Ifo-Geschäftsklimaindex: Deutsche Wirtschaft stark getrübt!

Im August veröffentlichte das ifo-Institut erneut seinen bekannten Geschäftsklimaindex. Dieser zeugt erneut von einer betrübten Stimmung in deutschen Unternehmen.

Hintergrund

Der bewährte ifo-Geschäftsklimaindex beruht auf einer monatlichen Umfrage unter mehr als 9.000 Unternehmen aus Handel, Bau- und Verarbeitendem Gewerbe zu ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Lage. Die Ergebnisse dieser Umfrage bilden die Grundlage für den ifo-Konjunkturtest, aus dem der ifo-Geschäftsklimaindex abgeleitet wird. Er gilt als ein Frühindikator für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Gewährt man ihm diese Wirkung zu, so sind die aktuellen Indexaussagen als eine Art Warnung zu interpretieren.

Erneutes Absinken im August

Nach einem Wert von 87 Punkten im Juli sank der Wert im August auf 86,6 Punkte. Die Unternehmen beurteilten ihre Lage insgesamt als schlechter, ihre Erwartungen an die zukünftige wirtschaftliche Lage fiel pessimistischer aus. Hierzu merkt das ifo Institut selbst an: „Die Stimmung der Unternehmen in Deutschland ist im Sinkflug“.

Verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistungssektor besonders betroffen

Vor allem im verarbeitenden Gewerbe hat der Index merklich nachgegeben. Die Experten zeigen auf, dass die Unternehmen hier deutlich unzufriedener mit den laufenden Geschäften waren als noch in der Periode vorher. Die Erwartungen fielen auf den niedrigsten Wert seit Februar 2024. Gerade in dieser Branche klagen die Unternehmen sehr über rückläufige Auftragsbestände. Insbesondere die Hersteller von Investitionsgütern sind in einer schwierigen Lage. Im Dienstleistungssektor steht das schlechte Geschäftsklima im Vordergrund der Auswertungen. Dieses war insbesondere auf skeptischere Erwartungen zurückzuführen. Zudem verschlechterte sich die aktuelle Lage. Unverändert ist der Index im Baugewerbe. Zwar trübten sich auch hier die Erwartungen der Unternehmen, allerdings war eine höhere Zufriedenheit als in den Monaten zuvor ausgewertet worden.

Schwierige Lage für viele Unternehmen

Die Lage für viele Unternehmen bleibt schwer. Fraglich ist jedoch, warum auf die vor einigen Monaten noch recht guten Geschäftsaussichten keine reale Verbesserung der Geschäftslage folgt. Eine valide Antwort hierauf fehlt.

Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfrage, führt dazu aus: „Der Konsum kommt nicht in die Gänge.“ Ferner trauen seiner Meinung nach die Verbraucher dem Rückgang der Inflation noch nicht so richtig. Uns weiter konstatiert er: „Wir sehen eine Investitionsschwäche. Diese sei „getrieben durch wirtschaftspolitische Unsicherheit.“ Auch klagten Unternehmen zudem noch immer über einen Auftragsmangel, und zwar durch alle Branchen.

Anreize für Unternehmen von entscheidender Bedeutung

Die zentrale Frage bleibt: Wie kann eine Wende bei den vielen, für den Wirtschaftsstandort Deutschland entscheidenden kleinen, mittelgroßen und großen Unternehmen errungen werden? Die Frage ist nicht trivial, sie beschäftigt Wissenschaftler, Verbände und Unternehmen seit langem. Neben Faktoren, die auf externe Einflüsse zurückzuführen sind, dürfte zumindest eine bürokratieärmere Verwaltung, eine vereinfachte Besteuerung und verbesserte Abschreibung von Investitionen dazu beitragen können.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Stimmung in den letzten Monaten dieses Jahres weiter verändern wird.

Weitere Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrags und Kinderfreibetrags im Bundestag

Gute Nachricht für Steuerzahler: Zur Sicherung des steuerlichen Existenzminimums sollen der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag in 2024, 2025 und 2026 angehoben werden. Was ist konkret geplant?

