Nach § 3 Nr. 15 EStG sind so genannte Jobtickets lohnsteuerfrei, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Genau genommen lautet es in der Vorschrift: Steuerfrei sind Zuschüsse des Arbeitgebers, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Linienverkehr (ohne Luftverkehr) zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und nach § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 4a Satz 3 sowie für Fahrten im öffentlichen Personennahverkehr gezahlt werden …“.
Werden das Jobticket oder der Zuschuss nicht „on top“ gewährt, sondern im Rahmen einer Gehaltsumwandlung, so ist der Vorteil grundsätzlich steuerpflichtig. Dann kann der Arbeitgeber aber wählen zwischen einem Pauschalsteuersatz von 15 Prozent mit Anrechnung auf die Entfernungspauschale oder einem Pauschalsteuersatz von 25 Prozent ohne Minderung der Entfernungspauschale.
Soeben hat das FG Hessen eine Entscheidung bekannt gegeben, die das Erfordernis der Gehaltsumwandlung plötzlich in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt.
Danach gilt:
Die Überlassung eines Jobtickets im Rahmen einer „Mobilitätskarte“, die in erster Linie auf die Beseitigung der Parkplatznot auf den von der Arbeitgeberin unterhaltenen Parkplätzen gerichtet ist, stellt bei den Mitarbeitenden keinen lohnsteuerpflichtigen Sachbezug dar (Urteil vom 25.11.2020, 12 K 2283/17).
Geklagt hatte eine Arbeitgeberin, auf deren für Mitarbeitende kostenlos zur Verfügung gestellten Parkplätzen ein extremer Parknotstand bestand. Im Rahmen eines Parkraumbewirtschaftungskonzepts bot sie ihren Mitarbeitenden in Zusammenarbeit mit einem Verkehrsverbund ein Jobticket an. Dabei wurden die mit dem Verkehrsverbund ausgehandelten niedrigen Preise voll an die Beschäftigten weitergegeben. Das von den Beschäftigten zu zahlende Entgelt wurde monatlich über die Lohnabrechnung eingezogen.
Das Finanzamt wertete den sich aus diesem System ergebenden Preisvorteil als Sachbezug und geldwerten Vorteil. Doch das Hessische FG sieht die Sache anders: Es handele sich bei der verbilligten Überlassung der Jobtickets nicht um einen lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn. Das Jobticket stelle nämlich keine Prämie oder Belohnung für eine Arbeitsleistung dar, die der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber erbringe. Vielmehr habe die Arbeitgeberin die Mobilitätskarte angeboten, um die Beschäftigten zur Nutzung des ÖPNV zu motivieren und so die angespannte Parkplatzsituation zu entschärfen. Dass diese Maßnahme für die Beschäftigten das verbilligte Jobticket als positiven Reflex nach sich ziehe, spiele keine entscheidende Rolle. Im Übrigen seien auch die Parkplätze kostenfrei zur Verfügung gestellt worden, ohne dass dies eine Lohnversteuerung nach sich gezogen hätte.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BFH unter dem Az. VI B 5/21 anhängig (Quelle: Pressemitteilung des Hessischen FG vom 5.2.2021).
Die Entscheidung ist von hohem Interesse, da sie Arbeitgebern und Arbeitnehmern wesentlich mehr Möglichkeiten zur Gewährung von Jobtickets an die Hand gibt. Der Gesetzgeber hat zwar mit der Möglichkeit der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 15 EStG – ebenso wie mit der Überlassung eines Firmenfahrrads – ein hehres Ziel verfolgt. Die Praxis zeigt aber, dass die „Überlassung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ eine hohe Hürde darstellt und letztlich vielen Arbeitgebern zu teuer ist. Um es klar zu sagen: § 3 Nr. 15 EStG spielt in der Praxis – soweit ich es überblicken kann – bei weitem nicht die Rolle, die sich der Gesetzgeber gewünscht hat.
Vielmehr vereinbaren große Unternehmen mit den Verkehrsverbünden Rabatte auf Firmentickets für ihre Mitarbeiter. Insofern hat das Hessische FG einen sehr praxisrelevanten Fall aufgegriffen und im Sinne von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entschieden. Es bleibt zu hoffen, dass die NZB des Finanzamts ins Leere läuft.
Auf den ersten Blick eine merkwürdige Entscheidung. Warum soll das Jobticket kein Incentive für die Arbeitnehmer darstellen, vor allem, wenn der Parkplatz ständig überfüllt ist? Bin gespannt, ob das Urteil noch veröffentlicht wird.
Vermutlich weil hier das Interesse des Arbeitgebers überwiegt, das der ständig überfüllte Parkplatz auch von Kunden und nicht nur durch die Arbeitnehmer genutzt wird. Ist aber nur Spekulation. Auf den Volltext kann man wirklich gespannt sein.
Naja, hinsichtlich der Zusätzlichkeit einer Arbeitgeber bei Gehaltsumwandlung ist der Paukenschlag so groß nun auch wieder nicht.
Der BFH hat bereits 2019 entschieden, dass eine Gehaltsumwandlung der Zusätzlichkeit nicht entgegensteht, weil die Zusätzlichkeit im Zeitpunkt des Zuflusses gegeben sein muss (BFH, Urt. v. 01.08.2019 – VI R 21/17).
Die FinVerw reagierte hierauf mit BMF-Schreiben vom 05.02.2020 (BStBl. I 2020, 222). Hieran sind die Gerichte aber zum Glück nicht gebunden.
Erst durch § 8 Abs. 4 EStG n.F. (= Art 1 Nr. 6 lit. b) JStG 2020) wurde die Gehaltsumwandlung zur Finanzierung zusätzlicher Arbeitgeberleistungen gesetzlich ausgeschlossen.