In der laufenden Legislaturperiode wird es keine Reform der Umsatzbesteuerung mehr geben. Das hat die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage (BT-Drs. 20/10534) mitgeteilt (BT-Drs. 20/10856).
Hintergrund
Schon das Gesetzgebungsverfahren beim (Ersten) Corona-Steuerhilfegesetz, insbesondere mit der befristeten Senkung des Umsatzsteuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (vgl. Rondorf, NWB 2020, 1838), war zeitlich ziemlich ambitioniert. Der Rechtssetzungsprozess beim Zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) wurde aber nochmals beschleunigt: Von der Vorstellung des Konjunkturpakets durch die Regierungskoalition am 3.6.2020 bis zur Verkündung des Gesetzes im BGBI waren es gerade mal vier Wochen (s.a. Rondorf NWB 2020, 2068).
Die Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD hatte am 3.6.2020 beschlossen, zur Bekämpfung der Corona-Folgen und zur Stärkung der Binnennachfrage im Rahmen ihres Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets den allgemeinen Umsatzsteuersatz von 19 % auf 16 % und den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % auf 5 % – befristet auf das 2. Halbjahr 2020 – zu senken. Durch das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise wurden die entsprechenden Regelungen in § 28 Abs. 1 bis 3 UStG erlassen. Erstmals seit Einführung der Mehrwertsteuer in Deutschland im Jahr 1968 wurden damit – wenn auch nur befristet – die Umsatzsteuersätze gesenkt. Die sehr kurzfristig umzusetzenden Maßnahmen führten nicht nur zu einem erheblichen Aufwand für Unternehmer und ihre steuerlichen Berater. Sie warf zahlreiche materiell-rechtliche Fragen auf, die das BMF in einem sog. Einführungsschreiben v. 30.6.2020 (III C 2 – S 7030/20/10009 :004 BStBl 2020 I S. 584) beantwortete.
Eine dauerhafte Entfristung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen über den 31.12.2023 hinaus blieb bekanntlich – trotz wiederholter politischer Vorstöße, über die ich letztes Jahr im Blog berichtet habe – erfolglos.
Bundesregierung schließt weitere Reform in dieser Legislatur aus
Jetzt hat die Bundesregierung auf eine Anfrage der CDU/CSU-Opposition mitgeteilt, dass es eine Reform der Umsatzsteuersätze in dieser Legislatur nicht mehr geben werde (BT-Drs. 20/10856). In der Kleinen Anfrage ging es vor allem darum, ob die Bundesregierung den Empfehlungen des Bürgerrates folgen wolle, der vorgeschlagen hatte, unterschiedliche Ernährungsformen umsatzsteuerlich gleichzustellen, also beispielsweise pflanzliche Milchersatzprodukte und Fleischersatzprodukte. Das lehnt die Bundesregierung ab, weil die Steuersätze „nicht nach Ernährungsformen differenziert“ gälten. Weiter schreibt die Regierung: „Vielmehr gilt die allgemeine Systematik, nach der Nahrungsmittel grundsätzlich dem ermäßigten Umsatzsteuersatz und Getränke (mit Ausnahme von Leitungswasser, Milch und bestimmten Milchmischgetränken) grundsätzlich dem Regelsteuersatz unterliegen. Im Übrigen unterliegen Fleischersatzprodukte bereits dem ermäßigten Steuersatz.“
Bewertung
Zugegeben: Eine Umsatzsteuerreform macht man nicht „so nebenbei“, eine Reform des Umsatzsteuersystems mit Vorsteuerabzug, das so im Grundsatz seit 1968 besteht, will gut durchdacht sein. Wer an eine Reform der Umsatzsteuersätze heran will, muss auch die Vorgaben des Europarechts beachten: Der Normalsatz der Mehrwertsteuer in der EU muss mindestens 15 Prozent betragen (Art. 97 MwStSystRL), während der niedrigste von zwei möglichen ermäßigten Steuersätzen mindestens Prozent betragen muss (Art. 99 Abs. 1 MwStSystRL).
Tatsache ist aber auch, dass eine Reform der Umsatzsteuer schon länger angemahnt wird, weil in vielen Fällen die unterschiedlichen Sätze (§ 12 UStG) nicht mehr plausibel sind. Die dauerhafte Senkung der Umsatzsteuer auf Speisen und Dienstleistungen in der Gastronomie war von Bundeskanzler Scholz fest versprochen; dieses politische Versprechen ist nicht eingehalten worden. Immerhin blieb ein Prüfauftrag bestehen, den die Koalition sich selbst erteilt hat: Eine grundlegende Prüfung der kruden Umsatzsteuersystematik in § 12 UStG. Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Lieferung wird mit sieben Prozent besteuert. Werden in der Gastronomie Sitzgelegenheiten zur Verfügung gestellt, gilt der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Gibt es nur Stehtische oder gar keine Möbel, gilt der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent. Da blickt keiner mehr durch, deswegen muss die Umsatzbesteuerung gerade auf Lebensmittel und in Gastronomie spürbar entrümpelt werden.
Daraus wird jetzt nichts – im Gegenteil: Zur Kompensation der schrittweisen Abschaffung der Agrardiesel-Subvention schlägt eine Regierungskommission zur Zukunft der Landwirtschaft eine schrittweise Anhebung der Mehrwertsteuer von 7 Prozent auf 19 Prozent auf tierische Produkte wie Fleisch vor, um den Umbau der Tierhaltung zu finanzieren. Das ist das Gegenteil des politischen Versprechens eine grundlegende Prüfung der Umsatzsteuersystematik anzugehen.
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