Hintergrund

Aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG muss das Existenzminimum jederzeit steuerfrei gestellt werden. Deshalb legt nach einem Beschluss des Bundestages aus dem Jahr 1995 (BT-Beschluss v. 2.6.1995, BT-Drs. 13/1558 vom 31.5.1995) die Bundesregierung alle zwei Jahre einen Bericht über die Höhe des von der Einkommensteuer freizustellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern (Existenzminimumbericht) vor. Auf dessen Basis müssen der Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag entsprechend angepasst werden. Der Ausgleich der kalten Progression ist sicherzustellen, damit die Inflation insbesondere auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht die Lohnzuwächse auffrisst und ihnen netto ein angemessener Teil des Lohns verbleibt.

Nachdem das sog. Bürgergeld zum 1.1.2024 angehoben wurde, muss jetzt auch ein entsprechender Ausgleich der kalten Progression für die Steuerzahler erfolgen. Dies soll für das laufende Jahr durch ein auf den 1.1.2024 rückwirkendes Steuergesetz, für die Zeit ab 1.1.2025 durch das sog. Steuerfortentwicklungsgesetz (StFeG, vorher: Zweites JStG 2024) erfolgen.

Was ist konkret geplant?

Die Sicherung des steuerlichen Existenzminimums will die Bundesregierung jetzt mit zwei Gesetzesinitiativen gewährleisten. Weiterlesen

Entfernungspauschale: Wann kann die verkehrsgünstigere Straßenverbindung angesetzt werden?

Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte werden mit der Entfernungspauschale berücksichtigt. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG). Die Betonung liegt auf den Worten „offensichtlich verkehrsgünstiger“ und „regelmäßig“.

Das Niedersächsische FG hat entschieden, dass es nicht ausreicht, wenn die Umwegstrecke bei extremen Stauverhältnissen auch ´mal verkehrsgünstiger und schneller sein kann als die kürzere Verbindung. Entscheidend sei vielmehr, dass die erste Tätigkeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen durch Benutzung der Umwegstrecke in der Regel schneller und pünktlicher erreicht wird (Niedersächsisches FG, Urteil vom 3.4.2024, 9 K 117/21). Weiterlesen

Änderungen der umsatzsteuerlichen Kleinunternehmerregelung auf dem parlamentarischen Weg

Das Bundeskabinett hat am 10.9.2024 den am 5.6.2024 beschlossenen Entwurf eines JStG 2024 in den Bundestag eingebracht (BT-Drs. 20/12780). Hierbei soll auch die Kleinunternehmerregelung im Umsatzsteuerrecht geändert werden. Was bedeutet das?

Hintergrund

Die Umsatzsteuer, die ein Kleinunternehmer (KMU) schuldet, wird nicht erhoben, wenn sein Umsatz zuzüglich der hierauf entfallenden Umsatzsteuer im vorangegangen Jahr 22.000 € nicht übersteigen hat und im laufenden Jahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird (§ 19 Abs. 1 UStG). Es handelt sich bei der KMU-Regelung um ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen. An die Erklärung, auf die KMU-Regelung zu verzichten, ist der Unternehmer mindestens für fünf Jahre gebunden (§ 19 Abs. 2 UStG).

Die Kleinunternehmerregelung bietet vor allem Unternehmen zu Beginn ihrer Tätigkeit und kleineren Unternehmen eine Reihe von Vorteilen: Leistungen können ohne Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden, es muss keine monatliche oder quartalsweise Umsatzsteuer-Voranmeldung beim Finanzamt abgegeben werden und in der Buchführung muss nicht zwischen Brutto- und Nettobeträgen unterschieden werden. Ein Nachteil ist aber, dass bei von anderen Unternehmern in Rechnung gestellter Umsatzsteuer kein Vorsteuerabzug erfolgen kann; dies ist insbesondere bei hohen Investitionen ein Nachteil.

Welche Änderungen sind geplant?

