehlerhafte Angaben bei der ursprünglichen Antragstellung durch den prüfenden Dritten nachträglich korrigieren.
Unternehmensverbund: Grundlagen
Ausschlaggebend für das Vorliegen von verbundenen Unternehmen ist, dass die Mehrheit der Stimmrechte des einen Unternehmens durch ein anderes Unternehmen oder eine andere natürliche Person oder Personengruppe direkt oder indirekt kontrolliert wird oder die Möglichkeit eines beherrschenden Einflusses auf ein anderes Unternehmen besteht. Hiervon ist insbesondere (aber nicht immer) auszugehen, wenn die Beteiligung an einem Unternehmen mehr als 50 Prozent beträgt. Halten zwei Gesellschafter je fünfzig Prozent, darf kein verbundenes Unternehmen fingiert werden.
Argumente gegen die Annahme eines Unternehmensverbundes
Jede Situation ist individuell. Die Bewilligungsstellen argumentieren unserer Erfahrung nach undifferenziert. Gegen grobe Verallgemeinerungen bei der Frage des Unternehmensverbundes sollten Leistungsempfänger den Ist-Zustand detailliert darlegen und eine juristische Einordnung vornehmen. Wir prüfen bei Fragestellungen dieser Art nach den Beteiligungsverhältnissen und etwaigen Vereinbarungen der Gesellschafter stets, ob eine sogenannte organisatorische Leitungsmacht bei einem der Unternehmen vorliegt. Auch gehen wir stets auf Widersprüche und Schwachstellen bei Fragen der Bewilligungsstellen ein. Auch die FAQs sind oftmals Argumentationshilfen, da diese oftmals widersprüchlich sind. So stellen FAQs z. B. auf das Vorliegen eines verbundenen Unternehmens nach der EU-Definition ab. Das EU Recht selbst differenziert jedoch und setzt für die Frage des Unternehmensverbundes eine Reihe verschiedener Kriterien voraus. Leistungsempfänger sollten sich diese Differenzierungen zu eigen machen. Dies gilt gerade für die oft entscheidende Frage, ob die vermeintlich verbundenen Unternehmen in einem benachbarten Markt tätig sind. Gerade bei diesem Punkt kann eine juristische Stellungnahme wichtig werden.
Auch anderen, in der Regel standarisiert vorgetragenen, Argumenten für die Annahme eines Unternehmensverbundes können Leistungsempfänger begegnen. Soweit Bewilligungsstellen etwa pauschal „familiäre Verbindungen“ aufführen, um den Unternehmensverbund zu fingieren, ist zwischen Kernfamilie und beispielsweise angeheirateten Verwandten zu differenzieren. Zudem muss berücksichtigt werden, ob die Anteilseigner des Leistungsempfängers etwa in einer Lebens- oder Erziehungsgemeinschaft leben und welche sonstigen wirtschaftlichen Verflechtungen bestehen oder gerade nicht bestehen. Schließlich ist auch die Darlegungslast für die Annahme des Unternehmensverbundes ein Argument, mit dem sich Leistungsempfänger auseinandersetzen sollten.
Wie geht es weiter?
Die Schlussabrechnung der ersten Programme (Überbrückungshilfe I-III, November- und Dezemberhilfe) läuft seit dem 5. Mai 2022 und muss – Stand Mai 2022 – bis zum 31. Dezember 2022 erfolgen. Betroffene Unternehmen sollten nicht abwarten, bis die Bewilligungsstelle von sich aus auf bis jetzt unbemerkte Sachverhalte aufmerksam wird, sondern sich proaktiv um eine juristische Absicherung kümmern. Denn eins ist klar: Die Bewilligungsstellen werden versuchen, „unberechtigte“ Auszahlungen zu korrigieren. Die Betrachtung des Einzelfalls darf diesem im Grunde berechtigten Ziel jedoch nicht zum Opfer fallen.