Realisierte Steuerberaterleistung als unfertige Leistung?

Bereits früher hatte ich mich mit der Rechtsprechung zur Frage der Aktivierbarkeit bzw. Nichtaktivierbarkeit der Kosten eines Reisebüros im Zusammenhang mit der Vermittlung einer noch nicht angetretenen Reise befasst. Hier hatte der BFH die Aktivierbarkeit verneint. In einem neuen Urteil des FG Thüringen ging es nun u.a. um die Aktivierbarkeit unfertiger Leistungen eines Steuerberaters. Streitig war im Urteilsfall u.a. die Frage, ob bei einem bilanzierenden Steuerberater für angefangene Arbeiten, z.B. in Bezug auf Jahresabschlüsse und Buchhaltungsarbeiten, jeweils ein Bilanzposten für unfertige Leistungen zu bilden war.

Das Finanzgericht sieht mit Verweis auf die Rechtsprechung des BFH die Voraussetzungen des Realisationsprinzips nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB  erfüllt, wenn „eine Forderung entweder rechtlich bereits entstanden ist oder die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen Entstehung der Forderung fest rechnen kann“. Fälligkeit der Forderung ist keine Ansatzvoraussetzung.

Das Gericht argumentiert im Weiteren mit dem Vergütungsanspruch des Steuerberaters, der auch ohne späteren Abschluss des Auftrags besteht. Obwohl die Vergütung des Steuerberaters erst fällig würde, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendigt ist, entstünde der Anspruch bereits dann, wenn der Steuerberater die Bearbeitung beginnt bzw. mit der ersten Dienstleistung, die der Steuerberater auftragsgemäß erbringt. Nach § 12 Abs. 4 StBVV sei auf bereits entstandene Gebühren ohne Einfluss, wenn sich die Angelegenheit vorzeitig erledigt oder der Auftrag endigt, bevor die Angelegenheit erledigt ist. Der Gebührenanspruch entstehe somit schon mit dem Beginn der Arbeit für die abzurechnende Angelegenheit. Ein Anspruch des Steuerberaters auf Auslagenersatz nach § 670 i.V.m. § 675 BGB entstünde, sobald die Aufwendungen getätigt werden. Es könne sich dabei auch zunächst nur um ein Verpflichtungsgeschäft des Steuerberaters handeln, da das Auftragsrecht dem Steuerberater Anspruch auf vorherigen Aufwendungsersatz zugesteht (§ 675 i.v.m § 669 BGB).

Gemeinhin ist von der Erfüllung der handelsrechtlichen Realisationsvoraussetzungen dann auszugehen, wenn und soweit der Sachleistungsverpflichtete sein Leistungserfüllungsrisiko abgebaut, d.h. die geschuldete Leistung erbracht hat. Auf den Zeitpunkt der Rechnungsstellung kommt es danach nicht an. Die Beantwortung der Frage, wann die Sachleistung erbracht ist, hängt von der Art der Leistung ab. Besteht nur die Pflicht zur Erbringung einer Dienstleistung (nach mittlerer Art und Güte i.S. eines Dienstvertrages) wird (ratierlich) mit Erbringung der Leistung ein Umsatz und eine, ggf. rechtlich noch nicht entstandene, Forderung zu erfassen sein. Schuldet der Bilanzierende jedoch die Erbringung eines Werkes bzw. einer werkähnlichen Leistung, sind Erlös und Forderung erst mit Fertigstellung und ggf. Abnahme der Leistung zu erfassen.

Sind die Realisationsvoraussetzungen gegeben, ist der Gewinn zu erfassen. Sind die Realisationsvoraussetzungen noch nicht gegeben, kommt die Aktivierung eines unfertigen Erzeugnisses oder einer unfertigen Leistung in Betracht. Diese ist nach § 253 Abs. 1 HGB bei Werthaltigkeit zwingend zu Herstellungskosten zu bewerten.

Das FG sieht zwar die Realisationsvoraussetzungen als erfüllt an: „Im Streitfall war ein Gewinn in Bezug auf die vom Steuerbüro angefangenen Arbeiten in Bezug auf Jahresabschlüsse, Buchhaltungsarbeiten etc. durch Bildung eines Bilanzpostens „unfertige Leistungen” zu berücksichtigen, da sie am Abschlussstichtag schon realisiert waren, weil eine entsprechende Forderung rechtlich bereits entstanden war sowie die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt wurden“. Immerhin hatte der Steuerberater auch vorgebracht, er trage das Risiko, ob der Auftrag insgesamt abgeschlossen werde. Dies hätte dann gegen eine (ratierlich realisierte) Dienstleistung gesprochen. Dem ist des FG jedoch nicht gefolgt.

Aus handelsrechtlicher Sicht überraschend ist dann aber die Argumentation des FG, es sei ein Wirtschaftsgut „unfertige Leistung“ entstanden. Für diese Frage kommt es dabei nicht darauf an, ob es sich um ein steuerliches Wirtschaftsgut oder um einen handelsrechtlichen Vermögensgegenstand handelt. Die „unfertige Leistung“ verträgt sich nicht mit der Bejahung der Realisationsvoraussetzungen. Wenn und soweit die Realisationsvoraussetzungen als erfüllt qualifiziert werden, liegt gerade keine unfertige Leistung vor. Sind die Realisationsvoraussetzungen aber nicht erfüllt, dann kommt es im Einzelfall tatsächlich darauf an, ob ein aktivierbarer Aktivposten „unfertige Leistung“ vorliegt, der dann aber zu Herstellungskosten zu bewerten wäre, weil die Realisationsvoraussetzungen noch nicht vorliegen. Insgesamt wirkt das Urteil in Ergebnis und Begründung nicht stringent und sollte, sofern es Rechtskraft erlangt, über den entschiedenen Einzelfall hinaus im Weiteren keine Beachtung finden.

Weitere Informationen:

Thüringer FG, Urteil v. 13.11.2019 – 3 K 106/19 

Bilanzierung von Provisionsleistungen – liegt der BFH richtig?

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