Durch den neuen Art. 21 des JStG 2024 soll über die bisherigen umsatzsteuerlichen Änderungen hinaus auch § 19 UStG geändert und erweitert (§19a UStG n.F.) werden, die die umsatzsteuerliche Kleinunternehmerregelung betrifft (BT-Drs. 20/12780, S. 55  ff). Maßgeblich ist nach der Gesetzesbegründung das Europarecht, d.h. die EU-RL 20202/285 v. 18.2.2020 zur Änderung der RL 2006/112/EG v. 28.11.2006. Danach sind im UStG für KMU folgende Änderungen geplant: Weiterlesen

Corporate Litigation im Mittelstand & Prozessfinanzierung (Teil 1)

Rationale Apathie vs. „Kampf ums Recht“

Bei Streitigkeiten im Gesellschafterkreis und bei Managerhaftungsprozessen spielt seit über 20 Jahren das sogenannte Third Party Funding (Fremdfinanzierung von Prozessen) eine gewisse Rolle. Rechtlich komplexe Streitfragen im Zusammenhang mit derartigen Prozessfinanzierungen werden Schritt für Schritt von der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Es greift aber nicht nur die (gewerbliche) Fremdfinanzierung von Gerichtsprozessen Platz. In der Corporate Litigation-Praxis kommt es immer wieder zu Situationen, in denen Gesellschafter Haftungsprozesse des eigenen Unternehmens gegen ihre Geschäftsführer finanzieren.

In letzter Zeit waren ich in meiner Funktion als Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei ROSE & PARTNER immer mal wieder mit der Prozessfinanzierungen befasst. Dieses Litigation Finance-Thema führt im Schrifttum ein gewisses Schattendasein, obgleich es sehr spannend ist. Das Thema hat viele Facetten und berührt diverse Rechtsmaterien (Corporate, Prozessrecht, Insolvenzrecht, Finance etc.). Mit diesem Beitrag möchte ich verschiedene Blickwinkel auf das Thema richten.

Gerichtliche Prozesse im Gesellschaftsrecht und vor allem Gesellschafterstreitigkeiten sind geprägt von einem hohen Kosteneinsatz. Schließlich hat die Einschaltung spezialisierter Anwälte ihren Preis. Nicht selten stellt sich wegen der hohen Kosten, Prozessrisiken und der gesetzlichen Prozesskostenverteilung vor allem in der Unternehmenskrise eine rationale Apathie ein. Dieser entgegen wirkt die Fremdfinanzierung von Prozessen. Mit ihr lassen sich einfacher berechtigte Ansprüche in aussichtsreichen Verfahren durchsetzen. Sie sie erleichtert den „Kampf ums Recht“ und trägt insoweit der Justizgewähr Rechnung.

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Grundfreibeträge 2023 und 2024 verfassungswidrig? Die nächste Einspruchswelle rollt

Die Finanzämter kämpfen derzeit noch mit der Einspruchsflut gegen die Festsetzung der neuen Grundsteuerwerte, da rollt auch schon die nächste Welle heran: Es wird in den Finanzämtern in Kürze wohl hunderttausende Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2023 und die Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheide 2024 geben. Was ist geschehen?

Zunächst zum Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht hatte vor über 25 Jahren entschieden: Das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum bildet die Grenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum, die über-, aber nicht unterschritten werden darf (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, 2 BvL 42/93). Im Klartext: Wenn der Gesetzgeber der Auffassung ist, dass das sozialhilferechtliche Existenzminimum beispielsweise bei 12.000 Euro liegt, muss der steuerliche Grundfreibetrag ebenfalls bei – mindestens – 12.000 Euro liegen.

Nun kommt es: Weiterlesen

Dritte Antragsphase der Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude (BEG-EM) gestartet

Seit 27.8.2024 können jetzt auch Unternehmen, Eigentümerinnen und Eigentümer vermieteter Einfamilienhäuser sowie Wohneigentümergemeinschaften (WEG) bei Maßnahmen am Sondereigentum sowie Kommunen die Heizungsförderung bei der KfW beantragen. Damit startet der Bund die dritte Förderstufe bei der Umsetzung des sog. Heizungsgesetzes.

