Schadenersatzansprüche bei großen Verspätungen im Flugverkehr – aber gegen wen?

Mit dieser Frage befasste sich der EuGH in diesen Tagen, nachdem das Landgericht Hamburg um entsprechende Klärung bat. Dabei musste insbesondere entschieden werden, wer als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne der Verordnung Nr. 261/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder bei großer Verspätung von Flügen […] gilt (EuGH v. 04.07.2018 – AZ: C-532/17).

Wo besteht Klärungsbedarf?
Eigentlich dürfte es zu dieser Fragestellung gar nicht kommen. Enthält doch Artikel 2 der genannten Verordnung einen umfassenden Katalog von Begriffsbestimmungen, einschließlich die Definition für „Luftfahrtunternehmen“ in Buchstaben a) des Artikels, wonach es sich hierbei um ein Lufttransportunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung handelt. Buchstabe b) klärt darüber hinaus, wer „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ ist, nämlich ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Man kann sich die Frage stellen: Wo also gibt es noch Klärungsbedarf?

Vielfalt an Vertragskonstellationen
Um dieser Frage nachzugehen, bedarf es eines Blicks in die Vielfalt der Vertragskonstellationen zwischen Fluggesellschaften. Diese bedienen sich regelmäßig mittels Leasing-Verträgen nicht nur Flugzeuge anderer Fluggesellschaften (sogenanntes dry-lease), sondern nehmen darüber hinaus auch weitere Dienstleistungen wie die Zurverfügungstellung der Crew, Wartung und Versicherung (sogenanntes wet-lease) in Anspruch. Damit sichern sich Fluggesellschaften die nötige Flexibilität, um schnelle Reaktion auf Marktveränderungen zu gewährleisten, können eigene Kapazitäten optimal ausnutzen, gegebenenfalls sogar ganze Fluglinien outsourcen. Dabei erhält das geleaste Flugzeug nicht selten Lackierung und Design des Leasingnehmers, also der Fluggesellschaft, mit der auch der Kunde seinen Vertrag geschlossen hat. Lediglich ein Hinweis („operated by …“) gibt dann noch Auskunft über den Leasinggeber, also der Gesellschaft, die das Flugzeug und gegebenenfalls Personal, Wartung und Versicherung zur Verfügung stellt.

Worauf kommt es an?
Die o.g. Verordnung sieht nun gem. Artikel 1 Abs. 1 BStb. c) bei Verspätung des Fluges nach Entfernung und Anzahl der verspäteten Stunden gestaffelte Ausgleichsansprüche in Artikel 7 vor. Hierbei kommt es darauf an, wer „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ des Fluges war, denn gegen diejenige Fluggesellschaft sind etwaige Schadenersatzansprüche zu stellen. Es ergibt sich folglich die berechtigte Frage, ob dies der Leasinggeber ist, der das Flugzeug z.B. samt Besatzung und weiterer Dienstleistungen für den gegenständlichen Flug zur Verfügung stellt oder ob es sich hierbei um jene Fluggesellschaft handelt, die das Flugzeug gemietet hat und die Entscheidung über die Durchführung bzw. Annullierung des Fluges trifft.

Klarheit durch EuGH-Urteil – wer trägt das operative Risiko?
Dazu entschied nun jüngst der EuGH in seinem Urteil vom 04.07.2018 – Az: C-532/17, dass die Letztgenannte als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ gelte, gegen das u.a. bei großen Verspätungen Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden könne. Denn sie trage das operative Risiko.

Fazit
Für den Fahrgast ist es wichtig zu wissen, dass nicht immer gilt was schwarz auf weiß zu lesen ist, nämlich der Hinweis auf seiner Buchungsbestätigung, welche Fluggesellschaft den Flug „ausführt“. Im vom EuGH zu entscheidenden Fall war dies nämlich der Leasinggeber, der laut aktueller Entscheidung gerade nicht die „ausführende Luftfahrtgesellschaft“ ist, gegen die Schadenersatzansprüche wegen großer Verspätung erhoben werden können.

Weitere Informationen:
EuGH vom 04.07.2018 – Az: C-532/17  (www.curia.europa.eu)

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