Mit Einführung der Patientenverfügung, geregelt in §§ 1901a, 1901b und 1904 BGB im Jahr 2009, hat der Gesetzgeber eine Rechtsgrundlage geschaffen, die es ermöglicht privatautonom und selbstbestimmt vorab zu regeln, welche medizinischen Behandlungsentscheidungen und -methoden im Einzelfall anzuwenden, bzw. abzulehnen sind, wenn der Betreffende selbst nicht in der Lage sein sollte seinen Willen zu artikulieren.
Das ist z.B. dann der Fall, wenn es einem Komapatienten an der Einwilligungsfähigkeit mangelt. Es gilt dann den Willen des Patienten, hilfsweise dessen mutmaßlichen Willen, festzustellen. Im Zweifel hat der Schutz auf Leben Vorrang (s.a. Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts v. 06. 03. 2008, BT-Drucks. 16/8442 S. 16). Eine Niederschrift (Schriftformerfordernis der Patientenverfügung gem. § 126 BGB) der gewünschten und/oder zu unterlassenden medizinischen Maßnahmen im Rahmen einer Patientenverfügung erleichtert dabei grundsätzlich die zu treffenden ärztlichen Entscheidungen.
Rechtsunsicherheit durch wechselnde Rechtsprechung
Ziel und Zweck der Normen sind jedoch dann verfehlt, wenn sie aufgrund mehrfach wechselnder höchstrichterlicher Rechtsprechung unterschiedlich ausgelegt werden, wie es vorliegend der Fall ist. Es führt zu großer Rechtsunsicherheit, wenn die tatsächliche Umsetzung des Patientenwillens von gerichtlich immer wieder neu festgelegten Parametern abhängt und infolgedessen in Frage gestellt ist. Das angedachte Mehr an Privatautonomie wird dann ad absurdum geführt.
Blick auf den Verlauf der höchstrichterlichen Rechtsprechung
Ausgehend vom Beschluss des BGH vom 17.09.2014 (Az: XII ZB 202/13, BGHZ 202, 226) war eine Patientenverfügung ausreichend konkret, um Bindungswirkung zu erzeugen, wenn der Betroffene darin beschreibt, welche medizinischen Maßnahmen er in bestimmten Lebens- und Behandlungssituationen wünscht oder ablehnt. Wurde so der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme vom Patienten vorab festgelegt, galt die Entscheidung „in einer alle Beteiligten bindenden Weise [als] getroffen“ (ebenda, Rn. 14). Der BGH weist in seiner Entscheidung explizit darauf hin, dass es nicht erforderlich sei, medizinischen Fortschritt und die eigene Biografie als Patient zu antizipieren; insbesondere könne nicht dieselbe Präzision im Hinblick auf die Bestimmtheit einer Patientenverfügung verlangt werden, wie sie bei einem entscheidungsfähigen Patienten betreffend der Einwilligung in eine ihm konkret angebotene Behandlungsmaßnahme vorliegt (ebenda, Rn. 29). Daraufhin schlussfolgerten Betreffende zu Recht, ihre Patientenverfügung entsprechend weit zu fassen, um den Anwendungsbereich aufgrund medizinischer Entwicklungsmöglichkeiten nicht ungewollt einzuschränken.
Zu großer Rechtsunsicherheit führte der Beschluss des BGH vom 6.7.2016 (Az: XII ZB 61/16, BGHZ 211, 67), wonach die Patientenverfügung bei fehlender Bestimmtheit als unwirksam gilt. Der BGH forderte insbesondere eine medizinrechtliche geboten Struktur. Nach Beschreibung der genauen Situation müssten klare Behandlungsverbote, bzw. Behandlungen in spezifischen Krankheitssituationen konkret benannt werden. Die Äußerung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ hätte im zu entscheidenden Fall nicht eindeutig den Abbruch der künstlichen Ernährung per Magensonde gemeint und reichte deshalb nicht aus, um eine rechtliche Bindung des Patientenwillen zu bewirken. Die Verfügung sei zu allgemein. Allerdings äußerte sich der BGH nicht dahingehend, welche Formulierung dann wirksam sei.