Hintergrund

Am 1.1.2024 ist das neue Gebäudeenergiegesetz (GEG, BGBl. 2023 I Nr. 280 v. 19.10.2023) in Kraft getreten. Das umstrittene sog. „Heizungsgesetz“ – ich habe im Blog wiederholt dazu berichtet – soll in Deutschland die Energiewende im Gebäudebereich einleiten. Seit 1.1.2024 ist der Umstieg auf Erneuerbare Energien beim Einbau neuer Heizungen in Wohngebäude und Nichtwohngebäuden verpflichtend. Der Bund fördert den Austausch alter, fossiler Heizungen durch Heizungen auf Basis Erneuerbarer Energien mit bis zu 70 Prozent Investitionskostenzuschuss. Weitere Maßnahmen zur energetischen Sanierung werden weiterhin mit bis zu 20 Prozent gefördert. Neu erhältlich ist auch ein für viele Antragstellende zinsvergünstigter Ergänzungskredit zur Finanzierung dieser Maßnahmen.

Grundlage hierfür ist die vom BMWK erarbeitete und vom Haushaltsausschuss des Bundestages beschlossene Förderrichtlinie Bundesförderung für effiziente Gebäude – Einzelmaßnahmen (BEG-EM, BAnz AT v. 29.12.2023 B 1), die seit 1.1.2024 die Beantragung von Fördermitteln ermöglicht. Bereits seit 27.2.2024 sind für selbstnutzende Eigentümerinnen und Eigentümer neben der Grundförderung zusätzlich ein Klimageschwindigkeits- und ein Einkommens-Bonus und damit insgesamt bis zu 70 Prozent Zuschuss erhältlich. Für Eigentümerinnen und Eigentümer von Mehrfamilienhäusern sowie WEG für Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum war die Antragsstellung seit 28.5.2024 möglich. Zudem steht auch ein neuer Ergänzungskredit zur Finanzierung zur Verfügung.

Dritte Förderphase gestartet

Seit 27.8.2024 kann nun auch die die dritte (letzte) Antragsgruppe Förderanträge stellen. Hierzu zählen Unternehmen, Eigentümerinnen und Eigentümer vermieteter Einfamilienhäuser sowie Wohneigentümergemeinschaften (WEG) bei Maßnahmen am Sondereigentum die Heizungsförderung bei der KfW beantragen. Für Vorhaben von Kommunen gelten besondere Regelungen.

Beantragt werden kann die Grundförderung von 30 Prozent der förderfähigen Investitionskosten, plus fünf Prozent Effizienz-Bonus für besonders effiziente Wärmepumpen (also insgesamt bis zu 35 Prozent Förderung) oder einen Emissionsminderungszuschlag von pauschal 2.500 Euro für besonders effiziente Biomasse-Heizungen. Die Förderung erfolgt in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses und einen Ergänzungskredit, der über die Hausbank bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zu beantragen ist.

Ab sofort können sich Antragsteller der dritten Gruppe im Internet auf dem Kundenportals der KfW registrieren und einen Antrag auf Heizungsförderung stellen, um eine effiziente Heizungsanlage in bestehende Immobilien einbauen oder einen Anschluss an ein Gebäude- oder Wärmenetz einrichten zu lassen. Die Registrierung erfolgt unter diesem Link: https://meine.kfw.de/.

Aber Achtung: Vor Antragstellung muss ein Lieferungs- oder Leistungsvertrag mit einem Fachunternehmen abgeschlossen werden, in dem eine aufschiebende bzw. auflösende Vertragsbedingung zur Fördermittelzusage vereinbart wurde. Weiterlesen

Nebenberuf: Kein Anspruch auf Steuerbescheid ohne Vorläufigkeitsvermerk

Kann ein Freiberufler, speziell ein Anwalt, eine Tätigkeit aus rein privaten Gründen heraus betreiben, so dass bei lang andauernden Verlusten eine Liebhaberei unterstellt werden kann? Diese Frage war schon häufiger Bestandteil von finanzgerichtlichen Entscheidungen. Zugegebenermaßen habe ich zu dem Thema nicht alle Urteile der letzten 30 Jahre studiert, aber ich denke, als Fazit kann ich dennoch festhalten, dass eine Liebhaberei durchaus in Betracht kommen kann.

Doch an diese Feststellung sind seitens der Finanzverwaltung bei einem Freiberufler hohe Anforderungen zu stellen. Vor allem muss das Finanzamt darlegen, dass die Tätigkeit aus privaten Motiven heraus (mit-)veranlasst ist (vgl. z.B. BFH vom 22.4.1998, XI R 10/97; BFH 14.12.2004, XI R 6/02).

