Pflicht zur digitalen Übermittlung der ESt-Erklärung: Fiskus erleidet Schlappe vor dem BFH

Steuerbürger sind in bestimmten Fällen verpflichtet, ihre Einkommensteuererklärung und – soweit erforderlich – auch die Anlage EÜR elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln. Das ist aber unbeliebt, zumal eine Gewinn- und Verlustverrechnung in Papierform bei kleineren Gewerbetreibenden oder Freiberuflern vielfach schnell erstellt ist, während sich diejenigen, die mit dem Computer nur wenig am Hut haben, schwer tun, die erforderlichen  Eintragungen digital vorzunehmen. Schützenhilfe kommt nun aber vom BFH.

Dieser hat entschieden, dass die elektronische Übermittlung der Einkommensteuererklärung wirtschaftlich unzumutbar ist, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung und Aufrechterhaltung einer Datenfernübertragungsmöglichkeit in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Einkünften steht, die die Pflicht zur elektronischen Erklärungsabgabe auslösen (BFH-Urteil vom 16.6.2020, VIII R 29/19).

Es ging um folgenden Sachverhalt:

Der Kläger war seit 2006 selbständiger Physiotherapeut. Mitarbeiter und Praxis- bzw. Büroräume hatte er nicht, ebenso wenig einen Internetzugang. Bis einschließlich 2016 veranlagte ihn das Finanzamt auf der Grundlage der handschriftlich ausgefüllten amtlichen Erklärungsvordrucke zur Einkommensteuer. Für das Streitjahr 2017 forderte es den Kläger mehrfach erfolglos zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung auf und setzte daraufhin ein Zwangsgeld gegen ihn fest. Sein Antrag, von der Verpflichtung zur elektronischen Erklärungsabgabe befreit zu werden, lehnte das Finanzamt ab. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht verpflichtete das Finanzamt, auf die elektronische Erklärungsabgabe zu verzichten, und hob die Festsetzung des Zwangsgeldes auf. Der BFH bestätigte die Entscheidung.

Die Begründung des BFH:

Die Finanzbehörde muss auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung der Steuererklärung verzichten, wenn eine solche Erklärungsabgabe für den Steuerbürger wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist (gemäß § 150 Abs. 8 Satz 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 4 Satz 2 EStG). Wirtschaftliche Unzumutbarkeit liegt insbesondere vor, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre. Ob ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand anzunehmen ist, kann nur unter Berücksichtigung der betrieblichen Einkünfte des Steuerpflichtigen entschieden werden. Denn die Härtefallregelung soll Kleinstbetriebe privilegieren. Da der Kläger im Streitjahr nur 14.534 EUR aus seiner selbständigen Arbeit erzielt hatte, ging der BFH von einer einem Kleinstbetrieb vergleichbaren Situation aus. Die elektronische Erklärungsabgabe konnte daher nicht rechtmäßig angeordnet werden und so auch das Zwangsgeld zu ihrer Durchsetzung keinen Bestand haben.

Hinweise:

In einem weiteren Verfahren vom gleichen Tag hat der BFH entschieden, dass sich der Härtefallantrag nur auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum beziehen kann und nicht auch für die Folgejahre gestellt werden darf (BFH-Urteil vom 16.6.2020, VIII R 29/17).

Das Merkmal der unbilligen Härte ist im Übrigen rein wirtschaftlich zu verstehen. Die Angst, von der NSA, dem russischen Geheimdienst oder irgendeinem Hacker ausgespäht zu werden, ist keine Härte in diesem Sinne. Mit Urteil vom 15.5.2018 (VII R 14/17) hat der BFH entschieden, dass selbst bei einem sicherheitsrelevanten Unternehmen kein Ausspähungsrisiko aufgrund der elektronischen Übermittlung bestehe bzw. dieses hingenommen werden müsse. Auch die Erkenntnisse aus der „NSA-Affäre“ und den „Snowden-Enthüllungen“ seien keine neuen Gesichtspunkte, welche eine andere Sichtweise erforderten (vgl. Blog-Beitrag „Elektronische Übermittlung von Bilanz und GuV keine unbillige Härte“).

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