Die Steuerpolitik spielt auch im Wahlkampf zur vorgezogenen Bundestagswahl am 23.02.2025 eine hervorgehobene Rolle. In einer Beitragsserie arbeiten wir die wesentlichen Aussagen der Parteien hierzu heraus. Dabei beschränken wir uns auf die Parteien, die eine realistische Chance auf den Einzug in den 21. Deutschen Bundestag haben. Diese Folge behandelt die Kernaussagen der Parteien zur Unternehmensbesteuerung.
Welchen Beitrag kann die Steuerpolitik leisten, um Deutschland wieder auf Wachstumskurs zu bringen? In ihren Wahlprogrammen geben die Parteien auf diese Frage deutlich voneinander abweichende Antworten. Union und FDP sehen als zentrale Stellschraube den Steuersatz für Unternehmensgewinne an. Dieser soll für Kapitalgesellschaften „maximal 25%“ (Union) bzw. „unter 25%“ (FDP) betragen. Gemeint ist damit die Gesamtbelastung aus Körperschaft- und Gewerbesteuer. Beide Parteien wollen hierzu den Körperschaftsteuersatz senken, die CDU spricht in ihrer „Agenda 2030“ von einem Satz von 10%. Zusammen mit dem durchschnittlichen Hebesatz bei der Gewerbesteuer von 407%¹- aber ohne Solidaritätszuschlag, den Union und FDP abschaffen wollen (vgl. Teil 1) – ergäbe sich eine Gesamtbelastung von 24,245%. In Gemeinden ab 20.000 Einwohnern, die im Schnitt auf einen höheren Hebesatz von 437%² kommen, würde die Zielmarke mit einer Gesamtbelastung von 25,295% knapp verfehlt, aber bei solch einer leichten Überschreitung würde wohl die Wirtschaft gedanklich abrunden.
Die AfD scheint grundsätzlich in die gleiche Richtung zu denken, spricht aber nur von einer Senkung der Unternehmensteuern „auf ein international konkurrenzfähiges Niveau“. Die Linke will dagegen bereits allein den Steuersatz bei der Körperschaftsteuer auf sogar 25% anheben.
Doch was ist mit den Personengesellschaften? Die Union kündigt hierzu an, die Besteuerungssysteme von Kapital- und Personengesellschaften durchlässiger zu gestalten und das Optionsmodells und die Thesaurierungsbegünstigung deutlich zu verbessern. Die FDP scheint in dieser Richtung nichts zu planen, kann aber auf die im Vergleich kräftigsten Senkungspläne beim Einkommensteuertarif verweisen.
Einen völlig anderen Ansatz wählen SPD und Grüne, die beide auf eine Steuergutschrift von 10% zur Investitionsförderung setzen. Schade bloß, dass es dazu doppelter Bürokratie bedarf, nämlich bei der Steuererhebung und bei der Gewährung der Förderbeträge. Die SPD will mit einem „Made in Germany“-Bonus gezielte Anreize für Investitionen in Deutschland setzen und spricht sich explizit gegen „pauschale Steuersenkungen für alle“ aus. Entsprechend wollen die Genossen den Bonus für lediglich in Deutschland durchgeführte Ausrüstungsinvestitionen gewähren, allerdings ohne sich dazu zu äußern, ob die geographische Einschränkung mit den EU-Grundfreiheiten in Einklang zu bringen ist. Die Grünen wollen ihre „Investitionsprämie“ auf fünf Jahre befristen, profitieren sollen alle Investitionen mit Ausnahme von Gebäudeinvestitionen.
Die sehr ähnlichen Vorschläge der beiden Parteien erinnern an die anfangs im Wachstumschancengesetz (WtChancenG) enthaltenen, aber am Ende nicht umgesetzte Klimaschutz-Investitionsprämie, die von der SPD sogar ausdrücklich als Vorbild genannt wird. Mit Blick auf die Förderhöhe ist dann aber zu ergänzen, dass eine solche Investitionsprämie die Anschaffungs- und Herstellungskosten mindert. Über ein reduziertes Abschreibungsvolumen würde die effektive Förderung nach Steuern bei einer Kapitalgesellschaft um ca. 30% geringer ausfallen. Ob im Hochsteuerland Deutschland eine Förderung von netto 7% aber ausreichend ist, um im großen Umfang Investitionen auszulösen, darf durchaus bezweifelt werden. Auch kommt eher der Eindruck von Konjunkturpolitik als von Strukturpolitik auf.
