Unzählige Finanzgerichte mussten sich in der Vergangenheit mit der Frage befassen, ob eine Rechnung rückwirkend berichtigt werden darf, genauer gesagt ob eine berichtigte Rechnung für den Vorsteuerabzug auf den ursprünglichen Zeitpunkt zurückwirkt und damit die Festsetzung von hohen Nachzahlungszinsen vermieden werden kann. Jüngst hat der BFH eine Rechtsprechung aus dem Jahre 2016 bestätigt: Eine nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigte Rechnung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde (BFH 5.9.2019, V R 12/17).
Der etwas verkürzt dargestellte Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt die Vermietung von Grundstücken und beweglichem Anlagevermögen in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Im Jahre 2009 stellte die GmbH einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit ihrer Umsatzsteuererklärung 2010 (Streitjahr) machte die Klägerin u.a. Vorsteuern aus Rechnungen der Sozietät Y geltend. Ausgangspunkt der geschäftlichen Beziehung war ein Schreiben der Sozietät aus 2009. Darin bestätigte Y ihre Bereitschaft, die Gesellschafter der Klägerin im Hinblick auf die Insolvenz der GmbH zu beraten und zu vertreten. Das Schreiben war an alle Kommanditisten gerichtet.
Die Honorarrechnungen ergingen jeweils „… für die rechtliche Beratung der Gesellschafter der Klägerin i.S. Insolvenz der X GmbH und weiterer Gesellschaften der X-Gruppe“. Da Finanzamt erkannte nach einer Außenprüfung den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Y nicht an. Im FG-Verfahren schließlich legte die Klägerin berichtigte Rechnungen vom 2.5.2016 vor, in denen als Leistungsgegenstand die Beratung der Klägerin genannt wird. Die Klage vor dem FG hatte dennoch keinen Erfolg. Begründung: Aus den im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegten berichtigten Rechnungen vom 2.5.2016 könne die Klägerin keinen Vorsteuerabzug im Streitjahr geltend machen, weil diese dem Finanzamt bis zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung noch nicht vorgelegen hätten. Der BFH hat der hiergegen gerichteten Revision stattgegeben.
Es gilt also:
- Eine Rechnung kann nach § 31 Abs. 5 Satz 1 UStDV berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind. Wird zunächst eine Rechnung ausgestellt, die den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG nicht entspricht, und wird diese Rechnung später berichtigt, kann das Recht auf Vorsteuerabzug aufgrund der berichtigten Rechnung – rückwirkend – für den Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.
- Eine berichtigte Rechnung kann auch dann Berücksichtigung finden, wenn sie dem Finanzamt erst nach dem Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung vorliegt. Der BFH hat im Anschluss an das EuGH-Urteil Senatex entschieden, dass eine Rechnung bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung berichtigt werden kann (EuGH-Urteil Senatex vom 15.9.2016, C-518/14; BFH 20.10.2016, V R 26/15).
Hinweise:
Ob der Klägerin im Streitfall tatsächlich der Vorsteuerabzug rückwirkend zu gewähren ist, muss nun die Vorinstanz klären. Denn das FG hatte zunächst offengelassen, ob die Klägerin Empfängerin der von Y ausgeführten Leistungen gewesen ist und hatte eine hierzu beantragte Beweiserhebung abgelehnt. Unabhängig davon steht zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht alsbald zur „Angemessenheit“ der Nachzahlungszinsen entscheiden wird, denn in vielen Streitfällen geht es letztlich nicht um die Festsetzung der Umsatzsteuer oder der Gewährung des Vorsteueranspruchs an sich, sondern „nur“ um die Höhe der Nachzahlungszinsen.
Weitere Informationen:
BFH, Urteil v. 05.09.2019 – V R 12/17 -nv-