Reform der Vermögensabschöpfung: Können Strafrichter nun 30 Jahre lang Steuern nachfordern?

Das Gesetz zur Reform der Vermögensabschöpfung 1.7.2017 hat die Vorschriften des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung zur Abschöpfung und vorläufigen Sicherstellung von Vermögen neu geregelt.

Eine Neuregelung von besonderer steuerlicher Relevanz ist brisant: Die Neuregelung des §§ 76a Abs. 2, 76b StGB betreffend die Einziehung von Vermögen gibt der Justiz möglicherweise ein Instrument, bei einer Steuerhinterziehung bis zu 30 Jahre später die Tatvorteile („ersparte“ Steuern) einzuziehen. Diese Sichtweise wird zur Zeit von Vertretern der Verwaltung auf Podiumsdiskussionen bejaht. Diese Frist soll unabhängig davon gelten, ob die steuerliche Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist. Diese gläubigerfreundliche Sichtweise wird damit begründet, dass der Grundgedanke der Vermögensabschöpfung die Einziehung sämtlicher Tatvorteile verlange. Bei einer Einziehung handele es sich konstruktiv um keine Vollstreckung sondern um eine Abschöpfung.


Dieser Ansicht wird hier widersprochen. Denn auf die unterschiedliche rechtliche Konstruktion zwischen steuerlicher Festsetzung und Vollstreckung einerseits (nach der AO) und Einziehung von Vermögen (nach StGB und StPO) kann es hier meines Erachtens nicht ankommen. Denn eine solche Betrachtung würde außer Acht lassen, dass die Wirkung beider Maßnahmen wirtschaftlich identisch ist. Der Grundrechtsschutz gegen staatliche Eingriffe in Art. 14 GG (Vermögen als Eigentumsrecht) darf nicht durch eine großzügige Auslegung der Einziehungsvorschriften (StGB, StPO) ausgehölt werden. Gegen die vorgenannte ausufernde Sichtweise spricht meines Erachtens auch der Wortlaut der Regelung des § 73e StGB. Nach dieser Regelung ist die Einziehung ausgeschlossen soweit der Anspruch (hier: Steueranspruch) erloschen ist. Bei steuerlicher Festsetzungsverjährung ist der Anspruch jedoch erloschen (§ 47 AO). Daher ist meines Erachtens eine Einziehung gem. §§ 76a Abs. 2, 76b StGB in diesem Fall ausgeschlossen.

Folgen bei Selbstanzeigen und Betriebsprüfungen

Sollte sich die Ansicht der Vertreter der Verwaltung durchsetzen, so ergäben sich nachteilige Folgen für Selbstanzeigen und auch Betriebsprüfungen, in denen eine frühere Steuerhinterziehung festgestellt wird (durch vorgefundene Hinweise auf eine lange zurückliegende Hinterziehung oder bei Dauersachverhalten). Trotz steuerlicher Verjährung droht dann eine Forderung, die sich auf bis zu 30 Jahre alte Steuern bezieht. Besonders brisant: Bei der Abgabe der Selbstanzeige wegen Dauersachverhalten wie z.B. Kapitaleinkünften hatte der Steuerpflichtige bisher nicht mit der Pflicht zur Nachzahlung von Steuern im Umfang von bis zu 30 Jahren gerechnet. Ob er unter diesen neuen Vorzeichen eine Selbstanzeige abgegeben hätte, dürfte in manchen Fällen fraglich sein. Die Dispositionssicherheit ist damit erheblich gefährdet.

Eine Einziehung kann verfahrensrechtlich entweder als Annex in einem Steuerstrafverfahren oder aber isoliert in einem eigenständigen Einziehungsverfahren durch den Strafrichter erfolgen. Dies kann auch noch dann geschehen, wenn hinsichtlich der Steuerhinterziehung z.B. strafrechtliche Verjährung eingetreten ist.  (z.B. nach Zahlung einer Geldauflage gem. § 153a StPO bei identischer prozessualer Tat).

Illegale Herkunft genügt bei bandenmäßiger USt-Hinterziehung

Die Neuregelung sieht für besondere Fälle eine weitere Erleichterung für die Einziehung durch den Strafrichter vor. So können Tatvorteile in Ausnahmefällen sogar ohne konkreten Tatnachweis eingezogen werden, wenn das Gericht von ihrer illegalen Herkunft überzeugt ist (§ 76a Abs. 4 StGB). Ein solcher Ausnahmefall liegt z.B. bei der bandenmäßigen USt-Hinterziehung vor (§ 370 Abs. 3 Nr. 5 AO).

Weitere Informationen:

Lesen Sie hierzu in NWB 17/2018 eine ausführlichere Darstellung
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