Als Grundlage für die kommenden Koalitionsverhandlungen bieten die Wahlprogramme einen nicht zu unterschätzenden Indikator, wie die Steuerpolitik in den nächsten vier Jahren aussehen könnte. Ein genauer Blick lohnt also, um gegen Überraschungen gewappnet zu sein. Im vierten Teil unserer Artikelserie dreht sich alles um ein neues Hauptbetätigungsfeld der Steuerpolitik, die als Lenkungsinstrument eine tragende Rolle im Klimaschutz spielen soll.
Spätestens mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Frühjahr dieses Jahres zum Bundesklimaschutzgesetz ist die Klimapolitik zu einem der wichtigsten Themen im Wahlkampf geworden. Alle aktuell im Bundestag vertretenen Parteien beschäftigen sich ausgiebig mit dem Thema in ihren Wahlprogrammen. Steuern sind durch ihre Lenkungswirkung eine dem Augenschein nach naheliegende Möglichkeit der Politik, klimaschädliches Verhalten zu sanktionieren und gleichzeitig Anreize für einen schonenderen Umgang mit natürlichen Ressourcen zu setzen. Dies gilt auch, wenn Erhebungs- und Entrichtungskosten, anderweitige Ausweicheffekte und Überlegungen, ob eine zielgenauere und vor allem kosteneffizientere Klimapolitik nicht mit anderen Maßnahmen schneller und besser erreichbar wäre, dabei gern aus dem Blickfeld geraten. Um den klimapolitischen Werkzeugkasten der Parteien adäquat abzubilden, bezieht dieser Beitrag über klassische Steuern hinaus weitere bedeutende klimapolitische Instrumente ein, wie z.B. den Emissionshandel oder die CO2-Bepreisung.
Am stärksten konzentrieren sich naturgemäß die Grünen auf den Klimaschutz. Doch in Anbetracht weitreichender regulatorischer und organisatorischer Vorschläge stehen ausgerechnet in Annalena Baerbocks und Robert Habecks Klimaschutz-Sofortprogramm steuerliche Maßnahmen eher in der zweiten Reihe. Stattdessen legt das Sofortprogramm Schwerpunkte u.a. auf den Ausbau erneuerbarer Energien, ein Vorziehen des Kohleausstiegs, ein Klimaschutzministerium mit Vetorecht und will die gesamte Ausgabenseite auf Klimaschutz trimmen („Bundeshaushalt als Klimahaushalt“). Das Wahlprogramm stellt dagegen noch eine umfassende – wenn auch nicht näher ausgeführte – Steuer- und Abgabenreform in Aussicht, um, so das Programm, die Sektorenkoppelung voranzubringen und damit Strom zu verlässlichen und wettbewerbsfähigen Preisen vorhanden ist.
Aus umweltökonomischer Sicht gilt der CO2-Emissionshandel als Herzstück der Klimapolitik, da er verbindliche Zielvorgaben mit einer effizienten Umsetzung verbindet. Grundsätzlich bekennen sich alle Parteien, außer der AfD und der Linken zum Emissionshandel und wollen diesen national wie international ausweiten. Für die FDP ist klar, dass die Klimaziele durch ein striktes und jährlich sinkendes CO2-Limit in einem umfassenden Emissionshandelssystem zuverlässig zu erreichen sind. Die Grünen wollen den EU-Emissionshandel reformieren, dabei die Zertifikate deutlich reduzieren und überschüssige Zertifikate löschen. Auch die Union setzt auf den Emissionshandel, der zunächst in der EU erweitert und schließlich global ausgebaut werden soll. Skeptisch ist die Linke, die den Emissionshandel als Leitinstrument sogar ablehnt, aber trotzdem als eine Maßnahme unter vielen beibehalten möchte.
Keine konkreten Pläne zum Emissionshandel hat die SPD, was allerdings keineswegs als Ablehnung des Instruments zu verstehen ist. Schließlich haben die Sozialdemokraten gerade erst mit der Union einen nationalen Emissionshandel mit CO2-Preis und festen Preissteigerungen eingeführt. Allerdings hält sich die Partei mit wenigen Ausnahmen auffällig mit Vorschlägen zurück, die dem Wähler als konkrete Rechnung für den Klimaschutz erscheinen könnten. Anders an dieser Stelle die Grünen, die den CO2-Preis schon 2023 auf 60 Euro erhöhen und danach stärker steigen lassen wollen als bisher vorgesehen. Die Union hat wohl ähnliches im Sinn, wenn sie unauffällig anmerkt, den „Aufwuchspfad der CO2-Bepreisung straffen“ zu wollen, was in der Interpretation nur heißen kann, dass CO2 rascher teurer werden soll.
