Kennen Sie das? Findet sich im Gesetz oder einer Verwaltungsanweisung das schöne Wort „regelmäßig“, so kann man davon ausgehen, dass die Finanzverwaltung dieses Wort in ein „immer“ oder „stets“ umdeutet – natürlich nur, wenn dies zu ihren Gunsten geschieht. Im umgekehrten Fall ist sie bei der Interpretation des Begriffs großzügiger.
Mir ist bereits seit einiger Zeit die unreflektierte Übernahme der Bodenrichtwerte im Zuge der Bedarfsbewertungen ein Dorn im Auge. Im Fall der Bewertung eines Grundstücks für Erbschaft- oder Schenkungsteuerzwecke schauen die Finanzämter ausschließlich auf die Bodenrichtwerte oder Bodenrichtwertzonen der Gutachterausschüsse. Das ist in § 179 BewG auch für den Regelfall so vorgesehen, aber eben auch nur für den Regelfall. Im Ausnahmefall, das heißt bei einer besonderen Lageeigenschaft des Grundstücks, die in den Bodenrichtwerten nicht hinreichend berücksichtigt worden ist, sind die Finanzämter gehalten, Boden(richt)werte eigenständig zu ermitteln.
Finanzämter verweisen auf Gutachten
Die Finanzämter haben daran natürlich kein Interesse und verweisen darauf, dass man den Grundstückswert mittels eines Gutachtens nachweisen könne. Das ist zwar richtig und dürfte in den allermeisten Fällen auch zielführend sein. Aber warum soll ein Gutachten für ein Honorar von 3.000 € oder auch 5.000 € in Auftrag gegeben werden, nur weil die Finanzämter ihrer Verpflichtung aus § 179 BewG nicht nachkommen wollen? Natürlich ist es Ziel des vereinfachten Bewertungsverfahrens, die Finanzämter von aufwendigen Wertermittlungen zu entlasten. Aber: Wer schon einmal das Verwaltungsvermögen für Schenkungsteuerzwecke anlässlich der Übergabe eines Betriebes ermitteln durfte, kann nur noch laut auflachen, wenn er hört, dass Wertermittlungen möglichst unkompliziert erfolgen sollen.
Ein Buch mit sieben Siegeln?
Übrigens, nur am Rande: Hat sich schon einmal jemand die Mühe gemacht, die Ermittlung der Bodenrichtwerte durch die Gutachterausschüsse tatsächlich unter die Lupe zu nehmen? Für mich jedenfalls ist es ein Buch mit sieben Siegeln. Ich sehe Bodenrichtwerte für Grundstücke, bei denen ich nicht wüsste, dass dort irgendwelche Vergleichswerte vorhanden sein könnten. Andererseits gibt es Grundstücke, bei denen ich weiß, für welchen Preis sie veräußert worden sind. Merkwürdigerweise gibt es für diese keinen Bodenrichtwert.
Fazit
In begründeten Ausnahmefällen müssen die Finanzämter Bodenrichtwerte selbst ermitteln. § 179 BewG gibt ihnen nach meinem Dafürhalten keinen Freibrief, die Bodenrichtwerte laut Gutachterausschuss stets und immer zu übernehmen.
Sehr Interessant
Und wie ist das mit Wertermittlung bei bebauten Grundstücken? Da heisst es dann auch regelmässig durch Gutachten nachzuweisen. In einem Fall wurde eine sog. Schrottimmobilie viel zu hoch geschätzt nach Sachwertverfahren