Bundeskabinett beschließt rentenpolitische Maßnahmen der Wachstumsinitiative

Das Bundeskabinett hat am 4.9.2024 eine Formulierungshilfe beschlossen, mit der die rentenpolitischen Maßnahmen der sog. Wachstumsinitiative umgesetzt werden: Das Arbeiten im Alter soll (noch) attraktiver werden.

Hintergrund

Früher in Rente gehen – oder doch lieber später? Schon heute ermöglicht das Rentenrecht unter bestimmten Voraussetzungen einen früheren Rentenbeginn oder aber – umgekehrt – einen späteren, nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze beginnenden Renteneintritt. Über die umfangreichen Gestaltungsmodelle informiert beispielsweise die Bundesregierung auf ihren Internetseiten mit einem umfangreichen FAQ-Katalog „Rund um die Rente“.

Zusammen mit dem Haushaltsentwurf 2025, der ab dem 10.9.2024 im Bundestag beraten wird, hat die Bundesregierung nach dem Wachstumsgesetz eine weitere „Wachstumsinitiative“ beschlossen, die der Wirtschaft einen zusätzlichen Impuls verleihen und Deutschland wettbewerbsfähig aufstellen will. Bestandteil dieser Wachstumsinitiative sind auch rentenpolitische Verbesserungen, die allerdings erst das parlamentarische Verfahren passieren müssen.

Geplante rentenpolitische Maßnahmen

Das jetzt vom Bundeskabinett im Wege einer Formulierungshilfe beschlossene rentenpolitische Paket, das Grundlage des nachfolgenden Gesetzgebungsverfahrens sein wird, hat im Kern vier Eckpunkte: Weiterlesen

Vorsicht beim Prüferwechsel: Wann Anleger misstrauisch werden sollten

Warum wechselt ein Unternehmen seinen Wirtschaftsprüfer? Dafür kann es verschiedene Gründe geben. So besteht beispielsweise für bestimmte börsennotierte Unternehmen eine Rotationspflicht. Wechselt ein Unternehmen aber bereits nach kurzer Mandatsdauer den Abschlussprüfer, ist Vorsicht geboten. Dies gilt auch, wenn es immer länger dauert, bis der geprüfte Abschluss vorliegt.

Wieso Unternehmen die Prüfungsgesellschaft austauschen

Seit der Reform des FISG im Anschluss an den Zusammenbruch von Wirecard müssen alle Unternehmen von öffentlichem Interesse, unabhängig von ihrer Branche, alle zehn Jahre ihre Prüfungsgesellschaft wechseln. Die Möglichkeit, das Mandat auf maximal 20 Jahre zu verlängern, wurde abgeschafft, sofern es sich nicht um Banken, Versicherungen oder Finanzinstitute handelt. Ziel der externen Rotationspflicht ist die Wahrung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers.

Es gibt aber auch andere Gründe, warum Unternehmen den Abschlussprüfer wechseln. Weiterlesen

„Das bisschen Haushalt macht sich von allein…“ – Bundeskabinett beschließt Haushaltsentwurf 2025 und Wachstumsinitiative

Ende August hat das Bundeskabinett nach längeren Verhandlungen den Entwurf des Bundeshaushalts 2025 beschlossen, der ab dem 10.9.2024 im Bundestag beraten werden soll. Bis zur Verabschiedung lauern im Parlament aber noch viele Untiefen

Hintergrund

„Das bisschen Haushalt macht sich von allein…“ – Dieser Refrain eines bekannten deutschen Musikschlagers lässt sich sicher nicht auf die Planung des Bundeshaushalts 2025 übertragen. Nach dem Urteil des BVerfG vom 15.11.2023 (2 BvF 1/22), mit dem das Nachtragshaushaltsgesetz 2021 für nichtig erklärt wurde und ein 60 Mrd.-Euro-Loch in den Bundeshaushalt riss – ich habe im Blog berichtet – wurden der Nachtragshaushalt 2023 verspätet verabschiedet, die Beschlussfassung über den Haushaltsplan für das Jahr 2024 sogar ins neue Jahr 2024 vertagt; vorübergehend waren nur Notausgaben in 2024 zulässig, für die eine rechtliche Verpflichtung bestand (Art. 111 Abs. 1 GG). Auch der inzwischen verabschiedete Haushalt 2024 war nach Einschätzung von Sachverständigen mit einer „erheblichen Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage“ belastet – das BVerfG wurde hiermit gottlob bislang nicht befasst.

