Risikomanagementsysteme werden von der Finanzverwaltung schon seit längerem eingesetzt. Im Zuge der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens sollen diese jedoch eine gesetzliche Grundlage erhalten. In dem Referentenentwurf zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens heißt es zu § 88 Abs. 5 AO:
„Die Finanzbehörden können zur Bewertung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Steuerfestsetzung und Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen automationsgestützte Systeme einsetzen (Risikomanagementsysteme). Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden. Das Risikomanagement muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:
- die Gewährleistung einer hinreichenden Anzahl zufällig ausgewählter Fälle zur umfassenden Prüfung,
- die personelle Prüfung der als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte,
- die Möglichkeit der personellen Fallauswahl zur umfassenden Prüfung,
- die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung.
Einzelheiten der Risikomanagementsysteme dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte …“
Anlässlich des Deutschen Steuerberatertages in Wien hat MinDirg Dr. Steffen Neumann, Leiter der Steuerabteilung im FinMin NRW, die Nichtbekanntgabe der Risikomanagementsysteme, also der Prüf- und Risikofilter, noch einmal verteidigt. Auf den ersten Blick erscheint dies durchaus logisch und man muss der Finanzverwaltung zubilligen, dass sie Steuerfälle anhand bestimmter, der Allgemeinheit nicht zugänglicher Algorithmen auf besondere steuerliche Risiken hin prüft. Das ist nicht anders als im Straßenverkehr: Wenn sich jeder Autofahrer darauf verlassen könnte, dass auf seiner Strecke nicht „geblitzt“ wird, wäre ein Tempolimit wirkungslos. Doch schauen wir uns nun einmal die technischen Möglichkeiten großer Steuerberatungseinheiten an. Angenommen, pro Monat geben diese mehrere hundert oder gar tausend Steuererklärungen und E-Bilanzen ab, so werden sie – nach meiner Prophezeiung – bei einer konsequenten Auswertung in den eigenen Rechenzentren innerhalb kürzester Zeit die Prüfalgorithmen der Finanzverwaltung durchschaut haben. Diese könnte eigentlich nur gegensteuern, indem sie ihre Algorithmen im 14-tägigen Turnus anpasst, was ich allerdings für nicht realistisch erachte. Daher mein Fazit: Große Steuerberatungsgesellschaften werden die Risikofilter schnellstmöglich kennen und werden sich darauf einstellen, während dieser Schatz den kleinen und mittelständisch geprägten Steuerkanzleien verborgen bleibt (sofern nicht die Datev, Addison, Agenda und andere ebenfalls reagieren und sich auf die „Suche nach den versteckten Algorithmen begeben werden.“). Sollte es soweit kommen, gefährdet die Nichtbekanntgabe der Risikofilter die Gleichmäßigkeit der Besteuerung.