Aber darf das Finanzamt die Gewinnerzielungsabsicht auch erst nach einigen Jahren überprüfen und die Steuerbescheide bis dahin vorläufig erlassen? Die Antwort lautet „Ja, das darf es“. In diesem Sinne hatte das FG Münster bezüglich der nebenberuflichen Tätigkeit einer Syndikusrechtsanwältin entschieden; die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der BFH nun verworfen (FG Münster 21.4.2023, 14 K 1263/21 E; BFH 17.7.2024, VIII B 48/23).

Der Beschluss des BFH:

Der Beschluss des BFH lautet: Bei der nebenberuflichen Anwaltstätigkeit einer Syndikusrechtsanwältin in eigener Kanzlei darf aufgrund einer dauerhaften Verlustsituation ein Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO hinsichtlich einer ungewissen Gewinnerzielungsabsicht jedenfalls dann ergehen, wenn die Art und Weise der Betriebsführung der Kanzlei unklar ist. Weitere Umstände des Einzelfalls, die den grundsätzlich bestehenden Anscheinsbeweis für eine Gewinnerzielungsabsicht der nebenberuflichen anwaltlichen Tätigkeit in der eigenen Kanzlei erschüttern, müssen nicht festgestellt werden.

Denkanstoß:

Der Beschluss des BFH ist ausschließlich zum Verfahrensrecht ergangen. Es liegt nun an der Rechtsanwältin, dem Finanzamt gegenüber glaubhaft zu machen, dass sie mit ihrer Tätigkeit einen Totalüberschuss erwirtschaften kann bzw. dass eine Gewinnerzielungsabsicht besteht. Eigentlich sollte dies bei Freiberuflern, auch wenn sie lediglich nebenberuflich tätig sind, nicht allzu schwer fallen, denn üblicherweise halten sich die Betriebsausgaben in Grenzen. Andererseits – darauf wurde eingangs hingewiesen – darf das Finanzamt die Messlatte für eine Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht nicht zu hoch legen.

Letztlich gilt: Es sollte (mit der Höhe der Betriebsausgaben) nicht übertrieben werden und mit etwas gutem Willen auf beiden Seiten sollte man zu einer guten Lösung gelangen.

Referentenentwurf des BMJ: Eintragungen in Register werden wohl teurer!

Am 22.07.2024 hatte das Bundesministerium der Justiz eine „Dritte Verordnung zur Änderung der Handelsregistergebührenverordnung“ veröffentlicht. Sie sieht vor, dass die Eintragungsgebühren für verschiedene Register ansteigen.

Hintergrund

Das Handelsregister gilt als eines der wichtigsten Register für Unternehmen in Deutschland. Es dokumentiert als öffentliches Verzeichnis Einträge über die angemeldeten Kaufleute im Bereich eines zuständigen Registergerichts. Für jeden ist dies einsehbar. Wichtige und wesentliche Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse von Kaufleuten stellt dieses Register bereit.

Ob Ersteintragung, Errichtung einer Zweigniederlassung oder Verlegung des Sitzes: Die Gebühren variieren je nach Eintragungs- oder Änderungsgrund und richten sich nach dem mit der jeweiligen Amtshandlung verbundenen Aufwand. Dabei sind die Gebühren für Eintragungen in das Handels-, Genossenschafts-, Gesellschafts- und Partnerschaftsregister zuletzt am 01.01.2011 angepasst worden. Da seitdem die Personal- und Sachkosten bei den Registergerichten erheblich gestiegen sind, sieht das Ministerium nunmehr eine deutliche Anhebung der Gebühren für geboten. Konkret soll jede Eintragungsgebühr der Handelsregistergebührenverordnung linear um 50 Prozent angehoben werden.

