Parteien zur Bundestagswahl 2021 – Teil 3: Wer zahlt bei einkommen- und vermögensbezogenen Steuern drauf und wer darf jubeln?

Als Grundlage für die kommenden Koalitionsverhandlungen bieten die Wahlprogramme einen nicht zu unterschätzenden Indikator, wie die Steuerpolitik in den nächsten vier Jahren aussehen könnte. Ein genauer Blick lohnt also, um gegen Überraschungen gewappnet zu sein. Im dritten Teil unserer Artikelserie dreht sich alles um die Pläne der Parteien für die zukünftige Besteuerung von Einkommen & Vermögen.

Kein Wahlkampf ohne Vorschläge zum Einkommensteuertarif

Die FDP will den Tarif auf Diät setzen und den Mittelstandsbauch, die bekannte Ausbuchtung des Grenzsteuersatzes bei einem zu versteuernden Einkommen (zvE) von knapp 15.000 Euro, bis 2024 vollständig abschaffen. Außerdem soll der Spitzensteuersatz (42%) erst bei einem zvE von 90.000 Euro statt bislang bei knapp 58.000 Euro zuschlagen. Konkrete Zahlen nennen die Liberalen nicht, über den Daumen gepeilt dürfte die Steuerentlastung aber im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich liegen. Hinzu käme der Solidaritätszuschlag, der komplett wegfallen soll.

Wohl vor diesem Hintergrund geht die Union beim Steuertarif zaghafter voran. Sie stellt nur recht unkonkret die Entlastung von mittleren und kleineren Einkommen in Aussicht. Das Bonbon für Gutverdiener: Auch die Union will den Soli schrittweise für Alle abschaffen.

Steuerentlastungen vs. Steuererhöhungen

Steuererhöhungen nach der Bundestagswahl schließen beide Parteien dagegen kategorisch aus, stattdessen wollen sie „entlasten, entfesseln, investieren“ (FDP) und ein „Entfesselungspaket“ auf den Weg bringen (Union). Jedoch betonen Union und FDP gleichzeitig, wie wichtig eine solide Haushaltspolitik ist und bekennen sich zur Schuldenbremse. Dass selbst innerhalb der Union noch nicht ausdiskutiert ist, wie schlussendlich die genaue Balance zwischen Entfesselung und Konsolidierung aussehen soll, zeigt der jüngste Schlagabtausch zwischen Armin Laschet und Markus Söder. Während Laschet per Fernsehinterview das eigene Wahlprogramm teilweise einkassierte – „Steuererleichterungen im Moment, dazu haben wir nicht das Geld“ – erklärte Söder Steuersenkungen zum „Herzstück unserer Steuerpolitik“.

Einen anderen Ansatz verfolgen SPD und Grüne: Beide Parteien sind Steuerentlastungen gegenüber nur insofern aufgeschlossen, wie diese kleinen und mittleren Einkommen zugutekommen. Immerhin soll davon die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger profitieren. Dabei dürfte die Entlastung bei der SPD größer ausfallen, die offenbar den unteren Tarifbereich senken will. Die Grünen stellen dagegen lediglich einen erhöhten Grundfreibetrag in Aussicht. Gleichzeitig betonen beide Parteien allerdings, dass hohe Einkommen und Vermögen einen stärkeren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten müssten. Die Grünen wollen dazu einen Einkommensteuersatz in Höhe von 45% für Ledige/Verheiratete ab einem zvE von 100.000/200.000 Euro. Zusätzlich soll ein neuer Spitzensteuersatz von 48% ab 250.000/500.000 Euro eingeführt werden. Die SPD hat insoweit moderatere Vorschläge und will nur den bestehenden „Reichensteuersatz“ von 45% künftig schon ab 250.000/500.000 Euro berechnen. Derzeit kommt er erst ab ca. 275.000/550.000 Euro zvE zur Anwendung.

Radikale Umverteilungspläne über die Einkommensteuer hat sich die Linke auf die roten Fahnen geschrieben. Zwar soll der Grundfreibetrag noch auf 14.400 Euro angehoben werden, aber dann kommt es dicke. Ab 70.000 Euro zvE plant die Linke einen Steuersatz von 53% der ab 260.533 Euro auf 60% steigt, um bei 1 Million Euro sogar 70% zu erreichen. Das wäre dann wohl der endgültige Abgesang auf den Halbteilungsgrundsatz und eine solche Regierung müsste wohl zeitnah auch noch Handschellen einer verschärften Wegzugsbesteuerung auspacken.

