Wie im Rahmen des NWB Expertenblogs bereits mehrfach dargestellt, ist fraglich, ob so genannte nachlaufende Betriebsausgaben für nunmehr steuerbefreite Photovoltaikanlagen abziehbar sind. Nunmehr liegt dazu ein weiteres Urteil vor, das nachfolgend vorgestellt werden soll.
Worum geht es?
In vielen Fällen sind in 2022 oder 2023 noch Betriebsausgaben für Photovoltaikanlagen angefallen, die den Betrieb früherer Jahre betreffen, beispielswiese eine Umsatzsteuer-Nachzahlung für 2021, die erst in 2022 an das Finanzamt entrichtet worden ist.
Das FG Nürnberg hat hierzu entschieden, dass ab dem Veranlagungszeitraum 2022 keine Betriebsausgaben für steuerbefreite Photovoltaikanlagen mehr abgezogen werden dürfen, selbst wenn diese auf steuerpflichtige Einnahmen früherer Veranlagungszeiträume entfallen (Urteil vom 19.9.2024, 4 K 1440/23; Revision unter Az. III R 35/24).
Für die Auslegung durch das Gericht war in erster Linie der reine Wortlaut des Gesetzestextes, hier des § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG, maßgeblich. Dieser spreche eindeutig davon, dass bei Vorliegen steuerbefreiter Einnahmen kein Gewinn zu ermitteln „ist“.
Das FG Münster hat hingegen entschieden, dass nachlaufende Betriebsausgaben, die im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einnahmen aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage in früheren Jahren stehen, aber erst 2022 abfließen, abzugsfähig sind (Urteil vom 6.11.2024, 7 K 105/24 E, Revision unter Az. X R 30/24). Zu diesem Ergebnis war bereits ein anderer Senat des FG Münster gelangt, allerdings nur in einem AdV-Verfahren (Beschluss vom 21.10.2024, 1 V 1757/24 E).
Die Begründung des FG Münster: Hinsichtlich des Betriebsausgabenabzugs ist lediglich auf § 3c Abs. 1 EStG abzustellen, wonach Betriebsausgaben nur dann nicht abgezogen werden dürften, wenn sie in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen liegt aber gerade nicht vor. Vielmehr stehen die Betriebsausgaben mit steuerpflichtigen Einnahmen aus früheren Jahren im Zusammenhang.
Aus der Regelung in § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG, wonach kein Gewinn zu ermitteln ist, wenn die aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage erzielten Einnahmen insgesamt steuerfrei sind, ergibt sich nichts anderes. Diese Vorschrift ist vielmehr dahingehend auszulegen, dass eine Gewinnermittlung im Fall der Steuerfreiheit zwar nicht mehr zwingend erforderlich, aber nicht verboten ist. § 3 EStG regelt ausschließlich die Steuerfreiheit von Einnahmen, während für die Frage des Abzugs von Betriebsausgaben § 3c EStG einschlägig ist.
Das Urteil des Niedersächsischen FG:
Auch das Niedersächsische FG hat den nachlaufenden Betriebsausgabenabzug zugelassen (Urteil vom 11.12.2024, 9 K 83/24, Revision unter Az. X R 2/25). Im zugrundeliegenden Fall geht es um eine Ehegatten-GbR, die eine Photovoltaikanlage betrieb. Diese ermittelte ihren Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Für das Jahr 2022 erklärte die GbR, dass sie Einspeisevergütungen der Jahre 2018 bis 2021 in Höhe von 4.550,56 Euro zurückzahlen musste. Diese hatte sie in den Vorjahren versteuert. Den Rückzahlungsbetrag machte sie neben einigen weiteren Kosten als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt lehnte den Abzug im Hinblick auf § 3 Nr. 72 EStG ab, das heißt, es wurde nicht einmal die beantragte einheitlich und gesonderte Feststellung durchgeführt, so dass die erklärten gewerblichen Verluste unberücksichtigt blieben. Die hiergegen gerichtete Klage führte zum Erfolg.
Die Begründung: § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG enthält kein generelles Gewinnermittlungsverbot. Die Vorschrift entlastet den Betreiber lediglich von der Erstellung einer Gewinnermittlung. Daher bleibt die Rückzahlung einer früher versteuerten Betriebseinnahme auch dann als Betriebsausgabe abzugsfähig, wenn spätere Betriebseinnahmen von der Steuer befreit sind. Der Abzug der Rückzahlung der Einspeisevergütungen als Betriebsausgabe ist auch nicht nach § 3c Abs. 1 EStG ausgeschlossen. Im Streitfall war die GbR durch die Versteuerung der überhöhten Einspeisevergütungen in den Vorjahren tatsächlich steuerlich belastet. Dem entspricht es, die Rückzahlung der bereits versteuerten Einspeisevergütung als Betriebsausgabe entlastend zu berücksichtigen.
Denkanstoß:
Mich überzeugen die Begründungen des FG Münster und vor allem auch des Niedersächsischen FG mehr als die Begründung des FG Nürnberg. Hoffentlich sieht der BFH das genauso. Gerade der Fall aus Niedersachsen zeigt, dass es nahezu absurd wäre, eine Einnahme, die später zurückzuzahlen ist, bei Zufluss zunächst zu versteuern, während die Rückzahlung steuerlich ins Leere gehen soll.
Jedenfalls gilt weiterhin die Empfehlung, Betriebsausgaben, die noch ein Jahr vor 2022 betreffen, aber erst in 2022 oder später bezahlt werden, steuerlich geltend zu machen. Es besteht ein Anspruch auf Verfahrensruhe, wenn gegen ablehnende Steuerbescheide Einspruch eingelegt wird. Zugegebenermaßen sind die meisten Einsprüche aber ohnehin (stillschweigend) ruhend gestellt worden.
Lesen Sie hierzu auch folgende Beiträge im NWB Experten-Blog bzw. in NWB:
- Herold, Aufreger des Monats November: Kein „nachlaufender“ Betriebsausgabenabzug für befreite PV-Anlagen
- Herold, PV-Anlagen: Abzugsverbot für nachlaufende Betriebsausgaben – Revisionen liegen nun vor
- Homuth, Abzugsverbot für nachlaufende Betriebsausgaben bei Photovoltaikanlagen
- Seifert, Photovoltaikanlagen und nachlaufende Betriebsausgaben, NWB 2024 S. 3052