Umfang des Bundeshaushalts 2025

Der Entwurf der Bundesregierung sieht für 2025 Einnahmen und Ausgaben in Höhe von rund 489 Mrd. Euro vor. Im laufenden Jahr 2024 steht etwa das gleiche Volumen zur Verfügung. Als Investitionen sind rund 81 Mrd. Euro ausgewiesen (2024: 70,82 Mrd. Euro). Für die kommenden vier Haushaltsjahre sind der Vorlage zufolge Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von insgesamt 107,2 Mrd. Euro vorgesehen.

Der Haushaltsentwurf sieht eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 51,3 Mrd. Euro vor. Der Wert liegt unter der laut Schuldenregel (Art. 115 GG) zulässigen Nettokreditaufnahme. Die Bundesregierung rechnet mit Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben in Höhe von 388,45 Mrd. Euro – das ist ein Plus von 13,9 Mrd. Euro im Vergleich zu 2024 (374,55 Mrd. Euro).

Die mittelfristige Finanzplanung sieht folgende Ausgaben vor: Weiterlesen

Wenn der Porsche 911 GT3 zu Ausstellungszwecken erworben wird …

Im Rahmen des NWB Experten-Blogs sind schon mehrfach Urteile vorgestellt worden, in denen es um den Betriebsausgaben- und/oder Vorsteuerabzug von Luxusfahrzeugen ging (z.B. „Vorsteuerabzug für die Anschaffung von Lamborghini und Ferrari„). Heute möchte ich zu dem Thema auf eine weitere FG-Entscheidung eingehen. Das Niedersächsische FG hat geurteilt, dass der Vorsteuerabzug für den Erwerb eines „Supersportwagens“ auch dann zu versagen sein kann, wenn dieser als Ausstellungsobjekt eines Kfz-Handels dienen soll, sich der Betrieb aber noch in der Planungsphase befindet (Niedersächsisches FG, Urteil vom 18.1.2024, 5 K 148/23).

Der Sachverhalt:

Der Kläger betreibt einen Mobilfunk-Shop. Daneben beabsichtigt er die Eröffnung eines Sportwagenzentrums. Im Jahr 2017 erwarb er dafür ein Grundstück in einem Gewerbegebiet und meldete im Jahr 2019 ein Gewerbe mit der Tätigkeit „An- und Verkauf von Fahrzeugen aller Art“ an. Im Jahr 2021 beantragte er eine entsprechende Baugenehmigung, die im September 2021 erteilt wurde. Hierfür hatte der Kläger durch ein Planungsbüro umfangreiche Zeichnungen und Berechnungen erstellen lassen. Im Mai 2021 erwarb der Kläger einen neuen Porsche 911 GT3 mit Touring-Paket zum Preis von 184.606,77 Euro zzgl. Umsatzsteuer.

Der Kläger beantragte den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Porsche. Das Fahrzeug befinde sich als Ausstellungsfahrzeug im Anlagevermögen des in Planung befindlichen Autohauses. Aus dem Umstand, dass er das Fahrzeug dem Unternehmensvermögen zugeordnet habe, ergebe sich, dass er dieses ausschließlich dafür einsetzen wolle. Der Porsche sei außerdem nur wenige Male verkauft worden und habe bereits im Zeitpunkt des Erwerbs eine Wertsteigerung erfahren. Er werde daher in jedem Fall einen Gewinn mit dem Fahrzeug erzielen, außerdem sei es aufgrund seiner Seltenheit geeignet, entsprechende Kundschaft anzuziehen. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug. Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg.

Die Begründung in Kurzform:

Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen für unangemessenen Repräsentationsaufwand entfallen, sind grundsätzlich nicht abziehbar. Dies bestimmt § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.  4 EStG. Bei den Aufwendungen für einen „Supersportwagen“ handelt es sich um einen solchen unangemessenen Repräsentationsaufwand. Allerdings greift das Abzugsverbot dann nicht, wenn der mit dem Kfz verfolgte Zweck Gegenstand einer mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübten Tätigkeit ist. Diese Rückausnahme ist auch für den Bereich der Umsatzsteuer maßgebend, so dass ein Vorsteuerabzug doch in Betracht kommen kann (§ 4 Abs. 5 Satz 2 EStG).