Ehegattensplitting

Ein weiterer Klassiker der steuerpolitischen Diskussion ist das Ehegattensplitting, zu dem sich fast alle Parteien positionieren. SPD und Grüne wollen dem klassischen Ehegattensplitting die Scheidungspapiere ausstellen und es allenfalls noch für Bestandsehen (als Option) akzeptieren. Neue Ehepartner sollen im Grundsatz individuell besteuert werden, wobei ein nicht genutzter Grundfreibetrag übertragen werden kann. Die Linke sieht das genauso, unterscheidet aber nicht zwischen Bestands- und Neu-Ehen. In ewiger Treue zum Ehegattensplitting stehen dagegen Union und FDP. Die Union möchte mit der Berücksichtigung des vollen Grundfreibetrags für Kinder sogar in das Familiensplitting einsteigen. Einen Schritt weiter geht die AfD, die mit dem steuerlichen Familiensplitting und einem höheren Kinderfreibetrag nach eigenen Worten einen Paradigmenwechsel einleiten möchte, um Familien mit Kindern besserzustellen und gegen die niedrigen Geburtenrate vorzugehen.

Abgeltungsteuer

Etwas aus der Mode scheint hingegen der Ruf nach der „Abschaffung“ der Abgeltungsteuer. Nur die Linke fordert ultimativ, Kapitalerträge zukünftig nach dem normalen Einkommensteuertarif zu besteuern – das sollen ja rund 70 % werden. Die Grünen gehen etwas systematischer vor und wollen offenbar nur Zinserträge höher besteuern, während für auf Unternehmensebene vorbelastete Erträge das Teileinkünfteverfahren gelten soll. Die SPD enthält sich aus gutem Grund bei diesem Thema, hatte es Olaf Scholz doch vier Jahre in der Hand, auf Basis des letzten Koalitionsvertrags einen Gesetzentwurf zur „Abschaffung“ der Abgeltungsteuer auf Zinserträge vorzulegen. Er wird selbst am besten wissen, warum er diese Chance verstreichen ließ.

Erbschaft- und Vermögensteuer

Große Unterschiede tun sich bei der Erbschaft- und der seit 1996 nicht mehr erhobenen Vermögensteuer auf. Eine Wiedereinführung der Vermögensteuer oder Erhöhung der Erbschaftsteuer lehnen CDU/CSU wie auch die FDP kategorisch ab. Wie richtig sie damit bei der Vermögensteuer liegen, unterstrich ein 2017 veröffentlichte gemeinsame Studie des Ifo Instituts mit EY. „Die langfristigen Folgen sind ein deutlich geringeres Investitions-, Produktions- und Beschäftigungsniveau, als dies ohne Vermögensteuer der Fall wäre … Das Gesamtsteueraufkommen des Staates fällt infolge der Einführung einer Vermögensteuer langfristig geringer aus als ohne Vermögensteuer.“ Dem ist auch vier Jahre später nichts hinzuzufügen. Die AfD lehnt alle Substanzsteuern ab und tritt sogar für die Abschaffung z.B. der Erbschaftsteuer und der Grundsteuer ein.

Dies hindert aber Linke, Grüne und SPD nicht daran, erneut nach der Vermögensteuer zu rufen. Die Unterschiede der Modelle sind eher graduell. Grüne und SPD sehen Freibeträge für Betriebsvermögen vor und fordern einen relativ geringen Satz von 1%. Die Linke geht dagegen mit wuchtigen 5% ins Rennen. Damit noch nicht genug, vervollständigt die Linke ihren Enteignungskurs obendrein mit einer einmaligen progressiven Vermögensabgabe von 10-30%, die freundlicherweise in Raten über 20 Jahre abzustottern sein soll. Vermögensungleichheit wird damit als generell schlecht eingestuft, selbst wenn sie darauf beruht, dass bspw. ein Unternehmer im Rahmen seiner persönlichen Altersvorsorge im Erwerbsleben gespart hat, weil er keine Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung aufbaut und dann im Ruhestand entspart und sein Vermögen verkonsumiert. Begehrlichkeiten treten eben besonders ins Blickfeld, wenn man sich ein Auge zuhält.

Fazit:

Für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen stellen im Grunde alle Parteien Entlastungen in Aussicht. FDP und mit Abstrichen die Union wollen auch Gutverdiener entlasten, während SPD und Grüne diese etwas höher besteuern wollen und die Linke sogar eine dramatisch höhere Einkommensteuer im Sinn hat. Bei den vermögensbezogenen Steuern das gleiche Bild: SPD, Grüne und Linke unterscheiden sich nur im Umfang der geplanten Steuererhöhungen. FDP und Union lehnen Mehrbelastungen ab, die AfD will Substanzsteuern sogar auf breiter Front abschaffen. Auch wenn die Parteien das Wort selbst nicht mehr nutzen, bei der Besteuerung von Einkommen und Vermögen führen sie einen klassischen Lagerwahlkampf.

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