Schluss mit der einfachen „Entmündigung“ – Betreuung

Vielleicht ist vielen nicht bekannt: Entmündigung gibt es nicht mehr. Das Ganze nennt sich jetzt Betreuung. Das Betreuungsrecht hat 1992 das frühere Recht der Entmündigung abgelöst. Unterschied ist der, dass der Betreute geschäftsfähig bleibt – und auch ein Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz hat, wie das Bundesverfassungsgericht in einem aktuellen Fall festgestellt hat.

In einem Streitfall wurde jemand unter Betreuung gestellt. Eine Anhörung wurde hartnäckig verweigert.

Im Einzelnen: Eine Person wurde im Wege der einstweiligen Anordnung unter eine vorläufige Betreuung gestellt. Nach Ablauf von sechs Monaten beantragte der Betreuer die Verlängerung. Das Amtsgericht verlängerte, ohne den Betreuten anzuhören. Dasselbe geschah nochmals, also die vorläufige Betreuung wurde nochmals verlängert. Schließlich endete die einstweilige Betreuung durch Zeitablauf. Die Betreute wendete sich wegen der unterlassenen Anhörung vergeblich an die Gerichte und erhob Verfassungsbeschwerde.

Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 23.03.2016 – 1 BvR 184/13) hat entschieden, dass die mit einer Betreuung verbundenen tiefen Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eine persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Betreuungsgericht grundsätzlich unverzichtbar machen. Ohne diese Anhörung werde nicht nur das Recht auf gesetzliches Gehör verletzt, sondern auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz. Das Grundgesetz sichere jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung zu, indem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Die Anordnung einer Betreuung beeinträchtigt dieses Recht. Deswegen ist ein solcher Eingriff nur gerechtfertigt, wenn das zuständige Betreuungsgericht nach angemessener Aufklärung des Sachverhalts davon ausgehen darf, dass die Voraussetzungen der Betreuung tatsächlich gegeben sind. Hierzu müsse dem Betroffen rechtliches Gehör gewährt werden, Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz. Dies geschehe in Form einer persönlichen Anhörung. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass die Betreute in ihrem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt worden sei, Artikel 19 Abs. 4 GG.

Kurz: gegen den Willen einer unter Betreuung gestellten Person darf weder gehandelt noch entschieden werden.

Weitere Infos:
BVerfG v. 23.03.2016 – 1 BvR 184/13

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