Im Urteilsfall kann eine solche Gewinnerzielungsabsicht nach Ansicht des FG durchaus bestanden haben. Allerdings war der Vorsteuerabzug damit noch nicht gerettet. Denn die Richter haben § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG geprüft – und letztlich angewandt. Danach sind Aufwendungen vom Betriebsausgabenabzug und mithin vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind.

Ob ein unangemessener betrieblicher Aufwand vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten die Aufwendungen ebenfalls auf sich genommen hätte. Zwar sei ein hochwertiger Porsche als Ausstellungsobjekt grundsätzlich dazu geeignet, den Geschäftserfolg eines Autohauses positiv zu beeinflussen, so dass der Kauf prinzipiell auch angemessen sein kann. Vorliegend sei aber zu berücksichtigen, dass das Autohaus noch gar nicht fertiggestellt ist und auch nicht absehbar ist, ob und wann dort jemals Fahrzeuge gehandelt werden. Der Kläger habe mit dem Unternehmensteil des Sportwagenhandels noch keinerlei Umsätze erzielt. Ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer würde zu diesem Zeitpunkt kein hochpreisiges Fahrzeug zu Ausstellungszwecken erwerben, sondern dies frühestens dann tun, wenn die Erzielung von Umsätzen in greifbare Nähe gerückt ist. Es komme hinzu, dass sich der Kläger allem Anschein nach für hochmotorisierte Fahrzeuge begeistert und zahlreiche hochwertige Sportwagen in seinem (Privat-)Besitz hat.

Denkanstoß:

Das FG führt aus, dass es durchaus angemessen sein kann, auch in der Gründungsphase eines Unternehmens bereits einen Pkw anzuschaffen, um damit die erforderlichen (vor-)unternehmerischen Tätigkeiten zu besorgen. Insofern hat das Urteil auch einen positiven Aspekt. Dennoch bleibt die Erkenntnis, dass beim Erwerb von hochpreisigen Kfz, die im Betriebs- und/oder Unternehmensvermögen gehalten werden, stets Vorsicht angebracht ist und Streitigkeiten mit dem Finanzamt vorprogrammiert sind.

Übrigens, nur am Rande: Ich erkenne derzeit eine gewisse Tendenz, dass manch Unternehmer eigentlich ein Liebhaber von PS-starken „Verbrennern“ ist, im Betriebsvermögen aber – zusätzlich – ein Elektroauto gehalten wird, weil dies bei – einigen – Kunden einen besseren Eindruck macht. Allerdings wird auch dann gerne auf einen Porsche Taycan oder einen Mercedes EQS 500 zurückgegriffen, die aber nur selten gefahren werden. Ich habe noch keinen Fall erlebt, in denen die Finanzämter die Kosten für luxuriöse E-Autos mit geringer Fahrleistung als Repräsentationsaufwand eingestuft hätten. Ich glaube aber, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis der erste Fall die Finanzgerichte erreichen wird.

 

Bundeskabinett will E-Auto-Absatz mit Steueranreizen ankurbeln

Die Bundesregierung hat am 4.9.2024 beschlossen, das sog. Steuerfortentwicklungsgesetz um eine Sonderabschreibung für vollelektrische und emissionsfreie Fahrzeuge zu ergänzen, ferner den Vorteil der Dienstwagenbesteuerung für reine Elektro-Fahrzeuge zu erweitern. Hilft das dem Absatz von E-Autos entscheidend weiter?

Hintergrund

Die deutsche Automobilindustrie war über Jahrzehnte ein zentrales Zugpferd der deutschen Wirtschaft, das Beschäftigung im Inland, Wachstum und damit Wohlstand in der deutschen Volkswirtschaft sichert. Doch der einstige Musterknabe ist zum Patienten geworden, die Absatzzahlen gehen zurück, vor allem angesichts der Verschiebungen auf den Weltmärkten, vor allem in China und Indien.

