Reihengeschäfte in der Umsatzsteuer – aktueller BMF-Entwurf

Im Zuge der EU Quick Fixes bzw. den entsprechenden Regelungen im Mehrwertsteuersystem (Art. 36a MwStSystRL), kam es national zu entsprechenden gesetzlichen Anpassungen, welche unter anderem durch das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (sog. Jahressteuergesetz 2019) umgesetzt wurden.

Im Rahmen der vorgenannten Quick Fixes wurden die Themen Reihengeschäfte, Umsatzsteuer-ID Nummern, Konsignationslager und Belegnachweise EU-einheitlich geregelt, wobei den Mitgliedstaaten für bestimmte Umsetzungen ein gewisser Spielraum eingeräumt wurde (u.a. Belegnachweise). In den letzten beiden Jahren wurden national auch unzählige Praxisfragen durch entsprechende BMF Schreiben geklärt, u.a. im BMF-Schreiben v. 10.12.2021 zu Konsignationslagern sowie im BMF Schreiben vom 20.05.2022 betreffend die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen.

Die für deutsche Unternehmer umfassendsten Änderungen ergaben sich im Bereich der Konsignationslagerregelung (Einführung des § 6b UStG) als auch im Rahmen von Reihengeschäften (§ 3 Abs. 6a UStG), wohingegen die Umsatzsteuer-ID Nummer als materiell-rechtliche Voraussetzung kaum einen Unternehmer hierzulande schockieren durfte.

Aktuell liegt nun ein Entwurf des BMF vom 22.06.2022 vor, welcher u.a. Klarstellungen im Rahmen der Reihengeschäfte bei Transportbeauftragung durch den Zwischenhändler (früher „mittlerer Unternehmer“) trifft.

Ausgangslage

Ein Reihengeschäft definiert sich seit jeher dadurch, dass mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte abschließen und der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten zum letzten Unternehmer gelangt. Im Rahmen eines solchen Reihengeschäfts kann nur einem Umsatz („Liefergeschäft“) die bewegte Lieferung, d.h. auch eine mögliche Steuerbefreiung, zugeordnet werden (A 3.14 Abs. 2 S. 3 UStAE). Die restlichen Umsätze sind stets als ruhende Lieferung zu behandeln, steuerbar am Abgangs- oder Empfangsort.

Grundsätzlich stellte man nach nationalem Recht darauf ab, wer den Transport beauftragt, um zu ermitteln, welchem Unternehmer in der Kette die bewegte Lieferung zuzuordnen ist. Problematisch bzw. umstritten war stets der Sachverhalt, in welchem der mittlere Unternehmer („Zwischenhändler“) für den Transport verantwortlich ist. Grundsätzlich ist der Umsatz („Liefergeschäft“) an ihn als bewegte Lieferung zu qualifizieren, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat (vgl. § 3 Abs. 6a S. 4 UStG). In der Praxis aufkommende Fragestellungen zeigten sich häufig bei der Transportdurchführung bzw. -verantwortlichkeit (In wessen Auftrag handelt die Spedition?) sowie dem Kriterium der Transportzahlung (Kann vereinfacht davon ausgegangen werden, dass der Rechnungsempfänger der Transportleistung auch der Leistungsempfänger und demnach Beauftragende ist? – Vereinfachungsregel des A 3a.2 Abs. 2 S. 2 UStAE im Sinn).

EU Quick Fixes

Abhilfe schafften sodann die EU Quick Fixes, als dass sie den Unternehmen das Werkzeug der Umsatzsteuer ID Nummer in die Hand gaben. National findet sich seitdem die Vereinfachung, dass davon auszugehen ist, dass der Zwischenhändler als Lieferer auftritt, wenn er die Umsatzsteuer ID Nummer des Mitgliedstaates verwendet, in welchem die Beförderung oder Versendung beginnt (A 3.14 Abs. 10 S. 2 UStAE). Eine klarere und verständlichere Vorgabe bzw. Vereinfachungsregel hätte man sich für die Praxis nicht wünschen können – allen voran auf EU-weiter Basis. Speziell im Rahmen von Reihengeschäften, bei welchen die ersten beiden Unternehmer im Inland sitzen und die bewegte (steuerbefreite) Lieferung dem zweiten (inländischen) Unternehmer zugeordnet werden sollte, ist die Verwendung seiner deutschen Umsatzsteuer ID Nummer eine transparente Möglichkeit des Nachweises – für alle in der Kette beteiligten Unternehmer.

