Der Europäische Gerichtshof hat gesprochen. Ob es alle verstanden haben, bleibt hingegen noch offen. Dass die rückwirkende Rechnungskorrektur kommen wird, war absehbar. Zu den sich nun ergebenden Praxisfragen ist hingegen bislang kaum etwas zu vernehmen.
Das mag zum einen daran liegen, dass die Entscheidung beinahe einhellig so erwartet wurde. Insofern gibt es zunächst keine Reibungspunkte, an denen man Kritik aufhängen könnte. Zum anderen hat die sonst federführende Beraterschaft natürlich kein übermäßiges Interesse am Thema. Denn die Möglichkeit zur Rechnungskorrektur vernichtet Beratungspotential. Bislang konnte man die Angst vor Rechnungsfehler sehr gut monetarisieren. Wie und ob das in der Zukunft überhaupt gelingt, erscheint eher fraglich.
So deuten die ersten Stellungnahmen zur Rechtsprechung des EuGH auch eher in die Richtung, neue Ängste zu schüren. Mehrfach zu lesen ist beispielsweise, dass man Rechnungen nicht mehr stornieren, sondern nur noch berichtigen dürfe, um die Rückwirkung der Korrektur zur erhalten. Ich halte das für eine sehr eigentümliche Rechtsauffassung. Man kann nur hoffen, dass sie nicht von der Finanzverwaltung aufgegriffen wird.
Streitig ist auch der letzte Zeitpunkt zur Berichtigungsmöglichkeit. Das Finanzgericht Münster etwa begrenzt die Durchführung der Korrektur zeitlich auf das Einspruchsverfahren. Tatsächlich muss hingegen der Schluss der mündlichen Verhandlung maßgeblich sein.
Besonders verwirrt hat mich hingegen die erste Stellungnahme eines BFH-Richters. Dessen Aussagen lassen sich nur so interpretieren, dass Unternehmer mit fehlerhaften Rechnungen beim Vorsteuerabzug straf- bzw. ordnungsrechtlich belangt werden sollen (oder zumindest können). Wie das rechtssystematisch funktionieren soll, bleibt hingegen offen. Mir erschließt sich die Funktionsweise jedenfalls nicht.
Absehbar ist hingegen der Streit, wie falsch eine Rechnung sein darf, um sie noch korrigieren zu lassen. Berichtigt werden kann eine Abrechnung nur, wenn sie zumindest als Rumpfrechnung durchgeht. Diese erfordert für mich zumindest Angaben über:
- die Beteiligten (Leistender und Empfänger),
- ein Datum,
- die Leistungsbeschreibung und
- den Rechnungsbetrag mit steuerlicher Kennzeichnung.
Hier wäre nun die Finanzverwaltung gefragt, ein paar Leitlinien festzumachen, die idealerweise in die Abstimmung mit den Verbandsvertretern gehen. Vermutlich bleibt das allerdings Wunschdenken.
Weitere Infos
- Becker, Hat die Rechnung als Voraussetzung des Vorsteuerabzugs ausgedient?, NWB 45/2016 S. 3374-3388
- Trinks, Der Countdown läuft…