Ein „Dienstwagen“ gilt steuerlich als geldwerter Vorteil, der zum Einkommen zählt, das wiederum über die Steuerlast entscheidet. Bislang gilt: Ein Dienstwagen mit Verbrennermotor wird mit monatlich einem Prozent des Bruttolistenpreises kalkuliert. Für Elektroautos werden noch bis zum Jahr 2030 lediglich 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises zur Versteuerung herangezogen, wenn das der Bruttolistenpreis nicht höher als 60.000 Euro (seit 1.1.2024 70.000 Euro) ist. Ist der E-Dienstwagen in der Anschaffung teurer, zählen 0,5 Prozent des Bruttolistenpreises als geldwerter Vorteil.

Für Hybridfahrzeuge gelten unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls vergünstigende Regelungen. Wird ein Hybridfahrzeug als Dienstwagen gewählt, zählen monatlich 0,5 Prozent seines Bruttolistenpreises als geldwerter Vorteil. Das Fahrzeug muss extern aufladbar sein (also nur Plug-in Hybride), der CO2-Ausstoß darf höchstens 50 Gramm pro Kilometer betragen und die rein elektrische Reichweite muss bei mindestens 60 Kilometern liegen (ab dem Jahr 2025 mindestens 80 Kilometer).

Hinzukamen in der Vergangenheit staatliche Kaufprämien für E-Autos, die allerdings für gewerbliche Halter zum 1.9.2023 auslief. Seitdem ist der Einbruch bei Neuzulassungen von E-Autos dramatisch. Nach veröffentlichten Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes vom August 2024 fiel mit 27.000 Neuwagen diese Antriebsart um fast 70 Prozent hinter die Zahlen des Vormonats zurück. Nur noch knapp 14 Prozent der Neuzulassungen waren batterieelektrische Autos.

Inhalt der steuerlichen Förderinitiative für E-Autos Weiterlesen

Verbesserungen beim Schüler und Studenten-BAföG ab Herbst 2024

Mit der neuen BAföG-Reform 2024 werden Schüler mit Beginn des neuen Schuljahres, Studierende ab dem Wintersemester 2024/25 finanziell entlastet und erhalten mehr Flexibilität während des Studiums. Wie können Schüler und Studierende profitieren?

Hintergrund

Das  Bundes-Ausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ermöglicht seit mehr als 50 Jahren vielen Menschen eine qualifizierte Ausbildung und damit einhergehende bessere berufliche Chancen. Bereits 2022 hatte die Bundesregierung – wie im Koalitionsvertrag verabredet – eine BAföG-Reform auf den Weg gebracht, die zum 1.8.2022 in Kraft getreten ist (Gesetz vom 15.7.2022 /BGBl 2022 I S. 1150). Diese beinhaltete neben einer Anhebung des Förderhöchstalters finanzielle Verbesserungen bei der Grundförderung und beim Wohnbedarfszuschlag sowie Anhebung der Freibeträge beim berücksichtigungsfähigen Elterneinkommen.

Was ändert sich jetzt ab Herbst 2024?

Das 29. BAföG-Änderungsgesetz, das am 25.7.2024 in Kraft getreten ist (29. BAföGÄndG v. 19.7.2024, BGBl 2024 I 2024 Nr. 249 v. 24.7.2024), verbessert nun abermals die Förderbedingungen für anspruchsberechtigte Schüler bzw. Studierende, die in FAQ des BMF umfangreich beantwortet werden (FAQ zur BAföG-Reform 2024 | Bundesregierung): Weiterlesen

Krankenversicherung: Kostenerstattungsverfahren und Sonderausgabenabzug – keine gute Kombination

Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sind unbegrenzt als Vorsorgeaufwendungen abziehbar. Gleiches gilt für Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung, soweit es um die Beitragsanteile für eine Basisabsicherung geht. Aufwendungen für eine private Zusatzkrankenversicherungen sind nur im Rahmen von geringen Höchstbeträgen abziehbar – und die sind zumeist bereits durch andere Versicherungen „verbraucht“.

Das FG Nürnberg hat entschieden, dass auch bei Wahl des Kostenerstattungsverfahrens in der gesetzlichen Krankenversicherung Zusatzbeiträge nicht abzugsfähig sind, wenn der Höchstbetrag bereits anderweitig ausgeschöpft ist (FG Nürnberg, Urteil vom 20.7.2023, 8 K 431/22). Das Gericht hatte die Revision nicht zugelassen; der BFH hat die Nichtzulassungsbeschwerde nun zurückgewiesen (BFH-Beschluss vom 17.7.2024, X B 104/23).