BMF-Entwurf

Nun liegt den Verbänden ein Entwurf vor, welcher unter anderem die Transportbeauftragung (diese muss immer in einem ersten Schritt geprüft werden) expliziter erläutert. Im Rahmen einer Versendung (durch einen Dritten) ist auf die Auftragserteilung an den selbstständigen Beauftragten abzustellen (A 3.14 Abs. 7 S. 5 UStAE-E). Eine abweichende Zuordnung sei nur dann zulässig, wenn nachgewiesen wird, dass die Beförderung oder Versendung auf Rechnung eines anderen Unternehmers in der Reihe erfolgt ist und dieser tatsächlich die Gefahr des zufälligen Untergangs des Gegenstands während des Transports getragen hat (A 3.14 Abs. 7 S. 6 UStAE-E). Allen voran der letzte Satz löst so manche Rechtsfrage in der Praxis, welche sich in den Vorjahren im Rahmen von Transportverantwortlichkeiten ergab. Unsicher bleibt aber weiterhin, wem die Beauftragung zuzurechnen ist, wenn ein Unternehmer zwar den Transport beauftragt, dies aber im Namen eines anderen Unternehmers durchführt.

Bsp.: Muttergesellschaft A (Sitz im Inland) beauftragt die Tochtergesellschaft B (Sitz im Inland) mit der Lieferung eines Gegenstandes an den Endkunden C in Spanien. Bei der Beauftragung verwendet die Muttergesellschaft A ihre deutsche Umsatzsteuer ID Nummer gegenüber B. Der Transport wird von B bei einem Dritten (Spediteur) beauftragt; hierbei verwendet B aber die vom Spediteur erteilte Kundennummer der Muttergesellschaft A, welche auch die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt.

Um rechtssicher vorzugehen, empfiehlt sich, dass auch die Rechnung für die Transportleistung direkt vom Spediteur an die Muttergesellschaft A gestellt werden sollte. Sofern zunächst die Tochtergesellschaft B die Transportkosten trägt, muss ein entsprechender Nachweis geführt werden, dass die Kosten für Rechnung der Muttergesellschaft A getragen wurden (notfalls im Rahmen einer Weiterbelastung).

Zu begrüßen ist, dass eine von der Transportbeauftragung abweichende Zuordnung von der Finanzverwaltung gesehen und versucht wird, Lösungen aufzuzeigen. Nachteilig ist jedoch, dass vorliegend wiederum ein Kriterium geschaffen wird, welches in der Praxis häufig schwer nachzuweisen ist – Gefahr des zufälligen Untergangs (Anpassung Incoterms notwendig) und die Zahlung auf Rechnung eines anderen Unternehmens. Wünschenswert wäre eine Klarstellung, dass – sofern ein Unternehmer (im obigen Beispiel Tochtergesellschaft B) im Namen eines anderen Unternehmens (Muttergesellschaft A) beauftragt – diese Auftragserteilung sogleich dem anderen Unternehmen (Muttergesellschaft A) zuzurechnen ist. Damit größtenteils erschlagen wäre auch die Diskussionen zur Unterscheidung der Transportbeauftragung und Transportverantwortlichkeit (welche in Abgrenzung nationaler sowie EU-Vorgaben weiterhin Rechtsfragen auslöst). Speziell in Konzernen ist die Transportbeauftragung im Namen anderer Unternehmer eine häufig anzutreffende Konstellation, welche in dem Entwurf noch vernachlässigt wird.

In einem zweiten Schritt wäre dann von der Muttergesellschaft sicherzustellen, dass diese gegenüber der Tochtergesellschaft die deutsche Umsatzsteuer ID Nummer vor Beginn der Versendung (alt. Beförderung) verwendet. Wichtig ist, dass die bloße Verwendung der deutschen Umsatzsteuer ID Nummer nicht die fehlende Transportbeauftragung im Rahmen einer Versendung heilen würde, sofern eine solche nicht im Namen des Zwischenhändlers (Muttergesellschaft A) erfolgt.

Des Weiteren beinhaltet der BMF-Entwurf Ausführungen zu Drittlandskonstellationen sowie weiteren Beispielsfällen, welche unter Berücksichtigung der Änderungen im Rahmen der Quick Fixes angepasst werden. Die noch mit wichtigste Klarstellung erfolgt unter A 3.14 Abs. 20 UStAE-E, dass die Regelungen zu Reihengeschäften keine Anwendung im Rahmen des § 3 Abs. 3a UStG finden, was speziell für die elektronische Schnittstelle als fiktiver Lieferer bedeutend sein dürfte.

Fazit

Der BMF-Entwurf ist grundsätzlich zu begrüßen und wird durch weiterführende Beispiele so manche Praxisfragen aufklären. Nichtsdestotrotz ist zu wünschen, dass speziell das Thema „Unterbeauftragung“ nochmals aufgegriffen und klargestellt wird.


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