Nachdem der BFH mit Urteilen vom 19.05.2021 zwei Klagen gegen das AltEinkG wegen Doppelbesteuerung von Leibrenten der Basisversorgung abgewiesen hatte, legten die unterlegenen Rentner Verfassungsbeschwerden ein (2 BvR 1140/21 und 2 BvR 1143/21).
Um nun massenhafte Einsprüche und Anträge auf Ruhen des Verfahrens zu vermeiden, wurden gemäß BMF-Schreiben vom 31.08.2021 (IV A 3 – S 0338/19/10006 :001) in die Einkommensteuerbescheide von Rentnern folgender Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO aufgenommen:
„Die Festsetzung der Einkommensteuer ist gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich Besteuerung von Leibrenten und anderen Leistungen aus der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG. Die Vorläufigkeitserklärung erfasst sowohl die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbar sind, als auch den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht oder der Bundesfinanzhof die streitige verfassungsrechtliche Frage durch verfassungskonforme Auslegung der angeführten gesetzlichen Vorschriften entscheidet.“
Allerdings ist das AltEinkG zweifellos verfassungsgemäß (u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 29.09./30.09.2015, 2 BvR 2683/11, 2 BvR 1066/10, 2 BvR 1961/10). Das ist längst geklärt. Noch nicht geklärt ist jedoch die Frage, wie die (untergesetzliche) Vergleichs- und Prognoserechnung zur Feststellung einer etwaigen Doppelbesteuerung verfassungskonform auszugestalten ist.
Vorläufigkeitsvermerk wirkungslos
Der Vorläufigkeitsvermerk geht somit ins Leere. Mit Einwendungen gegen das vom BFH entwickelte Berechnungsschema wird nicht die Verfassungsmäßigkeit oder verfassungskonforme Auslegung der Übergangsregelung des § 22 Nr. 1 S. 2 a)aa) bestritten. Deshalb greift der in die Einkommensteuerbescheide von Rentnern aufgenommene Vorläufigkeitsvermerk nicht.
Untergesetzliche Vorschriften, Verwaltungsvorschriften und Richterrecht sind eben gerade kein Gesetz i.S. d. § 4 AO und somit vom Anwendungsbereich des § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO nicht erfasst. Verfassungskonform müssen solche Regelungen selbstverständlich dennoch sein.
Rechtsschutzinteresse und Rechtsschutzbehelfe
Das Rechtsschutzinteresse von Rentnern an der (teilweisen) Nichtanwendung der vom BFH entwickelten Berechnungsmethode ist deshalb verfahrensrechtlich nicht weggefallen. Es ist deshalb schlicht falsch, wenn Finanzämter Einsprüche und AdV-Anträge nunmehr mangels Rechtsschutzbedürfnis zurückweisen.
Solche Rechtsbehelfe richten sich nicht gegen die Verfassungsmäßigkeit oder verfassungskonforme Auslegung des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG), sondern gegen die Berechnungsmethode zur Feststellung einer etwaigen Doppelbesteuerung. Auf die Ausgestaltung dieser Vergleichsrechnung bezieht sich der in die Steuerbescheide aufgenommene Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AO jedoch gerade nicht.
Fazit
Der Verzicht auf Rechtsbehelfe im Vertrauen auf den Vorläufigkeitsvermerk kann somit zu einer bösen Falle werden: Wenn das BVerfG die vom BFH entwickelte Berechnungsmethode für nicht verfassungskonform halten sollte, führt das nicht dazu, dass Steuerfestsetzungen geändert werden können, eben weil sich die Vorläufigkeit gar nicht auf die Vergleichsrechnung bezieht, und, da es sich nicht um eine gesetzliche Regelung handelt, auch gar nicht beziehen kann.
Wer sich also auf die Finanzverwaltung verlässt, der ist verlassen. Rechtsbehelfe sollten in jedem Fall eingelegt und fortgeführt werden. Lassen Sie sich nicht aus dem Verfahren drängen!
Und damit endet diese kleine Serie über die noch nicht endgültig geklärten Fragen zur Berechnung einer etwaigen Doppelbesteuerung. Rückfragen und Kommentare beantworte ich gerne.
Lesen Sie zur Rentendoppelbesteuerung auch die Teile 1-4 dieser Reihe:
- Aufteilung des Sozialversicherungsbeitrags – BFH übersieht alte Rechtslage!
- Berücksichtigung von Witwenrenten – BFH wirft Nebelkerzen! /
- Konzeption der Übergangsphase – BFH entscheidet gegen den Wortlaut!
- Vertrauensschutz in der Vergleichs- und Prognoserechnung
Rentenbeginn war August 2021. lt. Steuerbescheid werden 81% der Rentenzahlung besteuert. Sämtliche Rentenbeiträge erfolgten vor 2004, also versteuert. Danach wurden keine Beträge mehr entrichtet. Von mir wurde Widerspruch eingelegt. FA verwies auf Vorläufigkeit.