Können Kunden eines Supermarktes eine „Mitgliedschaft“ erwerben, die es ihnen ermöglicht, Waren verbilligt zu erwerben, so unterliegen die „Mitgliedsbeiträge“ dem Regelsteuersatz. Eine Aufteilung des Steuersatzes darf selbst dann nicht erfolgen, wenn die Kunden überwiegend Waren erwerben können, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen – so der BFH mit Urteil vom 18.12.2019 (XI R 21/18).
Der Sachverhalt:
Die Klägerin betrieb mehrere Bio-Supermärkte in einer deutschen Großstadt unter einer gemeinsamen Dachmarke. In den Märkten konnten Kunden entweder die Waren zum Normalpreis oder verbilligt als „Mitglied“ einkaufen. Für die „Mitgliedschaft“ zahlten die Kunden einen monatlichen festen Beitrag (je nach Einkommen und Familienstand zwischen ca. 10 Euro und ca. 20 Euro). Die Klägerin ging davon aus, dass der Mitgliedsbeitrag ein Entgelt für die späteren Warenverkäufe sei. Die Einräumung der Rabattberechtigung sei als notwendiger Zwischenschritt des Warenverkaufs anzusehen und damit eine Nebenleistung. Da die rabattierten Warenlieferungen zu über 81 % dem ermäßigten Steuersatz unterlagen (z.B. für Lebensmittelverkäufe), teilte die Klägerin auch die Mitgliedsbeiträge entsprechend nach beiden Steuersätzen auf. Finanzamt, FG und letztlich auch der BFH hingegen gingen davon aus, dass die eingeräumte Rabattberechtigung als selbstständige Leistung in vollem Umfang dem Regelsteuersatz unterliege.
Die Begründung des BFH:
Die Einräumung einer Rabattberechtigung durch ein Unternehmen mittels einer „Mitgliedschaft“ und der spätere Warenverkauf durch dasselbe Unternehmen sind als jeweils selbstständige Leistungen zu würdigen. Zwar erwirbt ein Kunde die „Mitgliedschaft“ zwangsläufig in der Absicht, in unterschiedlichem Umfang bei dem betreffenden Unternehmen einzukaufen. Allerdings haben die Kunden am Erwerb dieses Rechts ein gesondertes Interesse, da nur die Mitgliedschaft das Recht auf einen Rabatt einräumt. Die Mitgliedschaft ist insbesondere auch keine Zahlungsart für den Erwerb der in den Supermärkten angebotenen Gegenstände, da insofern keine „Anrechnung“ auf den Preis erfolgt.
Außerdem können Kunden die Waren auch ohne „Mitgliedschaft“ bei den jeweiligen Supermärkten zum regulären Preis erwerben. Dies bestätigt, dass der Verkauf der Mitgliedschaft und die Lieferung von Gegenständen nicht als eine einzige, untrennbare Leistung angesehen werden kann.
Die jeweils selbständigen Leistungen in Form der „Mitgliedschaft“ und des Warenverkaufs sind dementsprechend auch hinsichtlich des Steuersatzes getrennt zu behandeln. Nach § 12 Abs. 1 UStG beträgt die Steuer für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage. Allerdings ermäßigt sich die Steuer nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf 7 % für Lieferungen der in der Anlage zum UStG bezeichneten Gegenstände. Während die Warenverkäufe entweder gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten oder gemäß § 12 Abs. 1 UStG dem Regelsteuersatz unterliegen, unterfällt die Einräumung der „Mitgliedschaft“ vollumfänglich dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG, da ein Ermäßigungstatbestand nicht erfüllt ist.
Ein monatlicher pauschaler Mitgliedsbeitrag stellt keine Anzahlung auf künftige Warenlieferungen dar, wenn das „Ob und Wie“ der künftigen Lieferungen bei Abschluss der „Mitgliedschaft“ nicht hinreichend bestimmt ist. Ebenso wenig handelt es sich um nicht steuerbare Gesellschaftereinlagen bzw. sog. „echte“ Mitgliedsbeiträge.
Hinweise:
Das Urteil des BFH hat wirtschaftlich zur Folge, dass sich die Kosten des Supermarktbetreibers für das von ihm angebotene Rabattmodell erhöhen. Die Entscheidung betrifft aber nicht nur Supermärkte, sondern letztlich alle Unternehmen, die es Kunden bzw. „Mitgliedern“ ermöglichen, gegen eine Gebühr vergünstigte Leistungen aus dem Waren- und Dienstleistungssortiment zu beziehen und bei denen grundsätzlich unterschiedliche Steuersätze anzuwenden wären.
Der BFH hat indes keine Aussage zu den Rabatt-Modellen getroffen, bei denen z.B. der Mitgliedsbeitrag vom Umsatz des Kunden abhängt oder mit dem Kaufpreis der Waren verrechnet wird. Auch musste der BFH nicht entscheiden, ob der Fall anders zu beurteilen gewesen wäre, wenn sich der Rabatt nur auf Waren bezogen hätte, die dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegen. Insofern wird es in Zukunft sicherlich noch weitere Verfahren vor den Finanzgerichten geben.
Weitere Informationen:
BFH, Urteil v. 18.12.2019 – XI R 21/18