Mit Beschluss vom. 08.02.2017 (Az. XII ZB 604/15, BGHZ 214, 62) lockerte der BGH seine letzte Entscheidung zum Konkretheitserfordernis der Patientenverfügung wieder. Er bestätigte zwar erneut, dass die Formulierung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ allein zu wenig bestimmt sei, da die einzelnen Maßnahmen konkret benannt werden müssten, jedoch könne sie unter Berücksichtigung der Beschreibung der konkreten Umstände, in denen keine lebenserhaltenden Maßnahmen gewünscht werden und weiterer Festlegungen, die auf den Patientenwillen schließen lassen, doch Bindungswirkung entfalten.
Aus der jüngsten Entscheidung des BGH (Beschluss vom 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18, Pressemitteilung Nr. 185/18 vom 13.12.2018) geht nun positiv hervor, dass der Sterbewunsch eines Patienten dann im Rahmen der passiven Sterbehilfe als dessen Wille auszuführen ist, wenn er diesen in seiner Patientenverfügung für den Fall in dem „keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht“ festgelegt hat. Allerdings war auch diese Entscheidung nicht allein aufgrund des Wortlauts der Patientenverfügung ergangen, sondern vielmehr auslegungsbedürftig und führte nur unter Hinzuziehung weiterer Anhaltspunkte dazu, dass der in der Verfügung verfasste Wille als bindend angesehen wurde. Die hinzugezogenen Auslegungskriterien bestanden in bezeugten Meinungsäußerungen der Patientin zu zwei Fällen von Wachkoma-Patienten in ihrem Umfeld, die den eigenen Sterbewunsch in einer vergleichbaren Situation unterstrichen.
Umsetzung einer Patientenverfügung
Aufgrund der komplexen rechtlichen als auch medizinischen Anforderungen, die nunmehr an eine Patientenverfügung gestellt werden, empfiehlt es sich bei der Formulierung auf fachkundige Unterstützung zurückzugreifen und ggf. in zeitlich zu bestimmenden Intervallen die Inhalte sowohl medizinischen als auch rechtlich auf Aktualität und Wirksamkeit hin überprüfen zu lassen.
Die Umsetzung der Patientenverfügung erfolgt in der Regel durch einen Bevollmächtigten, der im Außenverhältnis, z.B. gegenüber Ärzten, den Willen des Patienten umsetzt. Der Bevollmächtigte vertritt den Vollmachtgeber, der diesem dazu eine Vorsorgevollmacht erteilt hat. Sie muss in Schriftform vorliegen und die Maßnahmen ausdrücklich umfassen, in die der Bevollmächtigte einwilligen bzw. nicht einwilligen soll. Liegt keine Vorsorgevollmacht vor, kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Zweifel auf einen gerichtlichen Betreuer zurückgegriffen wird, der dann die elementaren Entscheidungen für den Patienten zu treffen hat.
Es ist neben der Verteilung von Kopien der Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht an Hausarzt und Verwandte zu empfehlen, selbst oder über einen Notar einen Eintrag ins Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer vorzunehmen. Im letzteren Fall bewahrt der Notar das Original der Dokumente auf, so dass ein Verlust ausgeschlossen werden kann. Im Bedarfsfall kann der Eintrag gerichtlich abgefragt werden.
Zur Vereinfachung der Vertretung in gesundheitlichen Angelegenheiten unter Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern brachte der Bundesrat am 14.10.16 einen Gesetzesentwurf (BR-Drucks. 18/10485) ein, der eine gesetzliche Vollmachtsvermutung von Ehegatten/Partnern vorsah. Aufgrund von erheblichen Risiken durch Missbrauchsgefahr kam es bislang jedoch noch nicht zur Verabschiedung des Gesetzes.
Weitere Informationen:
- BT-Drucks. 16/8442
- BGH v. 17.09.2014 – XII ZB 202/13
- BGH v. 06.07.2016 – XII ZB 61/16
- BGH v. 08.02.2017 – XII ZB 604/15
- BGH v. 14.11.2018 – XII ZB 107/18
- BR-Drucks. 18/10485