Der Sachverhalt:

Der Kläger war freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert und hatte private Zusatzkrankenversicherungen (PKV) abgeschlossen. Letztere wirkten sich aufgrund der Ausschöpfung des Höchstbetrages steuerlich nicht aus. Der Kläger meinte aber, dass die Beiträge zur Zusatzversicherung anteilig neben den Beiträgen an die GKV zu berücksichtigen seien, denn er hätte an Stelle der Sach- und Dienstleistungen durchgehend das Verfahren der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt.

Um auf das gleiche Versicherungsniveau zu kommen wie ein im PKV-Basistarif Versicherter, müsse die GKV durch einen privaten Tarif ergänzt werden, der für das Kostenerstattungsverfahren die Lücke zwischen den Erstattungen der GKV und denjenigen einer PKV nach Basistarif schließe. Doch Finanzamt, FG und nun auch der BFH ließen sich nicht überzeugen.

Die Begründung:

Die maßgebende Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG spricht von den zur Erlangung eines durch das SGB XII bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlichen Aufwendungen. Hieraus folgt, dass, wenn bereits eine Basisabsicherung in der GKV besteht, eine private Versicherung für die bereits abgesicherten Leistungen zur Erlangung des sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus nicht erforderlich ist.

Soweit die Kläger statt der regelmäßigen Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 SGB V) die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt haben und gerade dadurch die von ihnen beschriebene Deckungslücke entstanden sein sollte, die sie wiederum durch den Abschluss privater Zusatzkrankenversicherungsverträge geschlossen haben, beruht dies auf ihrer freiwilligen Entscheidung für diesen Abrechnungsmodus. Die fehlende Inanspruchnahme der Sach- und Dienstleistungen ändert aber nichts daran, dass diese bereits ein sozialhilfegleiches Versorgungsniveau gewährleisten. Weitere Beiträge für zusätzliche Versicherungen begründen insoweit eine doppelte Absicherung und sind nicht mehr im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Satz 1 EStG „erforderlich“.

Der BFH hält eine weitere Klärung nicht für erforderlich und schließt sich argumentativ den Ausführungen des FG an.

Denkanstoß:

Den Ausführungen des FG und des BFH ist sicherlich zuzustimmen – soweit es um den Wortlaut des Gesetzes geht. Wovon sich die Gerichte aber immer mehr entfernen ist die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Besser gesagt thematisieren sie das nicht mehr.

Etwas plakativ ausgedrückt lässt sich dem Urteil des FG und dem Beschluss des BFH entnehmen, dass der Gesetzgeber lediglich das steuerliche Existenzminimum unangetastet lassen muss und bis zu diesem geringen Betrag letztlich alles besteuern darf – unerheblich, ob dadurch die Leistungsfähigkeit in einem Maße gemindert wird, dass sich (Mehr-)Arbeit nicht mehr lohnt. Die Zeiten eines Professors Paul Kirchhof, der immerhin den Mut hatte, den so genannten Halbteilungsgrundsatz aufzustellen (auch wenn er damit gescheitert ist), sind wohl ein für alle Mal vorbei. Leider.

BMF veröffentlicht Entwurf für ein Zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG II)

Am 1.1.2024 ist das Zukunftsfinanzierungsgesetz in Kraft getreten, jetzt hat das BMF in Umsetzung der Wachstumsinitiative einen Entwurf für ein Zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz vorgelegt. Worum geht es ?

Hintergrund

Am 1.1.2024 ist das Zukunftsfinanzierungsgesetz (BGBl. 2023 I Nr. 354 v. 14.12.2023) in Kraft getreten, das am 24.11.2023 hat der Bundesrat dem sog. Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) zugestimmt, das der Bundestag am 17.11.2023 beschlossen hatte. Damit wurden ab 1.1.2024 vor allem die Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmen gefördert und verbessert. Das ZuFinG enthält Regelungen zum Gesellschaftsrecht, Kapitalmarktrecht und Steuerrecht (siehe näher Jahn, NWB Sanieren 2024, 11).

Worum geht es im ZuFinGII?

