Die Frage, wem das Kindergeld zusteht, kann manchmal ganz schön kompliziert sein, vor allem, wenn es um das Kindergeld für Pflegekinder geht. Nach § 32 EStG besteht eine grundsätzliche Kindergeldberechtigung für Pflegekinder, die in den eigenen Haushalt aufgenommen wurden und bei denen das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht.
Was aber geschieht, wenn Pflegeeltern ein Kind im Laufe eines Monats in ihrem Haushalt aufgenommen haben und der Kindergeldanspruch der leiblichen Eltern in dem betreffenden Monat gleichermaßen bestanden hat? § 64 Abs. 1 EStG bestimmt, dass für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt wird. Und in Absatz 2 der Vorschrift heißt es unter anderem: „Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.“
Der BFH hat nun zu der „Kindergeld-Konkurrenz“ entschieden: Sind in demselben Monat sowohl die leiblichen als auch die Pflegeeltern kindergeldberechtigt, steht das Kindergeld vorrangig demjenigen zu, der die Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs zu Beginn des fraglichen Monats erfüllt. Haben die Pflegeeltern das Kind erst im Laufe des Monats aufgenommen, steht das Kindergeld folglich noch den leiblichen Eltern zu und die Pflegeeltern sind nicht kindergeldberechtigt (BFH-Urteil vom 18.1.2024, III R 5/23).
Der Sachverhalt:
Der Kläger und sein Lebenspartner nahmen am 7.12.2020 das im November 2020 von einer obdachlosen Mutter zur Welt gebrachte Kind in ihren Haushalt auf und wurden dadurch zu dessen Pflegeeltern. In ihrem Verhältnis zueinander bestimmten die Pflegeeltern den Kläger zum Berechtigten. Die Familienkasse gewährte ihm das Kindergeld ab Januar 2021, lehnte es jedoch für die Monate November und Dezember 2020 ab. Infolgedessen versagte die Familienkasse dem Kläger auch den Kinderbonus für das Jahr 2020. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das FG sah die Klage im Hinblick auf das Kindergeld für den Monat Dezember 2020 und ebenso im Hinblick auf den Kinderbonus 2020 zwar als begründet an. Doch der BFH ist anderer Auffassung und gab der Familienkasse Recht.
Die Begründung:
Die am Monatsanfang bestehenden tatsächlichen Verhältnisse sind und bleiben für die Beurteilung der Anspruchskonkurrenz maßgeblich. Im Streitfall waren zu Beginn des Monats Dezember 2020 noch allein die leiblichen Eltern des Kindes kindergeldberechtigt. Bei ihnen setzt der Kindergeldanspruch – anders als bei Pflegeeltern – keine Aufnahme des Kindes in ihren Haushalt voraus. Deshalb blieben sie gegenüber den erst im Laufe des Monats Dezember 2020 hinzugekommenen Pflegeeltern für diesen Monat vorrangig kindergeldberechtigt. Der durch die Haushaltsaufnahme bei den Pflegeeltern am 7.12.2020 bewirkte Anspruchsvorrang des Klägers gemäß § 64 Abs. 2 EStG ist erst ab dem Folgemonat zu berücksichtigen, hier also ab Januar 2021. Schon deshalb schied auch der Anspruch des Klägers auf den Kinderbonus für das Jahr 2020 aus, da dieser einen Anspruch auf Kindergeld im Jahr 2020 vorausgesetzt hätte (Quelle: Pressemitteilung des BFH vom 7.3.2024).
Denkanstoß:
Wie eingangs erwähnt kann das Kindergeld nicht doppelt gewährt werden. Aber auch eine Aufteilung scheidet aus, auch wenn dies vielleicht ein weise Entscheidung gewesen wäre. So hatte der BFH mit Urteil vom 16.12.2003 (VIII R 76/99) entschieden:
„Dass das Kindergeld für ein Kind nur einem Berechtigten gezahlt wird, besagt ….., dass es auch nicht zulässig ist, abweichend von der in § 71 EStG angeordneten monatlichen Zahlung eine tageweise Aufteilung des Kindergeldbetrags gemäß § 66 Abs. 1 EStG für dieses Kind vorzunehmen und die anteiligen Beträge des monatlichen Kindergeldes an zwei Berechtigte auszuzahlen. Eine derartige Aufteilung stünde in klarem Widerspruch zu § 66 Abs. 2 EStG, wonach das Kindergeld vom Beginn des Monats gezahlt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen.“