Ziele und Notwendigkeit der Anhebung

In seinem Referentenentwurf weist das Ministerium auf die Notwendigkeit der Anhebung hin. Ausgeführt wird, dass im Jahr 2019 der Kostendeckungsgrad der Registergerichte bei nur 78 Prozent lag. Für das Jahr 2021 habe eine Erhebung bei den Ländern einen Kostendeckungsgrad von nur noch 73 Prozent ergeben. Aufgrund der seither eingetretenen „erheblichen allgemeinen Preissteigerungen und dem damit einhergehenden Anstieg der Personal- und Sachkosten ist davon auszugehen, dass der Kostendeckungsgrad der Registergerichte inzwischen bei einem Wert von unter zwei Dritteln liegt“, so das BMJ weiter. Vor diesem Hintergrund sollen die Eintragungsgebühren nunmehr linear um 50 Prozent angehoben werden. Die daraus insgesamt resultierenden Gebühreneinnahmen sollen dazu dienen, „den Aufwand der Länder für den Betrieb der Registergerichte weitgehend zu decken, damit die Gerichte den Anforderungen an eine moderne, effiziente und sichere Registerführung auch künftig gerecht werden können.“

Stellungnahmen unterschiedlicher Verbände eingegangen

Bis zum 30.08.2024 hatten die DIHK, der Deutsche Notarverein e.V. sowie Der Mittelstand BVMW e.V. zu dem Referentenentwurf Stellung bezogen. Die Meinungen fallen hier unterschiedlich aus. So „begrüßt“ v.a. der Deutsche Notarverein e.V. den vom BMJ vorgelegten Referentenentwurf. Er weist darauf hin, dass „auch im Bereich der hoheitlichen Befugnisse der Beurkundung von Rechtsvorgängen und anderen Aufgaben der vorsorgenden Rechtspflege“ die Energiepreise sowie die Sach- und Personalkosten „in gleichem Umfang gestiegen und teils empfindlich zu spüren [sind]“.

Die DIHK bemängelt, v.a. die Schlussfolgerung, „dass eine pauschale Erhöhung der Registergebühren um 50 Prozent erforderlich ist – ohne weitere Ableitung oder Darlegung“ und bittet „um eine entsprechende Prüfung, ob eine Erhöhung von 50 Prozent tatsächlich erforderlich ist.“ Auch nutzt sie die Gelegenheit, um an dieser Stelle nochmals auf das „Petitum im Hinblick auf nicht erforderliche, derzeit allerdings für jedermann abrufbare Registerinhalte“ Bezug zu nehmen, welches sie bereits seit 2022 verfolgt.

Der BVMW e.V. bemängelt ebenfalls, dass eine pauschale lineare Preissteigerung der Gebühren um 50 Prozent allerdings „in keinem Verhältnis zu einer Reduktion des Kostendeckungsgrads um lediglich fünf Prozent innerhalb von zwei Jahren steht. Und ferner: „Auch die deutsche Wirtschaft und die 3,5 Millionen mittelständischen Firmen haben mit Kostensteigerungen (Personal-, Energie-, Rohstoffkosten usw.) zu kämpfen. Letztendlich wird damit die Ineffizienz der deutschen Registerflut auf Unternehmerinnen und Unternehmer abgewälzt.“ Er fordert daher „dass alternative, kostensenkende Strukturreformen ergriffen werden.“

Kostensteigerung ja, jedoch mit Behutsamkeit

Nicht völlig unerwartet kam die Botschaft des BMJ, die Kosten für Eintragungen in die Register zu erhöhen. Insbesondere, da diese zuletzt 2011 angehoben wurden, durfte mit einer Anhebung in naher Zukunft gerechnet werden. Außer Frage dürfte die Bedeutung der Register für die interessierte und sich informierende Öffentlichkeit sein. Hinterfragt werden muss allerdings die Kalkulation des BMJ. Eine schlüssige Erklärung dafür, dass die die Kostenerhöhung um massive 50 Prozent notwendig ist, bleibt aus.

Die Gefahr, dass die höheren Gebühren neue Unternehmensgründungen unattraktiver machen und negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes auslösen könnten, sind daher berechtigt.

Bekanntgabe von Steuerbescheiden: Kann ein Gesamtrechtsnachfolger den Zugang wirksam bestreiten?