Große Einigkeit besteht bei einem weiteren zentralen Baustein europäischer Klimapolitik, dem CO2-Grenzausgleich. Um EU-Unternehmen vor Nachteilen gegenüber internationalen Konkurrenten zu schützen, sollen bestimmte Importe auf das EU-CO2-Preisniveau hochgeschleust werden. Unterstützung für dieses Projekt bekunden Union, SPD, Grüne und Linke, die FDP spricht sich zumindest nicht dagegen aus. Die Grünen wünschen darüber hinaus auch eine EU-Plastiksteuer sowie, wie auch die Linke, eine EU-Kerosinsteuer. Subventionen beim Diesel will die Ökopartei abschaffen, vulgo: der Sprit soll teurer werden.
Doch die Parteien wollen die Bürger auch nicht über Gebühr belasten. So will eine ganz große Koalition aller Parteien die EEG-Umlage deutlich senken bzw. ganz abschaffen und die laufenden EEG-Fördermaßnahmen lieber aus dem Bundeshaushalt oder der CO2-Bepreisung finanzieren. Zur zusätzlichen und pauschalen Entlastung der Bürger versprechen die Grünen ein Energiegeld, die FDP eine Klimadividende und die SPD einen pro-Kopf-Bonus. Einen Rabatt soll es auch bei der Stromsteuer geben, wenn es nach einer ungewöhnlichen Koalition aus FDP und der Linken geht. Günstiger könnte es auch bei der Luftverkehrsteuer werden. Die FDP will die ungeliebte Steuer ganz abschaffen, die Union befürwortet das nur für Flüge mit alternativen Kraftstoffen. Die Union will außerdem Steuern und Abgaben beim Schienengüterverkehr „in den Blick nehmen“, womit, so bleibt zu hoffen, eine Senkung derselben zur Diskussion steht.
Klassische Anreize für ein klimafreundlicheres Verhalten versprechen die Unionsparteien. Bessere Abschreibung sollen für Klimaschutzinvestitionen aller Art gelten, ob energetische Gebäudesanierung, PV-Anlagenbau oder sonstige Klimatechnologien. Ähnliches haben sonst nur die Grünen im Programm, die immerhin Steuervergünstigungen für den Umbau zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung gewähren wollen.
Die Alternative für Deutschland grenzt sich beim Thema Klimapolitik am deutlichsten von den anderen Parteien ab, in dem sie eine Senkung der CO2-Emissionen kategorisch ablehnt und die „Klimakatastrophe“ als falsche These bezeichnet. Daher fordert sie eine Abschaffung jeglicher Formen der CO2-Besteuerung, der EEG-Umlage und auch der Luftverkehrsteuer.
Fazit: Trotz aller Unwägbarkeiten fällt die Vorhersage leicht, dass die Klimapolitik ein prägendes Thema der neuen Bundesregierung wird. Darin sind sich mit Ausnahme der AfD alle Parteien einig. Unterschiede ergeben sich – wenig überraschend – im Instrumentenkasten. Während vor allem die Liberalen den Fokus voll auf den Ausbau des Emissionshandels legen, gefallen sich die anderen Parteien in einer schier unüberschaubaren Flut an Einzelmaßnahmen. Wer genau hinsieht, mag gewisse Unterschiede darin zu erkennen, ob eher auf Fördermaßnahmen (Union, eingeschränkt Grüne) oder auf CO2-Verteuerung (SPD, Linke, Grüne) gesetzt wird.
Auffällig: Im wilden Spiel „linke-Tasche-rechte-Tasche“ traut sich keine Partei eine Aussage zu, was genau die ambitionierte Klimaschutzpolitik den einzelnen Bürger oder das einzelne Unternehmer am Ende eigentlich kosten soll. Eine explizite Kosten/Nutzen-Abwägung und Zielerreichungskontrollen spielen dabei im Wahlkampf auch keine Rolle, dabei wäre eine Diskussion, ob bspw. eine Spritverteuerung volkswirtschaftlich besser oder schlechter ist, als bspw. Investitionen in einen verstärkten Glasfaserausbau im ländlichen Raum zur Vermeidung von Arbeitswegstrecken, eine aus Sicht der Steuerzahler sinnvolle Sache. Insbesondere, wenn sich eine Tonne CO2 aktuell grob mit einem Betrag zwischen 10 und 20 US/Dollar (z.B. Projects – Gold Standard Marketplace) kompensieren lässt, während eine Tonne CO2-Einsparung mittels Elektromobilitätsförderung in Deutschland offenbar deutlich teurer ist (und bspw. nach Berechnungen der Deutschen Bank die Schwelle von EUR 1.000 pro Tonne übersteigen könnte (Vorfahrt der E-Mobilität vom Staat teuer erkauft – Deutsche Bank Research (dbresearch.de) ). Insofern würde sich mancher steuerzahlender Wähler vielleicht wünschen, dass neben (Nachhaltigkeits-)Zielen auch verstärkt über Maßnahmen und den Vor- und Nachteilen der Umsetzungswege diskutiert würde.
Richtig ist allerdings darüber hinaus, dass ein erheblicher Teil der Klimapolitik (Emissionshandel, Grenzausgleich, Energiesteuern) nicht in Berlin, sondern in Brüssel entschieden und nur sehr mittelbar durch die deutsche Bundestagswahl beeinflusst wird.