Der jetzige Gesetzentwurf für ein ZuFinG II verfolgt das Ziel (aufbauend auf dem im letzten Jahr verabschiedeten Zukunftsfinanzierungsgesetz) die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität des Finanzstandortes Deutschland weiter zu stärken und insbesondere die Finanzierungsoptionen für junge, dynamische Unternehmen zu verbessern. Weiterlesen

Aktivierte Entwicklungskosten: Warum Sie bei einer hohen Aktivierungsquote genauer hinschauen sollten

Lohnt sich Forschung und Entwicklung? Diese Frage hatte ich vor vielen Jahren in meiner Doktorarbeit gestellt. Das Ergebnis meiner empirischen Studie: Zumindest in der Wirtschaftskrise wirken sich Forschungs- und Entwicklungskosten nicht positiv auf den Aktienkurs eines Unternehmens aus. Doch das Thema ist nicht nur für börsennotierte Unternehmen relevant.

Alle Unternehmen mit F&E-Aktivitäten können bilanzpolitische Spielräume nutzen, um ihre Gewinne zu steigern. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist dies häufiger der Fall. Damit ist das Thema meiner Dissertation wieder hochaktuell, denn ich habe damals die Jahre der Finanzkrise empirisch untersucht.

Wieso die Aktivierung der Entwicklungskosten branchenabhängig ist

Für die Aktivierung von Entwicklungskosten in der IFRS-Bilanz müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Beispielsweise muss eine zuverlässige Abgrenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungskosten möglich sein. Genau aus diesem Grund ist die Aktivierung von Entwicklungskosten auch branchenabhängig. Denn nur diese dürfen überhaupt aktiviert werden. Für Forschungskosten gilt ein explizites Aktivierungsverbot, die angefallenen Kosten sind im Jahr ihrer Entstehung sofort als Aufwand zu erfassen. Entwicklungskosten liegen nur dann vor, wenn die Forschungsergebnisse auch genutzt werden können.

Betrachtet man beispielsweise die Bilanzen von Pharmaunternehmen, so findet man nur selten aktivierte Entwicklungskosten. Dies liegt einfach daran, dass über viele Jahre Unsicherheit darüber besteht, ob die Entwicklungen jemals zu Einzahlungsüberschüssen am Markt führen werden. Dies ist eine weitere Voraussetzung, die in einigen Fällen nicht erfüllt sein dürfte. Anders verhält es sich in der Automobilindustrie, in der erfahrungsgemäß ein hoher Anteil der anfallenden Kosten als Entwicklungskosten aktiviert wird. Denn anders als bei einem Pharmakonzern stellt sich hier nicht die Frage, ob das Medikament jemals auf den Markt kommen wird, sondern vielmehr, wann das neue Modell am Markt verkauft werden kann.

Wieso man bei einer hohen Aktivierungsquote genauer hinschauen sollte

Die Kennzahl Aktivierungsquote findet sich beispielsweise in den Geschäftsberichten von Automobilherstellern. Sie gibt den Anteil der aktivierten Entwicklungskosten an den gesamten Forschungs- und Entwicklungskosten an. Je höher die Aktivierungsquote, desto geringer sind die Aufwendungen, die den Gewinn schmälern.

Ein interessantes Beispiel: Die Porsche AG hat eine hohe Aktivierungsquote, die in den letzten Jahren sehr große Sprünge nach oben gemacht hat. Im Geschäftsjahr 2019 lag sie noch bei 44 %, im Geschäftsjahr 2023 bei knapp 74 %. Das entspricht einer Steigerung der Kennzahl um 70 %. Das ist eine ganze Menge.

Aber Vorsicht: Ich kann fachlich nicht beurteilen, was bei der Porsche AG in den letzten Jahren passiert ist, dass der Anteil der aktivierten Entwicklungskosten so deutlich gestiegen ist. Aber als Bilanzexpertin bin ich vorsichtig: Denn hohe Aktivierungen heute bedeuten auch höhere Abschreibungen in der Zukunft. Als Aktionärin der Porsche AG würde ich auf jeden Fall auf der Hauptversammlung nachfragen, warum die Aktivierungsquote in den letzten Jahren so stark gestiegen ist.

Im Jahr 2023 wurden Entwicklungskosten in Höhe von 2 Mrd. € aktiviert. Dies ist angesichts eines Gewinns vor Steuern von 5 Mrd. € ein beachtlicher Betrag. Aber auch die Abschreibungen auf die in der Vergangenheit aktivierten Entwicklungskosten sind nicht mehr unerheblich: Sie belaufen sich im Geschäftsjahr 2023 auf knapp eine Mrd. €.