Einen unerwartet großen Abschnitt nimmt das Bilanzsteuerrecht in den Wahlprogrammen ein. Die Union will neben neuen AfA-Tabellen eine nicht näher spezifizierte „Turboabschreibung“ und schnellere Abschreibungen für Investitionen in Klimatechnologien einführen sowie den Wohnungsbau durch verbesserte Sonderabschreibungen und degressive Abschreibungen anheizen. Hinzu kommt eine Rohstoffbevorratungsrücklage, die einen Anreiz zum nicht-spekulativen Anlegen von Vorräten bieten soll. Das könnte auch Lieferengpässe mildern. Aufwendungen für Rohstoffe könnten nach diesem Vorschlag sofort als Betriebsausgabe steuermindernd abgesetzt werden; die Rücklage würde erst beim Verbrauch der Rohstoffe gewinnerhöhend aufgelöst. Zweifel bleiben, ob die wohl geplante Eingrenzung auf kritische Rohstoffe und die Vermeidung von Mitnahmeeffekten praktikabel möglich ist. Zudem bleibt die Thematik der Kapitalbindung und die Problematik der Besteuerung von Scheingewinnen in inflationsgeprägten Zeiten bestehen.
Während die SPD nur für gewerblich genutzte Neuwagen über bessere Abschreibungsbedingungen nachdenkt, legt die FDP ähnlich wie die Union einen Katalog von Vorschlägen auf den Tisch. Nach dem Scheitern des Ampel-Versprechens einer „Superabschreibung“ soll es nun eine Sonderabschreibung in Anlehnung an das frühere Fördergebietsgesetz (das bis zu 50% Sonder-AfA gewährte) sein. Hinzu kommen bessere Abschreibungen für den Wohnungsbau sowie höhere Wertgrenzen für geringwerte Wirtschaftsgüter und den Sammelposten.
Auch beim Thema Verlustverrechnung gibt es Übereinstimmungen zwischen Union und Liberalen. Beide fordern Verbesserungen sowohl beim Verlustrücktrag wie auch beim Vortrag, während sich die Konkurrenz hierzu ausschweigt. An das Reizthema Gewerbesteuer wagen sich jedoch nur die Freidemokraten, die die Gewerbesteuer durch eine „international systemtaugliche Alternative“ ersetzen wollen. Der erste Schritt soll eine Abschaffung der Hinzurechnungstatbestände sein.
Um abschließend das Einigende zu betonen: Bei der Forschungszulage ziehen Union, SPD, Grüne und FDP am gleichen Strang und wollen diese ausweiten. Immerhin SPD und Grüne sind sich darüber hinaus einig, sowohl Games (Computer-/Videospiele) als auch Filme stärker steuerlich zu fördern.
Kaum Bedeutung haben im diesjährigen Wahlkampf die in den letzten gut 10 Jahren die Steuerpolitik so sehr bestimmenden Maßnahmen gegen Steuerverlagerung. Lediglich Die Linke und das BSW setzen noch auf dieses Thema. Bei den anderen Parteien scheint sich langsam rumzusprechen, dass die Steuerpolitik den Bogen zuletzt womöglich überspannt hat. Spiegelbildlich überwiegen im Bereich der Unternehmensbesteuerung die Forderungen nach Entlastungen. Ob dies auch in anderen Feldern der Steuerpolitik gilt, werden die kommenden Beiträge zeigen.
¹ Durchschnittlicher Gewerbesteuerhebesatz 2023, Statistisches Bundesamt, https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Steuern/_Grafik/_Interaktiv/steuereinnahmen-hebesaetze-gewerbesteuer-laender.html
² Hebesätze deutscher Städte und Gemeinden 2024, DIHK, https://www.dihk.de/de/themen-und-positionen/wirtschaftspolitik/steuer-und-finanzpolitik/hebesaetze-56878