In der Praxis kommt es häufig vor, dass der Zugang eines Steuerbescheides bestritten wird. Üblicherweise müssen die Finanzämter das Bestreiten des Zugangs zähneknirschend zur Kenntnis nehmen und den Steuerbescheid erneut zur Post geben. Manch Finanzamt zeigt sich allerdings kampfbereit und lässt es auf einen Prozess vor dem Finanzgericht ankommen. Gerne wird dabei vorgebracht, es liege am Steuerpflichtigen, den Nichtzugang des Steuerbescheides glaubhaft darzulegen. Die Rechtsprechung sieht die Beweislast aber beim Finanzamt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.4.2009, X R 35/08).

Ausnahmen können sich ergeben, wenn sich der Vortrag des Steuerpflichtigen als reine Schutzbehauptung entlarvt oder wenn sein Verhalten erkennen lässt, dass ihm der Steuerbescheid wohl doch zugegangen ist (vgl. z.B. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.12.2019, 9 K 9073/18).

Was aber gilt, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein Gesamtrechtsnachfolger den Zugang eines Steuerbescheides bestreitet? Mit dieser Frage wird sich bald der BFH beschäftigen müssen. Vorausgegangen ist ein Urteil des FG Münster, das die Zugangsfiktion im zugrunde liegenden Fall tatsächlich als erschüttert ansah. Allerdings hat das Gericht klargestellt, dass das bloße Bestreiten des Zugangs eines Schriftstücks nicht ausreichend ist (FG Münster, Urteil vom 19.4.2024, 4 K 870/21 E, Revision unter Az. VI R 16/24).

Der – verkürzte und leicht abgewandelte – Sachverhalt:

Im Jahre 2017 erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2016. Im Februar 2020 verstarb die Steuerpflichtige. Sie galt als gewissenhafte Person und ihre Steuerunterlagen waren gut geordnet. Es fehlte in den – chronologisch sortierten – Unterlagen aber der Einkommensteuerbescheid für 2016. Im März 2020 teilte der Gesamtrechtsnachfolger dem Finanzamt mit, dass die Steuerpflichtige verstorben sei. Bei der Auflösung des Haushalts seien Unterlagen/Belege gefunden worden, die für die Einkommensteuererklärung für 2016 noch relevant seien. Der Gesamtrechtsnachfolger bestritt den Zugang des damaligen Steuerbescheides und reichte Unterlagen nach, mit der die Steuerlast des Jahres 2016 verringern werden sollte. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass die Unterlagen verspätet nachgereicht wurden, weil der Einkommensteuerbescheid für 2016 als in 2017 bekannt gegeben gelte. Das FG sah die hiergegen gerichtete Klage aber als begründet an. Die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO sei erschüttert.

Die Begründung:

Das bloße Bestreiten des Zugangs eines Schriftstücks durch den Rechtsnachfolger des Bekanntgabeadressaten lässt die Zugangsfiktion nicht entfallen. Allerdings darf der Maßstab, der an die Erschütterung der Zugangsvermutung im Einzelfall zu stellen ist, nicht überhöht werden. Es sollte daher ausreichen, wenn sich auch nur im Ansatz begründete Zweifel am Zugang des Verwaltungsaktes feststellen lassen. Im Urteilsfall begründet insbesondere die vorgefundene Situation bei der Aufnahme des Nachlasses Zweifel am Zugang des Einkommensteuerbescheids. Es wäre zu erwarten gewesen, dass die Steuerpflichtige den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid für 2016 in ihre sortierten Steuerunterlagen aufgenommen hätte, wenn er ihr tatsächlich zugegangen wäre.

Denkanstoß:

Es wurde die Revision zugelassen, da noch keine Entscheidung des BFH dazu vorliegt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sich ein Dritter auf die fehlende Bekanntgabe eines Steuerbescheides berufen kann. Wie erwähnt wurde die Revision auch eingelegt. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass der BFH in der Sache anders entscheiden wird. Doch spannend wird sein, welche Grundsätze er allgemein bezüglich des Bestreitens des Zugangs eines Verwaltungsaktes durch den Rechtsnachfolger aufstellen wird.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass sich die Bekanntgabe- bzw. Zugangsfiktion ab 2025 auf vier Tage verlängert. Beachten Sie hierzu den Blog-Beitrag „Verlängerung der Bekanntgabefiktion bei Verwaltungsakten ab 2025 – Was bedeutet das für Unternehmen und Bürger?“ von Professor Ralf Jahn.