Und wie so oft gilt auch hier: Die amerikanische Börsenweisheit. Gewinn ist Ansichtssache, Cashflow Tatsache. Denn dem Cashflow ist es völlig egal, ob Entwicklungskosten aktiviert werden oder nicht. Er honoriert nur die Kundeneinlagen, die durch erfolgreiche F&E-Aktivitäten in neue Produkte fließen.

Insbesondere bei einer hohen Aktivierungsquote ist zu prüfen, wie der Gewinn ohne Aktivierung aussehen würde. Langfristig zeigt sich dies zwar in den Abschreibungen, aber bis dahin vergeht einige Zeit.

Weitere Informationen:

Die Zeit wird knapp: Schlussabrechnungsfrist für Corona-Wirtschaftshilfen endet am 30.9.2024

Die Einreichungsfrist der Schlussabrechnung der Corona-Hilfen endete am 31.10.2023. Sofern eine Fristverlängerung beantragt wurde, ist die Schlussabrechnung durch prüfende Dritte bis spätestens 30.9.2024 einzureichen.

Jetzt hat der DStV einen letzten Appell an alle Berufsträger gerichtet, die als Prüfende Dritte in das Verfahren eingebunden sind, ihre Kanzleiorganisation danach auszurichten und – soweit nicht bereits geschehen – tätig zu werden.

Hintergrund

Mit den Corona-Wirtschaftshilfen (Überbrückungshilfen, November- und Dezemberhilfen) wurden im Zeitraum Juni 2020 bis Juni 2022 Unternehmen und Selbständige mit erheblichen coronabedingten Umsatzrückgängen vom Bund unterstützt. Da die Corona-Wirtschaftshilfen steuerfinanziert sind, war von Beginn an ein nachträglicher Abgleich der Prognoseangaben mit der tatsächlich realisierten Geschäftsentwicklung in einer Schlussabrechnung vorgesehen: Dies kann zu einer Nachzahlung oder aber zur Rückzahlung erhaltener Subventionen führen.

Die Schlussabrechnung erfolgt über die digitale Antragsplattform des Bundes unter verbindlicher Einbindung von prüfenden Dritten, also Rechtsanwälten oder den Angehörigen der steuerberatenden Berufe; die damit zusammenhängenden Fragen hat das BMWK auf seinen Internetseiten in FAQ beantwortet.

Steuerberaterverband mahnt Schlussabrechnung an

BStBK, WPK, BRAK und DStV haben sich frühzeitig und wiederholt für Verfahrenserleichterungen und beschleunigte Prüfprozesse stark gemacht, um eine effiziente Abarbeitung der noch offenen Schlussabrechnungen zu ermöglichen. Die Verbände und Kammern haben auch die Fristverlängerung bis 30.9.2024 mit dem BMWK verhandelt, insbesondere mit dem Ziel, dass prüfende Dritte, welche unverschuldet außer Stande sind, die Schlussabrechnung fristgerecht einzureichen, im Einzelfall bei den Bewilligungsstellen eine Einreichung nach Ablauf der Frist beantragen können.

Mit dem Appell an die Berufsträger unter Einhaltung der Frist tätig zu werden, hat der DStV jetzt auch darauf hingewiesen, dass das BMWK zwischenzeitlich auch einen „Ergänzenden Leitfaden Verbundunternehmen“ veröffentlicht hat. Der Leitfaden gibt unter anderem Hilfestellung zur Behandlung von sog. Familienverbünden und Schaustellern sowie von Fonds- und Beteiligungsgesellschaften.

Können Angehörige der steuerberatenden Berufe kurzfristig das Mandat niederlegen?

Da es eine weitere Fristverlängerung über den 30.9.2024 hinaus nicht geben wird und die Angehörigen der steuerberatenden Berufe angesichts von rund 300.000 offener Schlussabrechnungen (Stand Ende Juli 2024 laut BMWK) hoffnungslos überlastet sind, stellt sich die Frage, ob die Berufsträger erteilte Prüfungs- und Abrechnungsmandate nicht kurzfristig niederlegen können (hierzu näher Ruppert, NWB 2024, S. 2438). Weiterlesen